550

Was ist mit den Kindern?

MissLilly
Kapitel 4. Teil 1 mit dem Titel: Die Aufdeckung von Lug und Betrug.

Ich bin mittlerweile 13 Jahre alt und in wenigen Wochen fangen die Sommerferien an.
Das Leben mit Oma unter einem Dach, ist inzwischen jenseits von gut böse. Wir erwischen sie immer öfters dabei, wie sie während unserer Abwesenheit unsere persönlichen Sachen durchwühlt (warum auch immer) und Geschichten über uns erfindet, nur um uns bei meinem Vater und der restlichen Familie, schlecht zu machen. Die Familienkonferenzen häufen sich und mein Vater spielt den Vermittler. Wir Kinder sind sehr wütend darüber, dass mein Vater das alles irgendwie herunterspielt und fühlen uns überhaupt nicht ernst genommen.
Standardsatz für uns Kinder:,, Ach Kinder, Oma ist eben alt und das sind alles Sachen die könnt ihr in eurem Alter noch gar nicht verstehen.
Lieblingssatz für meine Mutter:,, Du musst aufhören die Kinder da mit reinzuziehen,. Es ist vollkommen normal, dass sie dich verteidigen, weil du ihre Mutter bist. Das sind aber alles Themen, die in den Ohren von Kindern nichts zu suchen haben.
Darüber hinaus sind wir jetzt mittlerweile auch schon so weit, dass meine Eltern nun nicht einmal mehr ihren Jahresurlaub dafür aufwenden können, um Zeit mit uns zu verbringen.
Alternativprogramm: Wir Kinder (OHNE unsere Eltern) und samt Oma(!) verbringen die Sommerferien in der Finca von unserem Onkel im Süden Spaniens. Gerade einmal 3 Tage dort angekommen, ereignete sich zwischen mir und meiner Oma (als wir gerade allein in der Finca waren) ein Vorfall, der unser Verhältnis und den Respekt füreinander endgültig zu Fall brachte. Das Ganze endete damit, dass ich in die nächste Telefonzelle lief und panisch meinen Vater anrief, um ihn zu bitten mich unverzüglich abzuholen und ich ansonsten solange nicht zur Finca zurückgehen würde, bis Oma weg ist und ich somit in Sicherheit vor ihr.
Ich spule mal kurz vor....
Am nächsten Tag war mein Vater tatsächlich da und wir fuhren zurück nach Hause.

Nun war wohl auch meinen Eltern bewusst geworden, dass wir unmöglich so weitermachen können, weshalb quasi in einer Nacht und Nebel Aktion, eine vollkommen überteuerte und möblierte 3 ZW angemietet wurde und wir kurzer Hand dort einzogen. Natürlich aber auch das nur als Übergangslösung, da man ja immer noch bemüht war ein Haus zu finden.
Es vergeht ein weiteres Jahr und ich bin inzwischen 14 Jahre alt. Es erreicht uns ein Anruf meines Vaters, indem er meiner Mutter erklärt, das es auf dem Immobilienmarkt sehr schlecht aussehen würde und die beiden ETW nun schnellst möglich an den nächst besten und meistbietenden Käufer veräußert werden müssten.
Zudem hätte er übergangsweise eine kleine Wohnung zur Untermiete bei einer älteren Dame gefunden. Dort gäbe es allerdings keinen separaten Telefonanschluss, sodass wir ihn leider vorerst nicht anrufen würden könnten. Da es ja aber nur für kurze Zeit wäre, würde er sich (spätestens alle 2 Tage) bei uns melden und auch schon mal seinen Wohnsitz zumindest behördlich, bei uns ummelden. Das hätte im übrigen auch steuerliche Vorteile.
Kurz um, meine Mutter stimmte (sichtlich irgendwie nicht wirklich überzeugt) zu. Ich weiß noch genau, wie fast schon apathisch sie nach dem Telefongespräch auf mich wirkte. Interessanterweise hatte auch mein Bruder den gleichen zweifelnden Blick wie meine Mutter, weshalb ich nicht länger an mich halten konnte und nachbohrte.
Meine Befürchtung, nämlich das meine Mutter und auch mein Bruder, ihm diese Story nicht glauben würden, trat daraufhin kurzerhand ein. Wenngleich meine Mutter sich alle Mühe gab, nicht allzu voreilig oder schlecht über meinen Vater zu urteilen, sprach ihr Gesichtsausdruck ganze Bände.
Dafür hingegen fand, mein sonst so stiller Bruder, klarere Worte und sagte ganz ohne Umschweife:,, Sorry, MissLilly, aber glaubst du wirklich das Papa zu einer alten Dame ohne Telefonanschluss zieht? Wie naiv bist du eigentlich?
Ich bemerkte wie mir in diesem Moment das Blut in den Adern wallte und ich vollkommen explodierte.
Ich schrie ihnen entgegen wie sie nur so böse von Papa denken könnten und ob sie denn gar ein Verständnis dafür hätten, dass er da drüben ganz alleine ist! Wild gestikulierend lief ich in in der ganzen Wohnung umher und sagte ihnen, dass Papa vielleicht nicht immer alles richtig machen würden, aber mein Papa und dafür lege ich die Hand ins Feuer, so sagte ich ihnen, ganz sicher kein Fremdgeher und Betrüger ist, der soweit gehen und uns derart belügen bzw. hintergehen würde!

