Hallo ihr Lieben!.
Ich bin einer der ewigen Schweiger. Seit ungefähr drei Monaten verfolge ich hier gespannt und regelmäßig, was Ihr erfahrt bzw. was Euch widerfährt. Dafür - für die vielen Briefe, die mir Hoffnung gemacht haben, auch wenn sie nichteinmal an mich gerichtet waren - , möchte ich mich revanchieren. Aus irgendeinem Grund habe ich es nie geschafft, meine Gedanken hier niederzuschreiben. Ich glaube, es liegt daran, daß jedesmal, wenn ich etwas aufgeschrieben hatte, schien es mir schon nicht mehr richtig und gültig zu sein. Es ist halt so: wenn man so eine gefühlsmäßige Panik durchlebt, dann ändern sich die Ansichten mit jedem neuen Tag.
Deshalb möchte ich jetzt dasjenige aufschreiben, was mir geholfen hat. Praktisch eine Rezeptsammlung zum Wiedergutfühlen. Es werden höchstwahrscheinlich keine Überraschungen darin zu finden sein - vieles habe ich auch hier aus dem Forum. Auch für die Wirksamkeit geben ich keine Gewähr;).
Damit Ihr die Testperson für die Rezepte einschätzen könnt: ich bin ein 25jährer Student, der nach 1 1/2 Jahren von seiner Freundin gegen einen Anderen ersetzt worden ist. (Vieles habe ich bei der Geschichte von Silke wiederentdeckt... man müßte bloß die weiblichen Rollen mit Männern besetzen und umgekehrt:).
Dann mal los:
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Weinen:
Wann immer ich konnte, habe ich geheult. Danach war ich angenehm erschöpft. Das hilft auch gut vor dem Einschlafen. Schlimm ist es, wenn man Schmerzen fühlt und keine Tränen mehr hat. Dann fängt nämlich die gefährliche Gedankenspirale an zu arbeiten.
Einschlafhilfen:
Nein! Keine Tabletten! Statt dessen Sport (s.u.), vielleicht neben dem Bett Liegestützen bis zur Erschöpfung. Das habe ich immer gemacht, wenn mich nachts die Gefühle zerissen haben. Vielleicht vorher ein (1!) B. oder Ausgehen und Party machen bis zum Umfallen.
Gesellschaft:
Soviel Ausgehen und sich in Gesellschaft bewegen wie möglich. Das hilft mit am allerbesten zum Abschalten und Sich-Nicht-Allein-Vorkommen. Muß ja nicht immer in einem Trinkgelage enden. Jede Möglichkeit nutzen, auch wenn Du grade keinen Bock hast, sondern lieber Dein Schmerzsüppchen köcheln willst: diese Gedanken kommen mit Sicherheit von selbst wieder (in der Arbeit, beim Einkaufen oder wo auch immer). Wichtig ist es zunächst, abzuschalten.
Spinnen und Schreien:
Alles ist erlaubt.
Einen guten Freund:
...dem man alles sagen kann. Das ist wichtig. Mehr muß ich dazu nicht sagen. Ach doch: in der letzten Zeit habe ich gemerkt, wem ich alles etwas anvertrauen kann, und wem nicht. Es waren erstaunlich viele. Und diese Erfahrung ist doch ganz angenehm.
Sport (Ihr erinnert Euch an den Thread?):
Ich habe an einem Montag die ganze Sauerei herausgefunden, am Freitag war ich bereits beim Probetraining. Danach konnte ich zum ersten Mal gütlich über die ganze Sache denken. Seither bin ich dreimal die Woche beim Training. Ich gehe immer, wenn die Gedankenspirale wieder losgeht. Während des Trainings muß ich praktisch NIE an sie denken. Wenigsten 60 Minuten lang nicht. Und das war v.a. am Anfang einiges wert. Der Nebeneffekt ist, das ich mit dem eigenen Körper auch viel zufriedener bin.
