Hallo Leuts,
das hier ist zwar keine Weisheit, aber der Zufall hat mir diesen, bisher unveröffentlichen Text, in die Hände gespielt. Er wird, zusammen mit anderen, etwas ironischen Texten dieser Art, auf CD mit Musik veröffentlicht. Hat mich an so manche Leidensgeschichte erinnert...
Ich wäre dankbar für Kommentare und Rückmeldungen, wem dieser Text etwas sagt.
DIAGONALE BÜRGERLICH
Sie war eine geborene Diagonale
daran zweifelte sie keine Sekunde
auch wenn die Leute sie auslachten:
die - eine DIAGONALE? nie!
Wie will sie denn allein
eine Diagonale sein?
Sie dachte sich: euch zeige ich es
und begab sich auf die Suche
nach dem RECHTECK, ihrem Rechteck!
Groß und schlank sollte es sein
aber nicht zu dünn und -nein -
keinesfalls quadratisch!
Das war gar nicht leicht
die ersten, die sie traf
es waren lauter Falschecke
und keines passte ihr.
Erst als sie bei den kleineren
sich umgesehen
fiel die D. nicht länger
ungehalten hin und her
Am Abend sagte ein recht
haberisches Rechteck:
du! gehörst! zu mir!
Ganz überwältigt passte sie
sich an und reichte ausgerechnet
von links unten nach
genau - rechts oben!
War das ein Gefühl, so ganz zusammen
zu gehören und die Leute riefen:
wie harmonisch! aus gezeichnet!
welch ein hübsches Paar!
Sie war so richtig glücklich.
Niemand konnte mehr bezweifeln
dass sie nun Diagonale war:
DIE DIAGONALE VON R.
Nachdem sie die Verbindung
eine Weile lang genossen hatte
kam so eine Art von
Langeweile in ihr auf.
Sie versuchte umgekehrt sich einzupassen
aber dazu musste sie den Kopf einziehen
das war kein Vergnügen.
Verzweifelt las sie in dem Buch
wo alles aufgeschrieben stand
von Recht und Eck und Ordnung
dass keine heraus ragenden Positionen
für Diagonalen vorgesehen waren.
Eine gerade Linie
die zwei nicht benachbarte Ecken
eines Vielecks miteinander verbindet.
So stand es dort unmissverständlich.
Hatte sie schon alles was ihr zustand
war sie trotzdem mit dem Zustand
unzufrieden - Rechteck ging ihr langsam
auf die Nerven und ihr wurde klar
das ALLES an ihm so recht mäßig war.
Wo er hinging, musste sie ihm folgen
und Diskussionen um ihre Person
wie vor der Hochzeit fanden nicht mehr statt.
Für Rechteck war es selbstverständlich
dass sie seine Ecken gut verband,
sogar die beiden anderen
für die sie gar nicht vorgesehen war.
Schließlich hatte sie die Samariterdienste
gründlich satt, verweigerte die Nahrung
bis sie dünn genug war, sich aus einer
Nachbarecke auf den Weg zu machen.
Ein freies Leben schien das höchste ihr
solange bis ein KREIS vorüberschwebte.
Sie war fasziniert von der vollkommenen
Figur, verliebte haltlos sich und wollte
nur noch ihn. Er erklärte zwar
er brauche keine Diagonale
doch sie folgte ihm so lange
bis er endlich in sein Haus sie nahm.
Nun konnte sie nach Lust und Laune
sich bewegen und verdrehen linksherum
und rechtsherum, bis ihr die Luft ausging.
Am schönsten war es
wenn sie sich zusammen drehten
und es war ihr absolut egal
dass sie den Namen DURCHMESSER bekam.
Sie wusste es einfach besser:
sie war eine DIAGONALE
mit zwei unendlichen Enden
© Alma Larsen, München 2001