Zwischenzeitlich war ein Zustand erreicht, bei dem meine Mutter praktisch nur noch arbeiten war und die finanzielle Situation schien sich, trotz des Verkaufs der beiden ETW, immer weiter zuzuspitzen anstatt sich entspannen.
Obwohl mein Vater zudem der weitaus besser verdienende Part war und meine Mutter obendrein bzw. deswegen auch noch schlechtere Steuerklasse (Nr.5) hatte, bat mein Vater sie ständig, ihm Geld zu überweisen. Schließlich würde ja fast sein ganzes Gehalt für die laufenden Kredite dabei draufgehen. Seit mein Vater sich (zumindest amtlich) bei uns umgemeldet hatte, stapelte sich die Post bergeweise bei uns. Um meine Mutter zu entlasten (auch wieder in der Hoffnung sie würde dadurch mehr Zeit für uns haben) fing ich an zur Buchhalterin zu mutieren. Ich sortierte penibel alle Unterlagen und legte sie in Ordnen oder Mappen ab, ähnlich einer Behörde. Meine Mutter hatte sich so sehr daran gewöhnt, dass sie selbst gar nicht mehr wirklich die Post aufmachte, sondern mich lediglich darum bat, ihr sofort Mitteilung darüber zu machen, falls wichtige Schreiben oder Rechnungen eintreffen würden. Irgendwann füllte ich sogar für sie die Überweisungsträger aus und brachte sie lediglich mit ihrer Unterschrift darauf, zur Bank.
Wieder 6 Monate später (nach dem Umzug meines Vaters zu der alten Dame) erreichte uns nun die Hiobsbotschaft, dass mein Vater aufgrund der Altersbegrenzung und seiner Tätigkeit im öffentlich Dienst, die Versetzung in eine andere Stadt nun nicht mehr möglich sei, ohne die Minderung späterer Pensionsansprüche dafür in Kauf nehmen zu müssen.
Mit anderen Worten: Meine Eltern bzw. wir alle sind zu einem Leben in Fernbeziehung zueinander, nun endgültig verdammt!
Parallel dazu wurde uns mitgeteilt, dass er unter diesen Umständen nun nicht mehr länger bei der alten Dame ohne Telefonanschluss leben könnte, sondern stattdessen lieber in die WG eines befreundeten Kollegenpärchens von seiner Arbeit ziehen würde, um nicht immer ganz so allein zu sein!
Ich muss ehrlich gestehen, dass mich das alles zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wirklich schockierte, denn schließlich hatte ich mich an diesen Zustand bereits längst gewöhnt.
Vielmehr hingegen beschäftigte mich die Reaktion meiner Mutter darauf, die fast schon wie ein kleines Kind auf mich wirkte, weil sie nichts besseres dazu zu sagten hatte als:,, Naja, wenn du meinst das es so am besten ist, dann machen wir das so. Ich fiel fast vom glauben ab und hatte nun endgültig die Schnauze voll, von der Unfähigkeit meiner Eltern ihres und unser Leben vernünftig zu gestalten. Ich riss meiner Mutter den Hörer aus der Hand und fing an meinen Vater zu befragen, wie er sich das denn nun genau vorstellen würde und ob er sich schon mal gefragt hätte, was das für uns Kinder bedeutet.
Die Antwort, die auch noch die nachfolgenden Jahre anhalten sollte war:,, Natürlich weiß ich das und ich selbst wäre auch viel lieber bei euch, aber auch wenn ihr das JETZT noch nicht versteht, so mache ich das alles wirklich NUR FÜR EUCH und zu EUREM BESTEN!

Oh ja und wie das alles zu unserem Besten werden bzw. vielmehr enden sollte.....

Fortsetzung folgt....

14.06.2020 09:38 • x 6 #151


C
Ich bin schon gespannt auf deine Fortsetzung... und nun verstehe ich den Titel deines Threads vollkommen: wo bliebt ihr als Kinder? Unvorstellbar, was dir und auch deinem Bruder zugemutet wurde! Um zwei Wohnungen zu finanzieren, habe ich das richtig verstanden? Ihr würdet zuerst beim überforderten Vater geparkt, dann bei der Oma, weil die Mutter überfordert war, und noch dazu aus finanziellen Gründen, obwohl beide Eltern Akademikerjobs hatten? Damit muss man mal zurecht kommen, im Nachgang.

15.06.2020 17:00 • x 2 #152


A


Was ist mit den Kindern?

x 3


MissLilly
Kapitel 4 Teil 2 von : Die Aufdeckung von Lug und Betrug.

