Zitat von Geheimnis:@Scheol Ich frage mich mit einem Kumpel seit Jahren ob Süchtige nicht glücklicher sind als wir. Wir können eine Woche unglücklich sein. Ein ...
Jetzt muss man etwas weiter ausholen.
Die Interpretation ist leider falsch mit dem happy sein , man überdeckt schlimmste Erfahrung, schlimmste , existenziell bedrohliche Gefühle.
Professor Dr. Franz Ruppert , Verena König , Damir Charf , sagen , das jede Sucht durch ein Trauma ausgelöst wurde.
Trauma als Auslöser für Sucht
Eine starke Beziehung besteht zwischen Trauma und Dro.. Sucht tritt oft auf, wenn der Schmerz und die Angst eines Traumas so unerträglich werden, dass Menschen zu Dro. und Alk. greifen, um die intensiven Gefühle zu betäuben.
Manchmal ist das Trauma so schwerwiegend, dass Menschen fast alles tun, um die Angst und Beklemmung loszuwerden.
Die Behandlung einer süchtigen Person, die ein Trauma erlebt hat, ist selten erfolgreich, wenn nicht gleichzeitig das Trauma behandelt wird.
Die Genesung von Trauma und Sucht ist mit einer Behandlung möglich, aber es gibt einige wichtige Fakten zu beachten:
Trauma kann durch das Erleben von Krieg, Gewalt, Terroranschlägen oder Naturkatastrophen verursacht werden. All das sind starke Auslöser, die zum Konsum von Dro. und Alk. führen können.
Missbrauch in der Kindheit und S. Übergriffe sind ebenfalls starke traumatische Auslöser für Dro.. Untersuchungen zeigen, dass Jugendliche, die S. Übergriffe erlebt haben, mindestens viermal häufiger Marihuanamissbrauchen und neunmal häufiger zu harten Dro. greifen.
Einige Traumaopfer können Schuldgefühle oder Scham empfinden, besonders wenn das Trauma das Ergebnis einer Vergewaltigung oder eines S. Missbrauchs ist. Opfer, die sich selbst die Schuld geben, können viele Jahre lang im Verborgenen leiden.
Andere traumatische Ereignisse beinhalten das Miterleben von schweren Verletzungen oder Tod oder die Androhung von Verletzungen gegen sich selbst oder geliebte Menschen.
Beziehungsprobleme wie Scheidung oder Trennung sowie das Arbeiten oder Leben in einer missbräuchlichen oder vernachlässigenden Umgebung können ebenfalls zu einer Traumatisierung führen.
Trauma wird oft von anderen psychischen Problemen wie Depression oder Angst begleitet. Es kann sich auch in körperlichen Symptomen wie chronischen Schmerzen oder Bluthochdruck manifestieren. Manchmal erleben Menschen, die einem schweren Trauma ausgesetzt waren, schreckliche Flashbacks.
Der Griff zu Dro. oder Alk. verschafft nur vorübergehend Linderung. Auf lange Sicht verschlimmert der Substanzmissbrauch die Symptome sogar, indem er Angst und negative Emotionen verstärkt. Die aus dem Substanzmissbrauch resultierende schlechte Entscheidungsfindung kann zu einem zusätzlichen Trauma führen.
Entgiftung ist normalerweise der erste Schritt. Substanzmissbrauch kann Symptome eines Traumas maskieren und bleibt in der Suchtbehandlung oft unbemerkt. Erfahrene spezialisierte Ärzte und Therapeuten werden benötigt, um eine korrekte und genaue Diagnose zu stellen.
Obwohl viele Menschen Dro. und Alk. zur Selbstmedikation unangenehmer Gefühle verwenden, wenden sich andere süchtigen Verhaltensweisen wie zwanghaftem Überessen, S. Missbrauch oder Glücksspiel zu.
Gesunde Wege zur Traumabewältigung zu entwickeln, erfordert ein unterstützendes Umfeld und die Hilfe eines gut ausgebildeten, erfahrenen und unterstützenden, respektvollen Behandlungsteams.
