Im Gegensatz zur narzisstischen Mutter kümmert sich der narzisstische Vater weitaus seltener um die Kinder. Er geht in erster Linie seinen eigenen Interessen nach und überlässt die Erziehung der Kinder weitestgehend der Partnerin. Allerdings ist er in besonderen Augenblicken des Lebens für sie da. Wenn es um entscheidende Fragen in der Entwicklung des Kindes geht, bringt er seine Meinung dominant zum Ausdruck und gibt eine klare Richtung vor.
Mit seinen manipulativen Fähigkeiten gelingt es ihm fast immer, dem Kind seinen Willen aufzuzwingen. Der narzisstische Vater sieht seine Kinder immer als Teil seiner selbst und ist überzeugt, dass seine Kinder ihm gehören und er sie nach seinem Ebenbild formen darf. Er betrachtet sie als treue Verbündete, mit denen es gemeinsame Interessen und Ziele geben muss. Der Narzisst möchte sich in seinem Kind wiedererkennen. Ob dabei die Bedürfnisse des Kindes abgedeckt werden, ist für ihn keine Frage. Er ist der Meinung, dass sein Kind das glücklich macht, was auch ihn glücklich macht.
In Alltagsangelegenheiten oder bei Interessen des Kindes, die der Vater für unwesentlich hält, zeigt er keine Präsenz. Dies erscheint ihm nicht relevant und er zeigt dem Kind allein schon durch das abweisende Desinteresse die Bedeutungslosigkeit seiner eigenen Wünsche auf. Eher wird das Kind dem narzisstischen Vater bei dessen Angelegenheiten helfen müssen, als wäre es sein Leibeigener. Der Vater nimmt das Kind ganz selbstverständlich unter Beschlag und erwartet von ihm treue Gefolgschaft insbesondere wenn es sich um einen Sohn handelt. Dieser wird ungefragt zum Stammhalter erkoren, ob er nun dafür geeignet ist oder nicht. Schlimmstenfalls muss er gegen alle Widerstände geeignet gemacht werden.
Der narzisstische Vater kommt gar nicht auf die Idee, dass seine Ansichten und sein Vorgehen dem Kind nicht helfen oder gar schaden könnten. Er weiß besser als jeder andere, was gut für sein Kind ist. Widerspruch duldet er nicht, Ausweichmanövern kommt er zuvor und eigene Initiativen des Kindes werden unterbunden. Gelingt es dem Kind dennoch, sich mit seinem Vorhaben durchsetzen, wird es vom Vater schlechtgeredet.
Der narzisstische Vater wird dem Kind dann klarmachen, dass es in die falsche Richtung läuft. Er wird es warnen, die Gefahren nicht überblicken zu können und ihm Angst davor machen, mit allen Konsequenzen zu scheitern. Oft geht dann in selbsterfüllender Prophezeiung die Sache auch tatsächlich schief, und zwar nicht, weil der Sohn es nicht hätte schaffen können, sondern eher durch die Verunsicherung, die der Vater ausgelöst hat und die ihn an sich zweifeln ließ sowie durch vorenthaltenen moralischen Rückhalt des Vaters, der für ein Gelingen unter Umständen von Nutzen gewesen wäre.
Die ureigensten Wünsche seiner Kinder stellen für ihn keine echte Option da, es sei denn, sie entsprechen seinen eigenen Vorstellungen. Ein narzisstischer Vater begleitet seine Kinder nicht durchs Leben, er will sie bedingungslos führen. Diese Männer wissen ihren Kindern im Grunde nichts beizubringen. Sie können ihnen Vorträge über das Leben halten, aber wie die Kinder ihren eigenen Weg finden und gehen können, das wissen sie nicht. Sie nehmen ihren eigenen Lebensweg als Beispiel und glauben, dass alle anderen Menschen damit ebenfalls gut fahren. Er ist so sehr von sich überzeugt und identifiziert sich so sehr mit seiner Einstellung, dass er sich nicht im Entferntesten vorstellen kann, dass andere Lebenswege oder Lebensformen auch wünschenswert sein können.