Ich bin inzwischen 15 Jahre alt und das Thema Geld hängt mir mittlerweile zu den Ohren raus!
Einfach weil es wie ein unsichtbares Damoklesschwert über uns hängt. Schließlich können zumindest wir Kinder es irgendwie nicht greifen, da wir wirklich alles haben und ich mich auch rückwirkend, nicht daran erinnern kann, dass materielle Wünsche unerfüllt geblieben wären. Ganz im Gegenteil standen wir anderen Kindern bzw. nun Jugendlichen in absolut nichts nach, da es meiner Mutter immer wichtig war, dass wir qualitativ hochwertig ausgestattet sind.
Trotzdem hatte ich irgendwie ein schlechtes Gewissen deswegen und zerbrach mir den Kopf darüber, welchen Beitrag ich leisten könnte, um meine Eltern zumindest in dieser Hinsicht einwenig entlasten zu können.
Da ich aber erst 15 Jahre alt war und noch nicht wirklich richtig arbeiten durfte, musste eine Alternative her, die ich auch ganz schnell fand. Ich durchforstete die Käseblätter die wöchentlich in unserem Briefkasten lagen und fing an Zeitungen auszutragen. Parallel hängte ich Annoncen an Bäume und in Supermärkten mit meinen Kontaktdaten auf.
Als sich niemand meldete, liefe ich in der Nachbarschaft umher und bot meine Dienste als Babysitter, Hundesitter, Putz oder Gartenhilfe direkt an. Ich weiß noch zu gut wieviel Überwindung es mich gekostet hatte, an den Haustüren der Leute zu klingen und mich vorzustellen.
Recht schnell hatte ich auch damit Erfolg und es fand sich sowohl eine Familie mit 2 kleinen Kindern als auch eine ältere Dame, der ich im Garten zur Hand gehen konnte und die somit mein Angebot dankend angenommen hatten.
Ich war ausser mir vor Freude und berichtete es sogleich meinen Eltern. Zumindest meine Mutter schien sich sehr für mich zu freuen und teilte meine Begeisterung, während mein Mein Vater hingegen eher damit beschäftigt war, mich ähnlich wie bei einem Verhör zu befragen, wo und wann ich zu wem gehe und machte meine Mutter für die O-Ton: Flausen in meinem Kopf wieder einmal verantwortlich.

Doch die Freude über das (aus meiner Sicht) zusätzliche Einkommen der Familie wärte nur sehr kurz, denn in fast jedem Telefonat drehte es sich nur noch um die Finanzlage. Kein einziges mal hörte ich meine Eltern einander noch sagen ich liebe dich oder Ich vermisse dich. Selbst die einfache Frage nach dem Wohlergehen glich für mein Empfinden immer mehr einer reinen Höflichkeitsfloskel.
Genauso ermüdend und lähmend empfand ich auch die Telefongesprächen mit uns Kindern.
Die emotionslosen Abfragen, begleitet von schweren und tiefen Seufzern im Standart Programm von:,, Wie gehts dir?,,Was macht die Schule, oder auch ganz weit vorne Was gibt's Neues ohne dabei konkret zu werden, lösten in mir nur noch den puren Stress aus, weil ich einfach nichts tolles zu berichten wusste, ohne das es jammernd oder belastend rüberkommen würde.
Und selbst wenn wir zur Abwechslung tatsächlich mal was Positives zu berichten hatten, wie zum Beispiel einen Erfolg in der Schule (sein erstes eigenes Geld zu verdienen schien offensichtlich nicht dazu zu gehören), konnte man regelrecht spüren, dass die Freude am anderen Ende der Leitung, mehr gequält inszeniert zu sein schien, denn aufrichtig und anteilnehmend.
Auch die innigen und liebevollen Umarmungen meiner Mutter, gepaart mit den ewigen Parolen des Durchhaltens und Rechtfertigungen in Bezug auf ihr enormes Arbeitspensum, konnte ich immer weniger genießen, sondern empfand sie zunehmend als herausfordernde Belastung. Einfach weil meine Mutter inzwischen einen Zustand erreicht hatte, bei dem sie nahezu täglich weinte. Selbst ein seltener und gemütlicher Filmabend oder Musiksong im Radio, reichten aus und es flossen unvorhersehbar und unkontrolliert die Tränen bei meiner Mutter.
Mein Vater also immer schwer seufzend und meine Mutter immer nur heulend, hatte ich ständig das Gefühl, dass es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis einer von beiden (oder auch beide) endgültig zusammenbrechen und aufgeben würde.
Gegen Weinen und Seufzen hatte ich mittlerweile eine richtige Aversion entwickelt, zeitgleich lehnte ich mich innerlich aber auch für meine Gedanken in dieser Hinsicht selbst ab. Ich hatte in solchen Momenten dann einfach immer das Gefühl ein empathieloser und egoistischer Mensch zu sein. Es ist schwer zu beschreiben.

Zwischenzeitlich ist mein Vater nun auch in die besagte WG des Kollegenpärchens gezogen und dort gibt es selbstverständlich auch einen Telefonanschluss
Was mir bzw. uns zu Beginn gar nicht richtig aufgefallen war ist, das immer wenn wir dort anriefen und es nicht mein Vater war der abhob, entweder der Anrufbeantworter lief oder es grundsätzlich nur die weibliche Kollegin der angeblichen 3 er WG war, die ans Telefon ging.
Als meine Mutter das irgendwann einmal offen und ruhig ansprach, beschwichtigte sie mein Vater damit, dass das bloß reiner Zufall wäre! Als dann wenige Wochen darauf, sogar die Tonbandansage auf dem Anrufbeantworter der WG wechselte (plötzlich galt der Anschluß nur noch meinem Vater und seiner WG Kollegin) erklärte mein Vater uns hierzu ganz locker und nahezu beiläufig, dass das Pärchen sich leider getrennt hätte und sein Arbeitskollege nun deswegen zwischenzeitlich ausgezogen wäre.
Ich muss ehrlich gestehen, dass nun auch ich mich (intuitiv) nicht mehr länger des Eindrucks erwehren konnte, das hier etwas nicht ganz stimmen würde. Allerdings erschien es mir (gemessen an meinen damaligen, persönlichen Entwicklungsstand), sowohl rational, als auch emotional betrachtet vollkommen abwegig, dass nicht nur mein Vater ein solcher Lügner ist, sondern es dazu, noch viel weniger irgendeine Frau (AF) auf diesem Planten geben könnte, die so eine Nummer auch noch freiwillig und ganz bewusst mitmachen würde. Außerdem, so dachte ich, würde Papa doch damit rechnen müssen, dass wir doch jederzeit und unerwartet bei ihm in der WG hätten aufschlagen können.
Nein! Das konnte unmöglich der Fall sein und Papa spricht sicher die Wahrheit!

