Mein Reisekoffer ist da.
Alles, was ich habe. Alles, was ich bin, passt da hinein.
Ich nehme sonst nichts mit. Ich kann nicht.
Es ist halb sechs Uhr in der Früh und Schlaf ist mir unmöglich. Die letzten Tage habe ich es gar nicht versucht, habe mir den Kopf mit Nonsens gefüllt und mit Alk., und ihn darüber hinaus leer gehalten.
Heute hatte ich nicht die Option.
Also versuche ich zu schlafen. Aus Mangel an Optionen.
Alles beginnt gut, ich habe mich stark angtrunken, die Gedanken sind entspannt genug, schweifen irgendwo hin, ich schlafe fast ein.
Plötzlich ist meine Frau da.
Ich rufe nach ihr.
Nein, doch nicht. Ich weiß, wie schlimm der Schmerz sein wird.
Ich rufe nach ihr.
Nein, meine Lippen schließen sich wieder.
Ich rufe nach ihr. Es nicht zu tun ist unerträglich.
Ich rufe leise. Niemand antwortet. Der Schmerz ist ebenso unerträglich. Er schneidet so tief, als wäre ich Butter. Ich warte. Niemand kommt. Sie pausiert nicht ihr Computerspiel, ruft nicht zurück, kommt auf den zweiten Ruf nicht in das Schlafzimmer, fragt nicht liebevoll was denn sei, ich habe nicht Gelegenheit ihr zu antworten daß nichts sei, daß ich sie lediglich vermisse, sie legt sich nicht kurz zu mir ins Bett, wir schmusen nicht für eine Weile, flüstern einander nicht warme Nichtigkeiten zu, ich denke an unsere gemeinsame Zukunft, aber ich spiele was-wäre-wenn, ich fühle mich nicht wie der glücklichste Mensch der Welt, die Frau, die ich als Mutter meiner Kinder wollte, wird nicht meine Kinder tragen. Sie hat mich verlassen, kurz vor der Heirat, weil ihr die *beep* gejuckt hat, und ich langweilig wurde. Oder so. Ich weiß es nicht. Ich habe nur Worte, und sie ergeben keinen Sinn.
Ich vermisse meine Frau. Ich kann nicht ohne sie sein. Es sind fast zwei Monate her und es hat sich nichts geändert. Es kann sich nichts ändern, ich verharre, bin starr, rege mich nicht. Ich warte immer noch darauf, daß ich aufwache und alles nur ein Alptraum ist.
Ich rufe leise. Sie hält inne, pausiert das Spiel, lauscht, ruft ein liebevolles, leises, horchendes Jaah?, und ich rufe nochmal, sie ruft zurück, steht auf, kommt ins Schlafzimmer, fragt mich was denn ist, ich erkläre ihr, ich hätte eben den furchtbarsten Alptraum gehabt, und erzähle ihr in groben Zügen die letzten vier bis acht Wochen, sie schimpft mich zärtlich, kommt für eine Weile mit ins Bett, und ich bin glücklich, bin zufrieden, wir kuscheln und ich lege meine Hände auf ihren Bauch, stelle mir unsere Kinder darin vor, denke an unsere Zukunft, was alles aussteht, was alles notwendig wird, schmiede Pläne, liebe meine Frau, fühle mich wie der glücklichste Mann der Welt und verstehe nicht, wie sie mich nur so lieben kann.
Zeit verstreicht.
Ich wache nicht auf.
Nochmal rufe ich.
Wieder bleibt es ungehört.
Ich blättere durch ein halbes dutzend Drehbücher, allesamt schön, allesamt gelogen. Ich ertrage es nicht mehr, stehe auf. Saufe, bis ich fast kotze. Versuche nochmal zu schlafen.
Häufig ist der Schmerz morgens schon unerträglich. Ich wache auf, gehe ins Bad, komme zurück, trinke beim Gang durch mein Schlafzimmer einen Schluck oder drei aus der Flasche neben dem Bett, mache den Computer an oder wecke ihn aus dem Ruhemodus, trinke aus einer der Flaschen hier noch ein paar weitere Schlucke bis mein Kopf matschig genug ist, daß sich alles relativiert.
Tagsüber hält es sich die Waage. Ich habe Mittel und Wege gefunden, mir die Zeit totzuschlagen. Auf die eine oder andere Weise. Nachts, spät Nachts, früher Morgen, Morgen. Das sind die Stunden, die wieder häßlich werden.
So wie jetzt,
So wie jede Nacht.
29.11.2017 06:02 •
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