In der Regel verschafft eine spezialisierte Traumatherapie den Opfern schnelle Erleichterung, sie lernen, sich selbst wertzuschätzen und Emotionen wie Scham und Schuldgefühle ohne Dro. oder Alk. zu bewältigen. Oft werden Nahrungsergänzungsmittel und in seltenen Fällen auch Medikamente verschrieben, um die Symptome von Angst und Depression zu lindern. Sie lernen auch zu verstehen, wie sich das Trauma langfristig auf ihre körperliche Gesundheit auswirkt und erwerben im Idealfall die Fähigkeit, gesündere Entscheidungen für ihren Lebensstil zu treffen.
Familienberatung und -erziehung hilft oft, Beziehungen zu stärken und mehr Verständnis zu fördern.
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Also man sieht wie komplex das Thema ist.
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Ein Bericht aus 2009
Die Psychotraumatologie hat in den letzten zwanzig Jahren große Fortschritte gemacht. In jüngerer Zeit ist die Komorbidität von Psychotrauma und Substanzabhängigkeit zunehmend in den Blick gerückt. Denn traumatisierte, abhängigkeitskranke Patienten sprechen auf die üblichen Standardverfahren der Suchtbehandlung oft nur unzureichend an und stellen einen hohen Anteil derer, die eine Behandlung vorzeitig abbrechen.
Zudem ist diese Form der Komorbidität häufig: „43 Prozent der Patienten in einem Fachkrankenhaus für Suchterkrankungen weisen eine relevante Traumafolgestörung auf“, sagt Michael Hase, Chefarzt der Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie am Reha-Zentrum Berliner Tor in Hamburg.
Epidemiologische Studien weisen zwar eine erhebliche Varianz auf und sind kaum miteinander vergleichbar. Alle Erhebungen hinsichtlich der Prävalenz zeigen jedoch, dass eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) die Wahrscheinlichkeit für einen gestörten Substanzkonsum deutlich erhöht. Umgekehrt weisen Menschen mit einem gestörten Substanzgebrauch eine deutlich erhöhte Rate an PTBS auf (zum Beispiel H. D. Chilcoat und N. Breslau 1998). Möglicherweise sind abhängigkeitskranke Menschen vulnerabler für die Entwicklung einer PTBS. Zudem erhöht eine Suchterkrankung das Risiko seelischer Traumatisierung, etwa durch Prost. bei einer Opiatabhängigkeit.
Das Gedächtnis hat einen wesentlichen Anteil
Ein Psychotrauma ist eine seelische Wunde. In ihrem „Lehrbuch der Psychotraumatologie“ (1999) definieren G. Fischer und P. Riedesser das Psychotrauma als „vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Welt- und Selbstverständnis bewirkt“.
Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Art und Schwere der Traumatisierung wesentlich dazu beitragen, wie häufig sich aus einem Psychotrauma eine Traumafolgestörung entwickelt. Dabei führen S. Gewalt, fortgesetzte körperliche Misshandlung, schwere emotionale Vernachlässigung und wiederholte schwere Erfahrungen von Trennung und Verlust am häufigsten zu traumatischer Verarbeitung. Allgemein gilt, dass frühe, komplexe, intentionale Traumatisierungen schwerere Folgen haben als nicht intentionale Monotraumata im Erwachsenenalter, etwa Verkehrsunfälle und Naturkatastrophen.
Erkrankungen in der Folge eines Psychotraumas gehen mit schweren Störungen der Informationsverarbeitung im Gehirn einher. Einen wesentlichen Anteil daran hat das Gedächtnis. Informationen und Reize werden im Gehirn von zwei Systemen verarbeitet. Welches der beiden Systeme „zuständig“ ist, richtet sich nach der Intensität des Reizes. Eindrücke des normalen Alltagslebens bearbeitet der Hippocampus.
Als Schaltzentrale des Gedächtnisses fasst er Informationen zusammen und steuert ihre Organisation in der Hirnrinde (Kortex). Er ist eng verbunden mit dem bewussten, logischen Denken und dem Sprachzentrum. Die hier gespeicherten Erinnerungen sind den Menschen zugänglich, und man kann von ihnen erzählen (explizites oder deklaratives Gedächtnis).