In wenigen Tagen beginnen die Sommerferien (zeitgleich steht Papa´s Jahresurlaub an) und wir fiebern dem langen Besuch meines Vaters regelrecht entgegen. Aber es kommt alles ganz anders!
Mit gewohnt tiefen Seufzern berichtet uns Papa (nahezu selbstmitleidig), dass er diese Ferien leider nicht komplett mit uns verbringen kann, da er für Konzertabende einer 3 wöchigen Rundreise auf einem Kreuzfahrtschiff angefragt wurde und der Job ausserordentlich gut bezahlt werden würde.
Beschwichtigend fügte er noch schnell hinzu, dass er im Anschluß daran seinen Dienst im Hauptjob, für ein paar Tage mit einem Kollegen getauscht hätte und somit auf der Rückreise, sicher noch einen kleinen Abstecher (das Wort muss man sich mal reinziehen ) zu uns machen könnte.
Die Art wie aufopfernd er das alles von sich gab, machte auf mich kurzzeitig den Eindruck, als müssten wir ihm dafür auch noch einen imaginären Orden, als Zeichen der Anerkennung und Dankbarkeit überreichen.
Ich blickte in das Gesicht meiner Mutter welches äußerlich wie immer ruhig wirkte, aber ihre Augen hingegen verrieten ihr innerliches Stresslevel, welches hoch am Anschlag zu stehen schien.
Doch wie immer reagierte meine Mutter darauf angestrengt verständnisvoll bzw. wirkt auf mich, als würde auch sie sich jetzt am Wettbewerb des Märtyrers beteiligen und Anspruch auf die Medaille zur Siegerehrung erheben wollen.
Denn das einzige was sie den Ankündigungen meines Vaters entgegen zu setzen hatte, war die Aufforderung an meinen Vater sich regelmäßig bei uns zu melden, damit wir wissen das es ihm gut geht und wir uns keine Sorgen um ihn machen müssten.
Oh man..noch heute fühle ich mich schlecht und meinen Eltern gegenüber irgendwie ungerecht, wenn ich mir anschaue was für Gedanken ich da gerade niederschreibe.

Dieses Mal jedoch war ich zu müde, um meiner Mutter den Hörer aus der Hand zu reissen und stellvertretend das für sie auszusprechen, was sie gerade tatsächlich darüber dachte und empfand. Ich schaute hoffnungsvoll zu meinem Bruder, aber auch der schien nicht sonderlich beflügelt oder ausreichend angespannt zu sein, um zur Abwechslung bzw. Entlastung meinerseits, auch mal das Ruder in Hand zu nehmen.

Nun denn, die Ferien sind im vollen Gange und wir hocken bei 30 Grad Außentemperatur mal wieder vor der Glotze. Mein Vater schippert seit 2 Wochen auf dem Kreuzfahrtschiff umher und meine Mutter ist wie immer bei der Arbeit.
Vor lauter Langeweile setze ich mich ins Wohnzimmer und fange an mich dem schon seit längerem liegengebliebenen Papierkram zu widmen. Unter anderem kontrolliere ich welche Parkstrafen (mein Vater war ein notorischer Falschparker) bereits bezahlt worden sind und welche noch offen sind. Als ich damit fertig bin geh ich zum Briefkasten und zu schauen ob aktuelle Post gekommen ist. Im Briefumschlag den ich öffne liegt ein Kontoauszug meines Vaters den gerade routiniert abheften möchte, als mir beiläufig das Datum der Bargeldabhebung die darauf notiert ist, auffällt.
Ich schaue sicherheitshalber auf den Kalender und frage mich wie es sein kann, dass angeblich mein Vater vor 1 Woche Geld an einem Bankautomat 400,- DM abgehoben hat, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt und auch aktuell noch, auf einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer befindet?!
Panik steigt in mir auf und ich male mir immer krasser werdende Szenerien als Ursache dafür aus.
Womöglich ist Papa ist überfallen und beklaut worden und liegt jetzt Tod in irgendeiner Ecke. Im nächsten Augenblick versuche ich mich dann wieder selbst zu beruhigen und denke:,, Komm mal wieder runter MissLilly, der Kontoauszug ist ein unglücklicher Fehldruck.
Verzweifelt renne ich zu meinen Bruder und zeige ihm den Kontoauszug. Doch der zieht nur mal wieder still die Augenbrauen hoch. Ich reiße ihm den Kontoauszug aus der Hand, greife panisch zum Telefon und rufe meine Mutter in ihrer Arbeitsstelle an. Als sie sogleich abhebt sprudelt es nur so aus mir heraus und ich bitte sie sofort nach Hause zu kommen. Meine Mutter scheint offenbar aber nur die Hälfte von dem zu verstehen was ich ihr gerade zu ihr gesagt habe bzw. erkennt den Ernst der Lage gar nicht und bittet mich lediglich darum, mich zu beruhigen bis sie Feierabend hat und nach Hause kommen kann.
In meiner ganzen Hyperventilation nehme ich nur am Rande wahr, wie fassungslos ich gerade darüber bin, dass meine Mutter unter diesen (für mich beängstigenden Umständen), es offenbar trotzdem nicht für notwenig hält, sich umgehend von der Arbeit freizumachen und schnellst möglich zu uns nach Hause zu kommen. Entrüstet und zeitgleich mit einem fast schon ohnmächtigen Gefühl der vollkommenen Verlassenheit, lege ich auf.
Eine halbe Stunde laufe ich auf und ab in der Wohnung und überlege mir, wen ich bei der Suche nach meinen, offenbar verschollenen Vater, sonst noch um Hilfe bitten könnte, als mir plötzlich auffällt, dass mein Vater sich seit Antritt seiner Reise und auch bisher, kein einziges Mal telefonisch bei uns gemeldet hat!

