Zitat von Zugaste:Wie ist denn juristisch der Unterschied zwischen Totschlag, Mord definiert und was ist der Unterschied zwischen Heimtücke und aus niederen Beweggründen?
Mag mir das jemand erklären?
Disclaimer: Meine Strafrechtskenntnisse waren schon zu Zeiten, in denen ich auf diesen Mist geprüft wurde, eher mau, aber ich versuche es mal und sollten hier Volljuristen mitlesen, darf von diesen gern korrigiert werden, aber mit der Bitte die Zielgruppe nicht außer acht zu lassen. Daher Mindermeinungen a la Tröndle/Fischer Fußnote 5, AG Untertupfingen hat aber entschieden, daß (xyz) wären verzichtbar.
Wenn wir mal über Tötungsdelikte reden, dann braucht es für die Vollendung (gibt eben auch den Versuch einer Straftat) eben den Tod eines anderen Menschen. Dieser kann willent- bzw. wissentlich eintreten oder ist Folge, einer Handlung, war aber eigentlich so nicht geplant.
Ein Beispiel:
a) Ich verprügele jemanden, weil ich denke, daß der verprügelt gehört. (vollendete Körperverletzung; kurz KV)
b) Ich verprügele jemanden, weil ich denke, daß der verprügelt gehört. Währenddessen fällt der unglücklich, bricht sich das Genick und ist Tod. (vollendet KV und fahrlässige Tötung; fahrlässig, weil mein Vorsatz (Wissen und/oder Wollen) den Tod des anderen nicht umfaßt).
c) Ich verprügele jemanden weil ich denke, daß der sterben soll. Er überlebt. (vollendete KV, versuchter Totschlag)
d) Ich verprügele jemanden weil ich denke, daß der sterben soll und dieser stirbt dann. (Totschlag)
e) Ich springe einen Menschen von hinten an und haue ihn solange bis er stirbt. Das Opfer hat den Angriff nicht kommen sehen. (hier Heimtücke, das Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, daher Mord).
Allein beim Lesen wird dir also schon aufgefallen sein, daß es auf zwei Dinge ankommt. Zum einen, was war gewollt (oder hätte der Täter wissen müssen, daß dies eintritt), zum anderen gibt es zusätzlich Umstände, die besonders zum Grundtatbestand hinzutreten. Allgemein wird so etwas Qualifikation genannt. Bei Totschlag und Mord nach dt Recht ist das ein bißchen komplizierter, weil es da einen Streit gibt, wie das Verhältnis zueinander zu qualifizieren ist, aber ich will dich jetzt echt damit nicht langweilen.
Um weiter bei Deiner Frage zu bleiben, die erste Hälfte Deiner Frage wird also beantwortet mit einem: Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag liegt in der Erfüllung zusätzlicher Tatbestände, also Definitionen, was einen Mord ausmacht. Ein weiterer Unterschied besteht im Strafmaß.
Beiden gemein ist der bewußte, gewollte Tod eines anderen Menschen.
Mordmerkmale sind laut § 211 StGB: aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen (erste Gruppe); heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln (zweite Gruppe) oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken (dritte Gruppe).
Die Merkmale werden in Gruppen eingeteilt: In der ersten Gruppe geht es um niedere Beweggründe (also eine Form des warum), in der zweiten Gruppe geht es um eine besonders verwerfliche Begehungsweise (also ein besonders schlimmes wie) und die dritte Gruppe, ist schon auch ein bißchen selbsterklärend, egal, wie schnell und wenig gemein man jemanden tötet, einfacher Totschlag ist es bei dieser Zielsetzung dann jedenfalls nicht mehr.
Damit sind wir auch beim zweiten Teil Deiner Frage angekommen: Heimtücke beschreibt, die
Art und Weise der Tötung. Niedere Beweggründe dagegen das
warum.
Heimtücke ist das Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, vulgo der, der stirbt hat den Angriff halt nicht im Ansatz kommen sehen.
Niedrige Beweggründe zu erklären ist ein bissl komplexer, weil mal wieder die Herren und Damen im akademischen Strafrecht sich nicht ganz einig sind, wie man aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier
oder sonst aus niedrigen Beweggründen im Verhältnis zu den anderen aufgezählten aber deutlich konkreten Motiven definiert.