Das Erinnerte ist eindeutig der Vergangenheit zugeordnet. In enger Beziehung zum Hippocampus steht die Amygdala (Mandelkern). Hier erfolgt die affektive Bewertung von Sinnesreizen, etwa als gefährlich oder freundlich. Amygdala, Hippocampus und Kortex bilden ein funktionales Dreieck. Dabei verhindert der Kortex eine überschießende Aktivität der Amygdala.
Jede bedrohliche Situation ist mit massivem Stress verbunden. Dem begegnen Menschen entweder mit Flucht oder Angriff/Verteidigung. Ist beides nicht möglich, gelangt jeder früher oder später an seine eigene Traumatisierungsschwelle. Hier wird der Hippocampus durch die Amygdala blockiert.
Unter Umgehung des Großhirns speichert diese die angstauslösenden Eindrücke zersplittert und bruchstückhaft. Ist der Hippocampus als Erinnerungsspeicher einem Archiv vergleichbar, übernimmt die Amygdala die Rolle der Feuerwehr. J. Metcalfe und D. A. Jacobs sprechen vom „kühlen“ (Hippocampus) und „heißen“ (Amygdala) Gedächtnis (1996).
Bei PTBS-Patienten ist das funktionale Dreieck Hippocampus – Amygdala – Kortex häufig dauerhaft beeinträchtigt. Die Folge sind Intrusionen, Vermeidung und Hyper-arousal/Abstumpfung. „Intrusionen sind keine Erinnerungen, sondern erneutes Durchleben der traumatischen Situation. Man ist wieder ,voll drin‘, hat ,Zustände‘, nicht Reminiszenzen“, schreiben L. Reddemann und U. Sachsse (1997).
Derart fragmentierte Gedächtnisspuren, die von den übrigen Lebenserfahrungen abgeschnitten sind, können nicht korrigiert und zusammenhängend erzählt werden. Die Betroffenen erleben das Gefühl ohnmächtigen Ausgeliefertseins immer wieder neu. Häufig versuchen sie, solche wiederkehrenden Überflutungen zu kontrollieren, indem sie alle auslösenden Reize meiden, etwa bestimmte Tätigkeiten, Orte, Gegenstände, Personen. Sie sind oft schreckhaft, übererregbar und leiden unter Schlafstörungen. „Emotionale Taubheit“ gewährt demgegenüber einen gewissen Schutz gegen das Wiedererleben der traumatisierenden Situation.
In den meisten Studien geht eine Traumafolgestörung dem gestörten Substanzkonsum zeitlich voraus. Komorbide Patienten schildern teilweise sehr genau, welche Dro. sie bei welchen PTBS-Symptomen einsetzen. Der Konsum von zentral dämpfenden Substanzen wie Alk., Canna., Dro. und Benzodiazepinen verringert PTBS-Symptome deutlich. Weil die fragmentierten Gedächtnisspuren des traumatischen Ereignisses jedoch unverändert bestehen bleiben, kann sich aus dieser Art von Selbstbehandlung rasch eine Abhängigkeit entwickeln.
Der enge Zusammenhang zwischen traumatischem Stress und Craving (Verlangen nach einer Substanz) ist durch viele Studien belegt. Zudem ähneln einige Symptome der PTBS den Entzugserscheinungen von Suchtkranken. Neurobiologische Veränderungen bei PTBS scheinen eine Substanzabhängigkeit und deren Aufrechterhaltung zu begünstigen.
Bei Suchtkranken sind die Symptome abgeschwächt
Bei süchtigen Patienten ist die Dia-gnose einer Traumafolgestörung nur dann zuverlässig möglich, wenn der letzte Substanzkonsum länger zurückliegt. Wurde bis vor Kurzem konsumiert, sind PTBS-Symptome durch den Konsum meistens abgeschwächt oder ganz unterdrückt.
Derzeit gibt es kein speziell für Abhängigkeitskranke entwickeltes Instrument zur Erfassung von Traumafolgestörungen. In der Behandlung süchtiger und traumatisierter Patienten muss man gegenüber nicht traumatisierten Abhängigkeitskranken mit einer höheren Komplikationsrate rechnen. Ihr Substanzkonsum ist in der Regel schwerwiegender, es kommt häufiger zu Therapieabbrüchen und Rückfällen.
Zudem leidet diese Patientengruppe signifikant häufiger zusätzlich an affektiven Erkrankungen, Angst- und Persönlichkeitsstörungen.