Wie ferngesteuert greife ich erneut zum Telefon und rufe nun meinen Vater bei sich zu Hause an....

Fortsetzung folgt..

16.06.2020 09:41 • x 5 #153


bifi07
Liebe MissLilly!
Wenn es nicht so traurig wäre, könnest du mit deiner Geschichte einen Roman veröffentlichen...

16.06.2020 18:14 • x 3 #154


MissLilly
Kapitel 5 Teil 1

Titel : Der Showdown .... Das Doppelleben fliegt auf ...

Es klingelt insgesamt 3 Mal bis sich der Anrufbeantworter der WG einschaltet.
Gerade will ich wieder auflegen, da höre ich plötzlich:,, Hallo Schatz...Hallo (männliche kratzige Stimme)...
...Jaa (antwortet eine weibliche Stimme)...Schaahatz..hörst du mich Schatz? (ertönt es wieder von der männlichen Stimme) und dann wieder..Jahaaa Schatz, ich höre dich (laut kichernd, wieder die weibliche Stimme)....Danach Stille...

Ich bleibe minutenlang in der Leitung und höre in die Stille hinein...Doch es passiert absolut nichts. Noch nicht einmal der Signalton zum hinterlassen einer Sprachnachricht schaltet sich ein.
Reflexartig werfe ich den Hörer zurück auf die Gabel, als wäre er kochend heiss.
Ich fühle mich wie paralysiert und glaube zu halluzinieren. Bin ich jetzt vollkommen durchgedreht oder was? Was war das gerade? Das kann alles nicht sein und so greife ich erneut zum Hörer und rufe noch einmal an.
Wieder klingelt es 3 Mal bis der Anrufbeantworter angeht und folgender Text zu hören ist:
Hier ist der automatische Anrufbeantworter von XY und XY. Bitte hinterlassen Sie (genau an dieser Stelle bricht die Ansage ab) und es ertönt wieder dieser seltsame Dialog zweier Menschen, mit zumindest einer davon, mir sehr bekannten Stimme:,, Hallo Schatz...Hallo (männliche kratzige Stimme)...Jaa (antwortet eine weibliche Stimme)...Schaahatz...hörst du mich Schatz? (ertönt es wieder von der männlichen Stimme) und dann wieder..Jahaaa Schatz, ich höre dich(laut kichernd, wieder die weibliche Stimme).
In diesem Moment scheint die Zeit still zu stehen. Ich befinde mich in einer Art Trancezustand und vor meinen geistigen Auge sehe ich, wie ich aus mir selbst aussteige und meine Seele praktisch meinen ganzen Körper verlässt und die ganze Situation nur noch aus der Vogelperspektive wahrnimmt.

MissLilly...Hallo...Hey MissLilly was ist los höre ich dumpf und irgendwie weit von mir entfernt, die Stimme meines Bruders mir zurufen. Ich bin wie erstarrt, als mein Bruder mir den Hörer aus der Hand nimmt und sich ihn selbst ans Ohr hält. Hallo...Hallo, spricht er in den Hörer und legt kurz danach wieder auf.
Hey, was ist los? Antworte mir MissLilly! Was ist passiert ?
Stumm und Steif greife ich zeitlupenartig zum Telefonhörer, schalte den Lautsprecher ein und drücke die Wahlwiederholung und das Spiel beginnt von vorne. 3 Mal klingelt es, der Anrufbeantworter schaltet sich, der Ansagetext fängt an zu laufen und wird von dem Dialog zweier Menschen unterbrochen.
Mein Blick scheint am Telefon fest gewachsen zu sein, bis mein Bruder den Telefonhörer auflegt, wieder abnimmt und erneut die Wahlwiederholung drückt. Zum 4 Mal nun schon wiederholt sich das Szenario und nun gibt es keinen Zweifel mehr:! Karma is a B_itch!
Mein Vater hat ganz offensichtlich mit Allem gerechnet und sich entsprechend wohl auch schon auf jedwede Eventualität vorbereitet (jetzt bin ich mir sicher, das er wohl auch auf einen unerwarteten Besuch von uns, mit einer filmreifen Ausrede brilliert hätte), aber eben nur nicht damit das es ein Anrufbeantworter sein könnte, der sein gesamtes Lügenkonstrukt zu Fall bringen und damit sein perfides Doppelleben auffliegen lassen würde!

,, Ich ziehe zu einer alten Dame, ohne Telefonanschluss (hach herje), Ich ziehe in eine WG mit meinen Kollegen, damit ich nicht so allein bin (schnief und seufz), Ach ja, das hatte ich ja ganz vergessen zu erwähnen, dass es jetzt nur noch eine 2 er WG ist (huch und lach) Ich mache das alles nur für euch (schluchz, trief und seufz) Ihr könnt das noch nicht verstehen (inbrünstig und erhaben).

