Zitat von TraurigeUserin:Ich finde es sehr schwierig zu merken, ab wann man hingehalten oder ver*rscht wird und wann es noch zum Flirt gehört.
Ist es auch.
Ich denke, man kann sowas nicht an einzelnen Sachen festmachen, sondern muss im Kontext schauen.
Das Risiko, dass ein Kennenlernen scheitert, hat man
immer. Man tut also wirklich gut daran, sich eine möglichst erwartungsfreie und ergebnisoffene Haltung zu eigen zu machen (meine persönliche Erfahrung: das ist das Schwierigste überhaupt an der ganzen Sache).
Ein Beispiel um den Unterschied vielleicht klarer zu machen:
Ich tue vor mir selbst so als würde ich hochkonzentriert einen Pullover stricken... und schiele die ganze Zeit heimlich zum Handy rüber. Dann kommt eine Nachricht..! - von meiner Mutter, grrrr. Also weitermachen mit dem Pullover, und dann zwei Stunden später beim Putzen, wenn ich nicht dran denke, kommt die Nachricht von meinem Schwarm und er schreibt was Nettes mit vielleicht einer kleinen flirtigen Einlage, und mein Herzchen hüpft etwas höher und das Putzen macht auf einmal Spaß. Eine passende vielleicht etwas kokette Antwort bekommt er dann abends wenn ich fertig geputzt und eingekauft habe, bevor ich das Handy zur Seite lege und mit meiner Freundin ausgehe, wovon ich ihm übrigens nichts sage weil meine Tagesgestaltung ihn zu diesem Zeitpunkt schlichtweg nix angeht, genauso wie ich keine langweiligen Meldungen von seinem Tagesablauf lesen will sondern humorvolle und leicht flirtigen Austausch pflegen möchte ....und am nächsten Tag hat er wieder geantwortet und bekommt seine Reaktion, und am übernächsten spätestens fragt er scheinbar beiläufig (oder mutig und charmant ganz direkt) ob ich in den nächsten Tagen Zeit für ihn habe, er würde gern dies und jenes mit mir unternehmen... und wenn ich Zeit habe klappt das und wenn nicht, müssen wir einen passenden Termin finden, denn natürlich möchte ich sehr gern diese schöne Idee von ihm mit ihm umsetzen.
Nun das Gegenbeispiel: Obwohl mein Schwarm am Anfang regelmäßig und intensiven Kontakt gesucht hat, bleibt mein Handy neuerdings so stumm, dass ich es schon mehrmals auf seine Funktionsfähigkeit geprüft habe. Der Pullover ist doof, überhaupt ist alles doof weil ich zu nix in der Lage bin außer auf die erlösende Meldung zu warten, und ich laufe innerlich im Kreis ums Handy. Putzen ist auch kacke, einkaufen spar ich mir weil ich eh nix runter kriege und meiner Freundin kann ich kaum zuhören, weil ich in der Kneipe immerzu auf mein Handy schiele. Dann endlich gegen 23 Uhr kommt ein na was machste und ich bin eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung, aber weil ich ihm ja zeigen will wie toll ich bin schicke ich ihm schnell ein Selfie (hab mich ja extra dafür heute zum Ausgehen mit meiner Freundin besonders herausgeputzt) mit Kneipenhintergrund, hihi soll er ruhig denken ich wäre mit Männern aus, und erzähle wie cool es in diesem Laden ist und dass wir auch mal unbedingt hier hin gehen müssen. Auf sein jo super Idee, lass uns mal am Wochenende hingehen wünsche ich ihm artig eine gute Nacht mit süßen Träumen, die ich meinerseits dann natürlich auch habe (weil es mir nach dem Hochgefühl seiner Meldung, auf die ich so lange gewartet habe, endlich richtig gut geht). Am nächsten Tag sage ich vorsichtshalber schon mal alle Pläne für mein Wochenende ab und bin guter Dinge, am übernächsten Tag denke ich er könnte sich doch auch mal wieder melden, am Tag danach bin ich langsam echt sauer dass er sich nicht meldet, beruhige mich aber damit dass wir ja fürs Wochenende verabredet sind. Sonntag sitze ich aufgelöst zu Hause und heule mir die Augen aus, weil er nicht mal abgesagt hat als ich am Samstagnachmittag geschrieben habe, was denn nun mit dem Ausgehen wäre, und Montag kommt dann von ihm hey Süße schade dass es nicht geklappt hat. Lust heute Abend vorbei zu kommen? und ich fange an zu überlegen, wie ich mich jetzt am besten verhalten kann, damit dieser Typ mich ernster nimmt und sich mehr um mich bemüht...