Neuere Studien zeigen, dass eine Kombination von Sucht- und Traumatherapie das Ergebnis verbessern kann. Eine solche Behandlung enthält neben dem kognitiv-behavioralen Rückfallprophylaxe-Training Strategien zur Bewältigung von traumatischem Stress, Expositionsverfahren zur Bearbeitung von traumatischen Erfahrungen und psychoedukative Elemente. Traumatherapeuten raten ausdrücklich von einer frühen Traumabehandlung ab.
Derzeit wird empfohlen, eine Traumafolgestörung zwar frühzeitig in die Behandlung einzubeziehen, dies jedoch im Sinne stabilisierender Maßnahmen (zum Beispiel Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie). Bei nicht ausreichend stabilen Patienten ist eine Traumabearbeitung kontraindiziert (L. Reddemann 2001). D. Kunzke zufolge erscheint eine der Traumabehandlung nachgeordnete Behandlung der Sucht nicht sinnvoll, „da auf diese Weise Rückfällen Vorschub geleistet wird und verleugnende Tendenzen der Sucht gegenüber indirekt unterstützt werden könnten“.
Zudem lässt eine unbehandelte Abhängigkeitserkrankung früher oder später jede Traumatherapie scheitern. Bereits der körperliche Entzug seelisch Traumatisierter stellt eine Herausforderung dar. Denn neben Entzugssymptomen leiden diese Patienten unter den wiederkehrenden Symptomen ihrer Traumafolgestörung. Diese können häufig nur durch eine vorübergehend höhere Medikamentendosis gelindert werden.
Zwar kann in der Behandlung Abhängigkeitskranker mit einer Traumafolgestörung auch das Phasenmodell der Traumatherapie (Stabilisierung, Traumakonfrontation, Integration) zum Einsatz kommen. Doch kommt hier der Stabilisierung eine noch größere Bedeutung zu als in der Behandlung nicht abhängiger Traumatisierter, weil süchtige Patienten dazu neigen, bei Belastungen auf ihr bewährtes „Heilmittel“ zurückzugreifen. Daher setzt eine Traumakonfrontation in der Regel eine längerfristige Abstinenz voraus.
Man kann den Zustand „vorher“ nicht wiederherstellen
In der Psychotraumatologie gilt als Heilung, wenn die „Narben (. . .) nicht mehr schmerzen“ (K. Rau 2004). Den Zustand vor dem traumatisierenden Ereignis wiederherzustellen, ist nicht möglich. Bei der Verarbeitung helfen vor allem zwei Methoden: die traumafokussierte Verhaltenstherapie (TF–VT) und das EMDR (= Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Dieses Verfahren geht auf Francine Shapiro zurück.
Mitte der 1980er-Jahre entdeckte die US-amerikanische Psychologin während eines Spazierganges, dass sie mit bestimmten Augenbewegungen unangenehme Gefühle im Rahmen einer Krebserkrankung vermindern konnte. Beim EMDR regt ein Therapeut beim Patienten beidseitige Augenbewegungen an, etwa indem er im Abstand von 50 cm vor dessen Gesicht zwei Finger hin und her führt.
Die Augenbewegungen scheinen eine beschleunigte Verarbeitung von Informationen zu fördern, die der im REM-Schlaf ähnelt. Eine erhöhte und umfassendere Aktivierung des Gehirns soll helfen, Blockaden zu überwinden. So werden die mit dem Trauma verbundenen, quälenden Empfindungen vermindert und in das übrige Gefühlsleben integriert.
Eine dauerhafte Abstinenz soll ermöglicht werden
In der klinischen Behandlung suchtkranker, traumatisierter Patienten steht die stimmungsaufhellende und stabilisierende Wirkung von EMDR gegenüber der Traumabearbeitung meistens im Vordergrund. Seit einigen Jahren gibt es ein speziel-les EMDR-Behandlungsschema für Suchtkranke (S. Vogelmann-Sine et al. 1998). Ziel ist es, mithilfe von EMDR auch das „Suchtgedächtnis“ zu reprozessieren und so dauerhafte Abstinenz zu ermöglichen. Tatsächlich vermindert EMDR bei diesen Patienten Craving und Rückfallhäufigkeit.
Christof Goddemeier