Hochmut kommt vor dem Fall denke ich, während ich die ganzen O-Töne geistig Revue passieren lasse und mir dabei meinen Vater vorstelle und fange plötzlich, lauthals zu lachen an, während mein Bruder zu Beweisstück A. (Kontoauszug) greift und sein Gesicht sich dabei in tiefe Furchen gelegt hat.
,,Jetzt sei mal still und hör auf zu lachen...Ich denke nach unterbricht mein Bruder mein Gelächter .
,, Was gibt es da nachzudenken? Papa beschei**t Mama! Was muss man da noch groß drüber nachdenken?, schießt es aus mir heraus und ich wundere mich über die Art wie locker ich das gerade gesagt habe.
Daraufhin entbrennt sich ein kurzer Geschwisterstreit zwischen uns, ganz nach dem Motto:,, Na das habe ich dir doch schon gesagt als er zu der alten Dame ohne Telefonanschluss gezogen ist! Und wer ist da wie wild für den ach so tollen, lieben und unschuldigen Papa in die Bresche gesprungen?

Nachdem ich dem nichts mehr entgegen kann, beruhigen wir uns wieder und denken nun gemeinsam darüber nach, was wir jetzt machen sollen und vor allem, OB und WIE wir das meine Mutter überhaupt beibringen sollen.
Nach all den Lügen in diesem Schmierentheater kommen wir zu der Überzeugung : WIR brauchen dafür unumstößliche und endgültige Beweise! Kurz um Sherlock Holmes (ich) und Dr. Watson (mein Bruder) sind geboren und treten in Aktion.
Ich renne zum Aktenschrank ohne zu wissen wonach ich genau suche, bis mir der Ordner mit den Strafzetteln ins Auge fällt. Zunächst bin ich nur auf der Suche nach dem jüngsten Datum an dem Vater wieder irgendwo falsch geparkt hat, in der Hoffnung dadurch womöglich einen Hinweis auf seinen aktuellen Aufenthaltsort zu finden. Dabei fällt mir zunächst allerdings nichts weiter auf, ausser das in der aktuellen Strasse in der mein Vater gerade wohnt, offenbar nur eingeschränkt geparkt werden darf, weil das den Großteil der Mahnbescheide ausmacht.
Rohnstrasse, Rohnstrasse und nochmal die Rohnstrasse lese ich laut und mittlerweile entnervt vor, während mein Bruder neben mir sitzt und mir plötzlich den Ordner aus der Hand reisst.
Die Mahnbescheide sind nach Datum sortiert (das jüngste oben auf) und mein Bruder blättert immer weiter und schneller zurück. Sein Gesicht hat nicht nur tiefe Falten geworfen, sondern wechselt inzwischen auch die Farben. Ich verstehe nur Bahnhof und tippe ihn fragend an.
Ja sag mal checkst du es denn immer noch nicht MissLilly? Die Rohnstrasse ist die aktuelle Adresse von Papa!
Ach was, du Blitzmerker schleudere ich ihm zynisch entgegen.
Na dann mach mal die Augen richtig auf, du Schlaumeier und schau mal auf dieses Datum hier! blafft er zurück.
Und plötzlich fällt es auch mir wie Schuppen von den Augen! In der Rohnstrasse parkte mein Vater auffällig oft, schon seit er bei der alten Dame eingezogen war und erklärte uns das damals damit, dass er gezwungen sei in dieser Nebenstrasse (Rohnstrasse) zu parken, da immer wenn er nach Hause kommen würde, kein Parkplatz mehr frei wäre und er es ab und zu verschlafen würde, dass Auto rechtzeitig wieder umzupacken, sobald das eingeschränkte Parkverbot beginnen würde. Und jetzt befindet sich WG auch noch ganz zufällig in der Rohnstrasse?!
Bei diesem Gedanken bzw. dieser Erkenntnis dreht sich mir der Magen um und ich habe jeden Moment das Gefühl mich übergeben zu müssen!

An dieser Stelle drücke ich mal kurz die Stopptaste und werfe mal diesen, wie ich finde äußerst passenden Kommentar ein:

Zitat von Plentysweet:
Was Kindern nachweislich schadet (allen Menschen übrigens) ist Gewalt, Heuchelei und Lüge.


Leider absolut richtig und insbesondere gerade dann, wenn man selbst immer gepredigt bekommen hat, dass man nicht lügen soll, nicht betrügen soll, nicht heuchlerisch usw..sein soll, während die ersten dir wirklich vertrauten und am nächsten stehenden Menschen (Eltern) in deinem Leben genau das alles tun !
Das allein zu verkraften und als Kind auch nur ansatzweise zu verstehen, ist bereits schon eine Herausforderung für sich. Wenn man dann aber auch noch vor Augen geführt bekommt, wie Eltern sich (wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist) verhalten, ja dann wird der Sack in dieser Hinsicht endgültig damit zu gemacht.

Für mich war es also nicht nur in dem Moment in dem die Lüge entlarvt wurde so, das ich das Gefühl hatte mich übergeben müssen, sondern vielmehr so, als würde das Gefühl sich übergeben zu müssen, gar nicht mehr aufhören, wenn man meine Geschichte weiter verfolgt...Denn was dann kam und sich in einer jahrelang anhaltenden Salamitaktik abspielte, hat mich bis in das erwachsenen Alter und teilweise bis heue noch, begleitet.