Nach außen tut er freilich so, als seien die Kinder unabhängig, könnten alles machen, was sie wollten und hätten stets seine uneingeschränkte Unterstützung. Mit einer vorgetäuschten Großzügigkeit kann der narzisstische Vater nach außen demonstrieren, dass er sich in seiner Vaterrolle vorbildlich verhält. Seine Kinder spüren aber das genaue Gegenteil. Sie erkennen, dass der Vater nur eine Rolle spielt, und fühlen sehr früh, dass er das, was er nach außen darstellen möchte, nicht wirklich lebt. Die Kinder gelangen hierdurch in einen weiteren Widerspruch zu ihren eigenen Empfindungen und der vorgetäuschten Wirklichkeit.
Der narzisstische Vater will, dass alles aus seiner Quelle stammt
Alles, was das Kind weiß und kann, soll von ihm stammen. Mit nonverbaler Kommunikation wie eine ablehnende Mimik, nichtssagendem Schweigen oder entwertenden Blicken kann das Kind die Worte zwischen den Zeilen unmissverständlich deuten. Um dem Vater aber letztlich zu gefallen und die notwendige Anerkennung zu erhalten, wird es in der Regel gehorchen oder tagelang mit einem schlechten Gewissen herumlaufen.
Auf diese Weise macht er seine Kinder von sich abhängig, sie orientieren sich an ihm und bekommen nicht die Chance, ihren eigenen Weg zu gehen. Werden die Kinder am Ende unglücklich, erfolglos, unausgeglichen, reizbar oder gar krank, bringt er das natürlich nicht in Zusammenhang mit seinem Verhalten. Das Kind ist dann eben schwächlich und hat nicht seine Gene geerbt, sondern vornehmlich die Anlagen der zarten Mutter.
Im Grunde kann dem Kind gar nichts Besseres passieren, als dass der narzisstische Vater seine Bemühungen, das Kind zu formen, aufgibt. Es wäre sofort frei. Leider ist es aber so, dass ein narzisstischer Vater nicht aufgeben kann, weil er das als Niederlage empfinden würde, die er sich nicht eingestehen will. Darüber hinaus wurde das Kind schon so sehr von der Meinung des Vaters abhängig gemacht, dass es sich selbst wenn sich der Vater nicht mehr kümmern würde oder bereits verstorben wäre immer noch Gedanken darüber machen würde, ob das eigene Handeln dem Vater wohl recht wäre. Die Vorstellungen seines Vaters haben sich bei ihm eingraviert.
Die folgenden Merkmale sind kennzeichnend für einen narzisstischen Vater:
Er weiß immer, was das Beste für seine Kinder ist.
Er kümmert sich nicht wirklich um das Familienleben.
Die Gefühle seiner Kinder interessieren ihn nicht.
Er interpretiert die Gefühle seiner Kinder um und ist der Meinung, er wüsste besser, wie es in seinen Kindern aussieht.
Er ist nur an seinen eigenen Angelegenheiten interessiert und erwartet die Gefolgschaft seiner Kinder.
Er hat eine enorme Überzeugungskraft und kann wie ein Wasserfall auf die Kinder einreden.
Hat das Kind dem Vater einen Wunsch erfüllt, wird es zur nächsten Aufgabe gejagt. Die Leistungen seines Kindes werden ihm nie genügen.
Ein Lob gibt es nicht, nur die Aufforderung weiterzumachen.
Er erinnert seine Kinder stets daran, was er für sie getan hat und dass sie ihm etwas schuldig sind.
Geht man nicht auf seine Bedürfnisse ein, wird er wütend, ist beleidigt und erwartet eine Entschuldigung
Er mischt sich ständig in das Leben seiner Kinder ein, er gibt sie niemals frei.
Die Auswirkungen seines selbstsüchtigen Verhaltens auf die Kindern kann er nicht erkennen.
Fehler wird er sich nicht eingestehen, und wenn er Zugeständnisse macht, dann nur mit dem Hinweis, dass andere auch nicht immer alles richtig machen.
Da er sich keine Schuld eingesteht, kann er sich auch nicht entschuldigen.
Gefühlsausbrüche der Kinder werden ignoriert und als vorübergehende Entgleisungen abgehakt.
Er vergleicht seine Kinder mit anderen Kindern und führt ihnen dessen Leistungen als Ansporn vor Augen.
Er will, dass sein Lebenswerk von den Kindern fortgeführt wird.