Diese Zeilen richten sich primär an alle, die sich gerade in der Achterbahn Trennung befinden.
Ich bin jetzt, nach über einem Jahr der Verarbeitung, aus dieser Berg- und Talfahrt ausgestiegen. Anschließend habe ich, ein wenig wackelig auf den Beinen, vor eben dieser Achterbahn gestanden und sie mir genau angesehen. Resümierend kann ich sagen: Was für ein Ritt...aber...man überlebt.
Vielleicht lässt Du Dir von mir ein wenig Mut machen und ich darf Dich an meinen Erfahrungen Teil haben lassen.
Wie viele in diesem Forum hat mich die Trennung ganz unverhofft getroffen. Zumindest dachte ich das damals. Das wir als Paar eines Tages nicht mehr sein könnten, existierte gar nicht in meinem Kopf. Ja, wir hatten unsere Streitigkeiten, ich habe Ihn manchmal in Gedankten verlassen, aber das passiert doch jedem Paar irgendwann einmal. Und mal Hand aufs Herz: richtig streiten zu können, kann ja auch eine Qualität sein.
Irgendwo auf unserer gemeinsamen 5 jährigen Reise ist mein Ex-Partner aber aus diesem Gedankenkarussell ausgestiegen. Er hat sich innerlich distanziert und begann neue Wege für sich zu suchen. Ob ich das Gespürt habe. Klar habe ich das mitbekommen, aber ich wollte es nicht. Das ist aber eine Erkenntnis, die mich erst nach ein paar Monaten nach der Trennung ereilte. Wie oft habe ich gedacht, dass mir seine Macken so richtig auf die Nerven gehen. Wie oft habe ich über einen versauten Abend hinweggesehen, weil ich aus Gewohnheit mir kein anderes Leben vorstellen konnte und wollte. Alles musste geschluckt oder ertragen werden nur um sich dem Gedanken an Veränderung nicht stellen zu müssen.
Leider haben wir beide übersehen, dass auch eine intakte Beziehung offen für Veränderung sein muss, damit sie weiter leben kann. Und so entwickelte sich jeder für sich, nur leider eben nicht miteinander.
Nach einiger Zeit hat sich meinem Partner eine neue Liebe offeriert und er hat sofort zugegriffen. Die Aussicht auf Veränderung in einer so sanften Form war wohl eine zu große Versuchung. Damals habe ich Ihn dafür gehasst. Heute empfinde ich dies mehr als Schwäche, in der ich aber auch etwas sehr menschliches sehen kann.
Er hat sich sehr schnell von mir getrennt, seine Sachen gepackt, ist direkt zu seiner neuen Liebe gezogen und hat mich in unserem gemeinsamen Heim zurückgelassen.
Er hat versucht die Trennung für mich angenehm zu gestalten, indem er sie möglichst schnell vollzogen hat. Was er aber in all der Euphorie übersehen hat, war, dass ich mich nicht in der gleichen Aufbruchsstimmung befand wie er. So saß ich also schneller als ich es verstehen konnte in einer leeren Wohnung und war gefühlt von einem auf den anderen Tag auf mich allein gestellt.
Ich fühlte mich allein, verlassen, gedemütigt, hilflos, verletzt und ungeliebt. Kurzum: ich fühlte mich misshandelt. Doch jetzt begann erst der schwierigste Teil von allem. Ich musste mich in die Achterbahn Trennung setzen.
Ich fiel in das oft beschriebene schwarze Loch. Und das meine ich ganz wörtlich. In meiner Gefühlswelt bewegte ich mich eben noch auf einer grünen Wiese zusammen mit meinem Partner. Ganz unerwartet fand ich einen großen, sehr tiefen Brunnen. So stand ich am Rande des Brunnens und blickte hinunter. Ich frage mich noch, wer denn in dieser mir doch so vertrauten Umgebung ein so tiefes Loch graben konnte und warum mir das noch nie aufgefallen ist. Doch nur Sekunden später stand mein Partner hinter mir und trat mir mit ganzer Kraft in den Rücken. Ich fiel. Tief. Sehr tief.