21.06.2020 09:49 • x 4 #155


Plentysweet
@MissLilly
Das ist wirklich alles so schlimm. Mir läufts kalt den Rücken runter wenn ich Deine Geschichte lese .
Zitat von MissLilly:
Das allein zu verkraften und als Kind auch nur ansatzweise zu verstehen, ist bereits schon eine Herausforderung für sich. Wenn man dann aber auch noch vor Augen geführt bekommt, wie Eltern sich (wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist) verhalten, ja dann wird der Sack in dieser Hinsicht endgültig damit zu gemacht.

Es ist so furchtbar und der Vertrauensschaden, den Kinder bei so etwas erleiden, ist schier irreparabel. Kannst Du Menschen noch vertrauen?
Ich habe die Textstelle in diesem Thread gesucht, aber nicht gefunden. Du sagtest mal Du hättest das Geschehene therapeutisch aufgearbeitet, oder? Es ist wirklich unfassbar und man hält es fast nicht aus- weil es beim Lesen schon weh tut. Ein schleichender Alptraum. Ich hoffe so sehr auf ein erträgliches Ende und dass es sich irgendwie noch zum Guten wendet für Dich und Deinen Bruder !

21.06.2020 10:19 • x 2 #156


C
Auch ich bin wirklich bestürzt. Fast am meisten davon, dass deine Eltern sich nicht schon lange davor einfach trennten. 2 Akademiker, 2 Eigentumswohnungen, wegen des Geldes jahrelang getrennte Wohnsitze, zerrissenene und vernachlässigte Kinder, du fühltest dich mit 8 Jahren verpflichtet den Haushalt zu führen... wie kann man Kindern so etwas antun? Da nehme ich auch deine Mutter in die Pflicht. Die ganze Geschichte ist dermaßen traurig für die Kinder, sprich deinen Bruder und dich, ihr seid völlig auf der Strecke geblieben. Das Doppelleben ist nicht fein, jedoch nur ein kleines Tüpfelchen auf dem i. Warum zog deine Mutter nie die Notbremse, kümmerte sich mehr um euch? Sie war ja offenbar nach ihrem Auszug jahrelang woanders arbeiten und ihr habt sie dann nur in den Ferien gesehen. Unvorstellbar.

21.06.2020 11:47 • x 1 #157


DieSeherin
MissLilly, weißt du denn, ab wann deine mutter bescheid wusste?

22.06.2020 10:25 • x 1 #158


MissLilly
Kapitel 5 Teil 2

Titel: Die Konfrontation...

Ich realisiere langsam, das mein Vater uns alle seit Jahren (!) am Nasenring durch die Manege zieht und wofür?
Für nichts! Alle die Opfer (das Durchhalten) die wir Kinder brav erbracht und erduldet haben, in der Hoffnung und dem Versprechen auf eine bessere gemeinsame, familiäre Zukunft, war alles für die Katz..Nichts weiter als eine gut verpackte Illusion.
Bei diesen Gedanken und Erkenntnissen habe ich kurzzeitig das Gefühl innerlich zu verbrennen vor lauter, kochender Wut.
Und da kommt sie auch schon wieder, die allseits berühmte Frage: Flucht, Angriff oder Todestellreflex?!
Mal wieder entscheide ich mich für den Angriff und blase nun auch meinen Bruder zum Appell und will die Gunst der Stunde nutzen, solange er sich zur Abwechslung mal nicht im Todstellreflex befindet.

Gemeinsam überlegen wir uns einen Schlachtplan, was in der Idee mündet so lange in der WG meines Vater anzurufen, bis jemand persönlich rangeht und meinen Bruder als alten Freund meines Vater auszugeben, der zufällig gerade in der Stadt ist und seinen Besuch ankündigen möchte. Über 2 Stunden führe ich die Regie für das zuvor entworfene Drehbuch und spiele die Szene mit meinem Bruder als Hauptdarsteller, unzählige Male durch bis es perfekt sitzt.
Als ich mir sicher bin, dass wir für diese Theaterleistung in der Schule eine 1 mit Sternchen bekommen würden, geht's ans Eingemachte und wir schreiten zur Tat.
Die erste halbe Stunde unserer Anrufe ertönt nur wieder der olle Anrufbeantworter, aber dann ist es endlich so weit und die Mitbewohnerin meines Vaters hebt ab.
Mir stockt der er Atem als mein Bruder alias Peter Singer (so hieß er in unserem Stück) in vollkommener Perfektion, den zuvor einstudierten Text aufsagt und dann für ein paar Millisekunden eine Stille eintritt, die vor Spannung kaum aushalten ist.
Aber, die äußerst lockere und lebensfroh wirkende Mitbewohnerin am Ende der anderen Leitung, kauft uns die ganze Nummer voll ab und antwortet darauf nahezu überschwänglich:,, Ach Mensch, das ist ja wirklich schade Peter... XY ist leider nicht da und auch noch bis Ende der nächsten Woche weg, weil er bei seiner Familie in....ist. Er hätte sich sicher so sehr gefreut!
Ich spare mir mal an dieser Stelle die weiteren und unnötigen Details dieses Telefonates und gehe gleich zum Kern der Sache über.