Definiert wird das Motiv mit das nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht, durch hemmungslose, triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verwerflich, ja verächtlich ist. Joah, das is man gleich ganz viel schlauer, ne.
Gemeint ist halt folgendes: wenn jemand hingeht und jemanden anderen tötet, dann ist das überhaupt nicht cool und wird geahndet, wenn dieser jemand, daß aber zusätzlich aus einem Motiv heraus tut, was so sche**e ist, daß es gegen alles, wofür wir als Gesellschaft stehen, ist, dann ist der Herr Täter oder die Frau Täterin eben nicht mehr nur für Totschlag dran, sondern dann gibt es die härtere Strafe, aufgrund des Mordes. Allgemein anerkannt zB sind rassistische Motive als niedere Beweggründe, viele Ehrenmorde sind eine Zeitlang darunter gefallen, wobei es da auch andere Meinungen bzw Urteile gibt.
Falls Du das nun noch in den Kontext der hier zitierten Entscheidung setzen magst: Das Berufungsgericht scheint der unteren Instanz beim Thema Heimtücke gefolgt zu sein. Also ja, was der Täter dort seiner Ehefrau oder LG angetan hat, geschah unter Ausnutzen ihrer Arg- und Wehrlosigkeit, daher ist es ohnehin Mord. Die Frage, die das Berufungsgericht aber aufgeworfen hat, wäre wohl die, ob man generell in einer solchen Situation von niederen Beweggründen ausgehen kann.
Anders als hier von einigen Mitschreibern thematisiert, sagt der BGH nicht, daß die Tötung eines zur Trennung entschlossenen Partners NIE (wieder) diesen Tatbestand erfüllen kann, sondern es sagt nur, daß allein, daß ein zur Trennung entschlossener Partner vom anderen getötet wird, kann nicht reflexartig (ohne weitere Prüfung und/oder Begründung) zur Annahme von niederer Beweggründe führen.
Schließlich noch eine kleinere Korrektur:
Zitat von HeartOfGold:Meiner Auffassung nach hat Mord oft etwas Geplantes.
Totschlag passiert mehr im Affekt. Zum Beispiel, wenn es zum akuten Streit kommt und z.B. der Mann so in Rage ist und sich denkt: Ich habe jetzt echt genug von den ständigen Nörgeleien meiner Frau! Mir platzt der Kragen! und sie dann mit einem Gegenstand dermaßen schlägt und prügelt, dass er den Tod in dem Moment herbeiführen will und billigend in Kauf nimmt.
Wenn ich im Affekt aber aus Habgier handele, dann erfülle ich dennoch ein Mordmerkmal. Ich kann gut nachvollziehen, wie du das gemeint hast, Deine emotionale Abgrenzung ist nämlich korrekt. Der Tod eines anderen Menschen ist generell grauenhaft, beklagenswert und muß geahndet werden, aber es gibt eben Situationen, in denen daneben noch besondere Umstände treten, die das Ganze noch schlimmer machen.
Eine zweite kleine Korrektur, es muß herbeiführen will ODER billigend in Kauf nehmen heißen. Wollen ist Vorsatz ersten Grades, da braucht es nicht noch dolus eventualis dazu.
Schließlich für dich noch eine hübsche kleine Frage aus der Trickkiste: Der von Dir zitierte Bratpfannenfall (Klassiker der Kausalität) spricht nebenbei eine hübsche Problematik an. Da Frauen zumeist physisch deutlich ihren männlichen Opfern unterlegen sind, töten Frauen meist mittels verstecktem Angriffs (von hinten mit der Bratpfanne oder zB Gift), daher also auch schneller unter ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit, daher schneller die Bewertung ihres Vorgehens als heimtückisch.
Die Frage also, ob das Umgehen (müssen) faktischer, physischer Gegebenheiten grundsätzlich und direkt zur Bejahung eines Mordmerkmals führen kann, ist eine spannende .
Wäre es möglich einen Mord zu begehen, obwohl ich selbst diesem bestimmten Opfer gegenüber einen Totschlag, also den Grundtatbestand, nicht verwirklichen kann? Und inwieweit läßt sich das generalisieren?