Okay das waren zwei ziemlich klischeehafte, extreme Beispiele, aber ich denke das Prinzip des Unterschieds wurde verdeutlicht. Im ersten Fall treffen zwei Menschen aufeinander, die ohne Spielchen einander Interesse bekunden und sich auf ein Tänzchen miteinander einzulassen gewillt sind, aber ohne dafür von ihren sie stabilisierenden Routinen abzuweichen. Der Umgang ist im Grunde unverbindlich, aber von Wertschätzung geprägt. Die Unsicherheit ist inspirierend, das Herzchen bangt und hüpft im Wechsel, hat aber auch genug Ruhephasen. Insgesamt geht es mir mit der Neuigkeit in meinem Leben
gut und ich habe ein zuversichtliches Grundgefühl.
Im zweiten Fall treffen zwei Menschen aufeinander, die beide Spielchen betreiben und deren Motive nicht das Tänzchen, das echte Kennenlernen sind, sondern die Projektion ihrer Bedürfnisse und Unarten auf einen anderen Menschen. Der Umgang ist krampfhaft und von Erwarten/Enttäuschen geprägt. Die Unsicherheit ist belastend, das Herzchen bangt und zagt deutlich mehr als dass es hüpft, vor allem hat es kaum Phasen der Entspannung. Insgesamt geht es mir mit der Neuigkeit in meinem Leben
nicht gut und ich habe ein irritiertes Grundgefühl.
Ich hoffe es ist etwas deutlicher geworden was ich mit dem Unterschied zwischen natürlichem Hin und Her und Spielchen meine?
Wenn man schon ein paar schöne Kennenlernen im Leben hatte, wird man sich natürlich leichter tun, den Unterschied zu erkennen. Es gilt, sich ein Gesamtbild zu verschaffen. Einzelne Punkte, die einem bedenklich vorkommen, sind schwierig zu interpretieren, ein Gesamtbild dagegen deutlich einfacher. Am besten interpretiert man dieses Bild mit dem
Kopf, denn das Herz ist manchmal kein allzu guter Ratgeber, es ist oft sehr bedürftig, überängstlich oder so hormonvernebelt, dass es zu keiner klaren Einschätzung in der Lage ist.
Ich glaube übrigens, der größte Knackpunkt ist es, dass viele Menschen schon an einem viel zu frühen Zeitpunkt in einem Kennenlernen Verbindlichkeit erwarten, bzw. glauben dass sie von ihnen erwartet wird. Aber es heißt ja nicht umsonst so schön: drum prüfe, wer sich (ewig) bindet.
Darum auch immer mein Rat, das mit der Verbindlichkeit so lange wie möglich hinauszuschieben, ruhig die ersten ein zwei Mal parallel zu daten usw.. Das ist kein Spielchen und keine Kaltherzigkeit, sondern letztlich schlichtweg der naturgemäßen Unverbindlichkeit eines ganz frühen Kennenlernens, das durch Onlinedating initiiert wurde, angemessen. Es hilft dabei, den anderen nicht zu sehr mit seinen eigenen Erwartungen zu überfrachten und ermöglicht einem mit mehr Lockerheit an die ganze Sache heran zu gehen.
So... ganz schöne Tapete geworden, wird wohl keiner lesen