Briefe an die Ex:
Ich habe meine Freundin wochenlang überflutet mit Briefen. Immer, wenn ich mich besonders beschissen gefühlt habe, habe ich mich hingesetzt und alles aufgeschrieben. Das hat den guten Effekt, daß ich mir selbst auch mal so richtig zurechtlegen mußte, was es ist, daß mir wehtut. Es hilft, die Entwicklung der Gedanken zu beschleunigen - und damit auch die Distanzierung. Man kann hier alles aufschreiben und WEGschicken. Und noch etwas: auf einen gelungenen Brief war / bin ich immer mächtig stolz.
Kontaktabbruch:
Das hat mir anfänglich sicherlich mehr weh getan als ihr (wenn sie das überhaupt irgendwie traurig fand... wer weiß?). Aber schließlich hat es mich doch angekotzt, daß ich ihr alle meine intimsten Gedanken in den Briefen anvertraue, sie aber jemand völlig fremden nun viel näher steht als mir. Ihr neues Glück hat mich natürlich angekotzt, auch wenn ich ihr gleichzeitig immer alle Gute wünsche.
Bewußt selbst Schluß machen:
Ich habe mir vor dem Kontaktabbruch noch einmal - ganz bewußt - einen gründlichen Korb geholt, der alle meine Stohhalme geknickt hat; vielmehr - ich habe sie selbst geknickt (in wessen mail habe ich das neulich gelesen? Vielen Dank für den Satz.). Ich habe ihr in dem letzten Brief nochmal alle mir offenen Fragen gestellt und bin für die Antworten zwei Wochen einem einzige Telefonat hinterher gerannt (Oh.. tut mir Leid. Hab' vergessen, daß wir gestern telefonieren wollten. Ich rufe Dich morgen um xy Uhr an. Hahaha! Und das 5 mal). Die wichtigsten waren:
Liebst Du mich noch? (Nein.)
Gibt's noch irgendeine Chance für uns? (Nein.)
Dann habe ich Leb' wohl! gesagt. Und es seither auch eingehalten.
Von allem meine Talismanen, z.B. ihr Foto im Portemonaie, habe ich mich auch ganz bewußt verabschiedet. Teilweise unter Tränen.
Neues tun, neue Leute kennenlernen:
Ich habe ein paar neue Sachen angefangen, die ich vorher vielleicht nicht getan hätte oder mich nicht getraut hätte, z.B. einmal eine Radioshow mitproduziert. Das sind Sachen, die ich unmöglich mir ihr in Verbindung bringen kann, von denen sie auch nichts weiß (ihr von dem Training zu erzählen war falsch. Baut Euch ein eigenes, neues Leben auf, in dem ihr ohne sie Dinge tut).
Schließlich: Urlaub.
Meine Arbeit hier (die Grund für unsere räumlich Trennung war) ist seit vorgestern zuende. Morgen geht's los! Dann mache ich drei Wochen Sprachurlaub in Spanien - alleine. Bin schon saumäßig gespannt, was da passieren wird.
Wasser:
Ein Trick der Hausmachersorte. Kennt Ihr es auch: sobald ich Wasser im Gesicht spüre, fühle ich mich irgendwie gut. Wenn Euch also mal düstere Gedanken heimsuchen, Ihr Euch gar selbst verachtet oder so, dann probiert es aus. Stellt Euch vors Waschbecken und klatsch Euch ordentlich naß.
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So. Ich hoffe, es gibt jemanden, der daraus Nutzen ziehen kann. Ich danke Euch allen und bin ganz gerührt. Irgendwie habe ich schon eine ganz schöne Distanz aufgebaut. Noch denke ich täglich und häufig an sie, aber nichtmehr so intensiv und schwer. Eher so als gedanklicher Seufzer.
Wenn das Semester wieder losgeht, werde ich ihr unweigerlich begegnen. Davon habe ich noch am meisten Schiß. Aber da muß ich wohl durch.
Uns allen viel Glück! Ergänzt diese Rezepte doch, wenn Euch etwas anderes hilft!
31.08.2001 10:15 •
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