Im Nachhinein betrachtet, hat dieses Fallen mehrere Tage gedauert. Ich war ohne jede Empfindung und wartete nur darauf, dass die Trauer über meinen Verlust mich packen würde. Was Sie nach ca. 3 - 5 Tagen auch tat. Ich schlug am Boden des Brunnens auf.
Ich habe mich dabei sehr stark verletzt und konnte mich anfangs auch gar nicht bewegen. Hier unten herrschte absolute Finsternis. Ich hatte real Angst um mich und meine Zukunft. Diese habe ich doch immer mit Ihm gesehen. Warum hat er das gemacht. Warum mit mir. Warum jetzt. Warum ich. WARUM?
Diese Fragen quälten mich mehrere Wochen, doch leider führten Sie mich vorerst nirgendwo hin. Ich war auch nicht in der Lage Kontakt zu ihm zu halten. Die Vorstellung ihn sprechen oder gar sehen zu müssen, in seinem neuen Glück, war eine nicht bewältigbare Aufgabe. Und so blieb ich vorerst am Boden liegen.
Nach ca. 2 Wochen habe ich dann die ersten Gehversuche unternommen. Ich konnte ja nicht ewig hier bleiben. Also stand ich auf und merkte erst jetzt, wie stark ich mich verletzt hatte. Alles war schwer. Wirklich alles. Einkaufen, zur Arbeit gehen, Fernsehen. Ich konnte nichts von all dem tun ohne jede Sekunde an Ihn zu denken. Mich wieder all den Warums zu widmen und mich erneut im Kreis zu drehen. Rückblickend war das wohl der schwierigste Teil des ganzen Prozesses. Er ist scheinbar ohne jede Hoffnung und nur äußert schwer auszuhalten. Doch es lohnt sich, sich ihm zu stellen.
Und so begann ich in der Finsternis blind nach halt zu suchen. Irgendwann entdeckte ich an einer der faul riechenden Wände des Brunnens eine Stufe. Ich stieg hinauf und fühlte mich besser. Wenn auch nur ein paar Sekunden, aber das war mehr als ich die letzten Wochen zusammen an Glück empfunden habe. Dieser Moment, in dem die erste Besserung Eintritt ist auch bereits der Wendepunkt des ganzen. Er ist wirklich kurz und wenn man nicht genau auf sich hört, verpasst man ihn. Das wäre sehr schade gewesen, denn ab hier ging es Bergauf.
Ich ging also noch immer in absoluter Dunkelheit die nächste Stufe hinauf. Und die nächste. Und die nächste. Irgendwann wurde ich sicherer und erhöhte das Tempo. Ich rief Freunde an und klagte in epischer Breite mein Leid. Manchmal bis zu 5 Anrufe am Tag mit einer Person. Und das ganze mit meinem halben Freundeskreis. Ich habe wirklich viel geredet in dieser Zeit. Und genau das ist auch mein Tipp für diese Episode der Trauer. Reden, Reden und nochmals reden. Es hilft ungemein wenn man den ganzen Frust loswerden kann. Auch das, was in der Beziehung schief gelaufen ist, was man glaubt, warum man verlassen wurde, was er jetzt macht, was aus mir jetzt werden soll. Diese Phase ist auch oft davon begleitet, dass man erste Fortschritte aktiv an sich selbst erkennt.
Es gibt die ersten Gedankenfreien Zeiten. Man denkt nicht an das Thema und an alles was damit zusammenhängt. Anfangs nur ganz kurz. Später schon ein paar Minuten. Irgendwann eine Viertelstunde. Und so gewinnt man mehr und mehr Boden unter den Füssen.
Leider musste ich auch feststellen, dass einige der Stufen moosig und glitschig waren. Ich bin auf ihnen ausgerutscht und wieder bis ganz nach unten auf den Boden gefallen. Das war jedes Mal schmerzhaft und demütigend. Doch von Mal zu Mal kam ich schneller wieder auf die Beine, wusste wo die erste Stufe ist und setzte meinen Aufstieg wieder fort.
Es dauerte bestimmt 3 Monate, bevor ich das erste Mal das Gefühl hatte, ich kann die nächste Stufe vor mir schemenhaft erkennen. Da war es. Das Licht am Ende des Brunnens. Ohne es mir selbst zuzutrauen habe ich so viel Boden gutgemacht, dass ich nun dem Licht oben näher war als der Dunkelheit am Boden des Brunnens. Ein gutes Gefühl. Ein tolles Gefühl. Ein Gefühl von Erleichterung und Freiheit.
Man erleidet auch hier leider noch Rückschlage und rutscht auf den Stufen aus, aber man fällt nicht mehr bis ganz nach unten. Lediglich ein bisschen zurück. Ich begann wieder aktiver am Alltag teilzunehmen. Ging wieder unter Leute und traute mich auch mal einen kurzen Augenblick alleine auf eine Tanzfläche.
Dann passierte das wohl Beste an der ganzen Sache. Ich kletterte immer noch meine Stufen hinauf und von einem Augenblick auf den nächsten durchdrang ein Geräusch die Stille und Hoffnungslosigkeit in mir. Ich blieb stehen und verstand nach ein paar Tagen auch was es war.
Meine Freunde. Sie standen oben am Brunnen und riefen mir zu. Das war der erste Moment an dem Ratschläge und gut gemeintes wirklich zu mir durchdrangen.
Ich war in der Anfangszeit fast wie ein Pflegefall. Ich konnte quasi nichts alleine. Dauernd mussten Freunde bei mir übernachten oder die Wochenenden komplett bei mir sein. Ich empfand mich als Last ohne zu merken, dass meine Freunde gerne für mich da waren. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass es noch ganz andere Werte in meinem Leben gab, als die Liebe meines Ex-Partners.
Ab hier läuft der Prozess mehr oder minder von alleine. Ich bin manchmal noch einsam und traurig, verletzt und wütend. Aber das ist nichts mehr im Vergleich zu dem, wie stark diese Gefühle am Anfang waren.
Lasst eure Gefühle raus. Heult wenn Ihr heulen müsst. Sagt allen, dass es euch nicht gut geht. Jeder wird dafür Verständnis haben. Liebeskummer ist schon schwer genug, er sollte nicht noch mit Scham oder deplatzierter Eitelkeit gekrönt werden. Lasst euch Zeit den Kummer zu verarbeiten. Geht offen und aufmerksam durch diesen Prozess und versucht nichts künstlich zu beschleunigen oder gar abzukürzen. Keinen Alk., keine Dro., keine Übergangs-Beziehungen. All das hilft gar nichts. Es verzögert die Auseinandersetzung mit sich selbst lediglich.
Ich bin durch diese Trennung reifer, mehr bei mir. Ich weis besser was ich will, ich kann deutlicher auf mich und meine Wünsche hören. Auch wenn ich am Anfang niemals dachte, dass mir dieser Satz jemals über die Lippen gehen würde, aber ich bin dankbar. Nicht meinem Ex-Partner, er hat den Prozess lediglich losgetreten, sondern mir selbst. Denn ohne all das Wissen, dass das Leid mich lehrte, wäre ich nicht der, der ich heute bin.
So, nun ist der Ritt vorüber. Will ich da noch einmal mitfahren?. Auf keinen Fall. Werde ich es verhindern können? Nicht wenn ich noch einmal lieben möchte. Möchte ich mich denn noch einmal verlieben. Aber sowas von!
3 Wochen nach diesen Gedankengängen stand sie vor mir. Heute wohnt sie sogar mit mir. Meine neue Liebe.
Es ist nicht einfach, aber Du wirst überleben. Versprochen.
19.11.2014 16:41 •
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