Nun ist es also offiziell!
Papa schufftet weder auf einem Kreuzfahrtschiff um Kohle anzuschleppen, noch ist er verschollen, ausgeraubt worden oder liegt tot in irgendeinem Busch begraben. Er ist bei seiner Familie!
Fragt sich nur welche Familie das sein soll, denn wir sind es bzw. bei uns ist er definitiv nicht!
Ich kann mich gerade aber nicht dazu hinreissen lassen, mich länger darüber aufzuregen, sondern muss erst noch unsere kleine Darbietung zu Ende bringen. Wer weiß vielleicht riecht die WG Bewohnerin nämlich doch noch Lunte und ruft meinen Vater an, um ihn über den Telefonanruf seines alten Bekannten zu informieren und dann fliegt uns das Ganze um die Ohren, bevor wirklich die ganze Wahrheit wissen!
Also greife ich Minuten später erneut zum Telefon und rufe ebenfalls in der WG an, nun allerdings ganz offiziell!
Ich frage die Mitbewohnerin freundlich, ob mein Vater zu sprechen ist, aber die gibt sich plötzlich vollkommen ahnungslos und unschuldig. Nichts mehr übrig von der eben noch so locker und überschwänglich wirkenden Person am anderen Ende der Leitung! Stattdessen antwortet sie ziemlich erstaunt:,, Oh MissLilly, wie kommst du denn darauf...der ist nicht da...der ist doch auf dem Kreuzfahrtschiff so weit ich weiss...was ist denn los...ist was passiert ?
Ich möchte am liebsten in den Hörer kotzen bei dieser ganzen Scheinheiligkeit und Heuchelei!
Aber ich muss mich zusammen reissen und beende ebenso so scheinheilig das Telefonat mit der Info, dass wir uns Sorgen um unseren Vater machen, da er sich bislang noch immer nicht bei uns gemeldet hat.
Die Mitbewohnerin versichert uns dann abschließend, dass sie unserem Vater auf jeden Fall Bescheid sagen würde, dass er sich melden soll, sofern er sich bei ihr melden würde und wir beenden das Telefonat.

Mein Bruder und ich starren uns verschwörerisch und immer noch den Kontoauszug in der Hand haltend an, denn auf diesem ist übrigens der Ort der Bargeldabhebung notiert und so wissen wir nun, dass mein Vater nur bei meinem Onkel sein kann.
Die nächste Telefonrunde beginnt und ich wähle die Nummer meines Onkels, der ca. 30 min Autofahrt entfernt in einem kleinem Dorf nahe unserer Großstadt lebte. Meine Tante (seine Frau) hebt ab. Ohne lange Umschweife bitte ich sie darum meinen Vater zu sprechen. Ich kann regelrecht spüren wie sie ein verlegnes Lächeln aufsetzt, als sie mir genau das antwortet, was uns auch schon die WG Mitbewohnerin zuvor mitgeteilt hat!
Doch dieses Mal lasse ich mich nicht mehr so billig abwimmeln und sage meiner Tante gerade heraus, dass sie sich ihre Lügen sparen kann und meinen Vater ans Telefon holen soll. Meiner Tante scheint das alles so dermaßen peinlich zu sein, dass sie den Hörer an meinen Onkel weiterreicht, der sich nun ebenfalls in der Rolle des Ahnungslosen versucht.
Diese ganze feige und heuchlerische Art, untermauert mit Kosenamen der Beschwichtigung für mich wie Süße und Mäuschen ect..bringt mir dermaßen auf die Palme, dass ic vollkommen explodiere und meinen Onkel in den Hörer brülle, dass er sich seine beschissenen Lügen in den Ar_sch stecken kann und zusehen solle meinen Vater an den Hörer zu holen. Ansonsten, so teilte ich ihm weiter mit, werde ich innerhalb der nächsten Stunde persönlich und mit der Polizei im Gepäck (was besseres fiel mir gerade nicht ein) bei ihnen aufschlagen und ihnen eine Szene machen die sie ihren Lebtag nicht vergessen werden.

Und dann der absolute Oberhammer! Mein Onkel fängt tatsächlich an zu LACHEN! Und ich meine damit, dass er sich wirklich regelrecht über mich kaputt lacht und meine Ansagen dabei auch noch so runter spielt, als wäre ich nichts weiter als ein paranoider und durchgedrehter Teenie, dem die Pubertät wohl gerade zu Kopf gestiegen ist.
Diese Erfahrung, hat sich bis heute so tief in meine Gedächtnis eingebrannt, dass mir sein niederträchtiges Lachen noch heute in den Ohren klingt.
Denn genau dieses Verhalten aller Beteiligten (auch das er Nebendarsteller bzw. Mitwisser in dieser Runde) steht Sinnbildlich dafür, was ich in meinem Eingangspost versucht habe zu beschreiben.....

Zitat von MissLilly:
In diesem Sinne muss ich bei allem Verständnis für die eigenen Gefühle, dennoch oftmals fragen, wie Menschen allgemein es schaffen können sich Kindern gegenüber so verhalten?!
Und damit meine ich wirklich alle Beteiligten einer 3er Konstellation.
Wenn ich hier so manche Sprüche seitens von AF´s lese a la: ,,Ja, der hat zwar ein Kind, ist aber nicht meine Baustelle, muss er selbst klären. , dann ist das zwar augenscheinlich sicher richtig, aber dennoch frage ich mich ob wir nicht auch als Gesellschaft eine gewisse Mitverantwortung für Kinder tragen. Ich meine wenn wir z. B sehen, dass ein Kind auf der Strasse bedroht oder verprügelt wird, dann geht doch wohl hoffentlich auch keiner ignorant vorbei und denkt sich:,, ist nicht mein B..


und dann postwendend von einer Userin mit diesem Kommentar hier beantwortet wird....

Zitat von Nachtlicht:
Nimmt man übrigens das von dir angemahnte Level der erweiterten (gesellschaftlichen) Verantwortung, mit der du versucht hast die Verantwortung für die Kinder den Affärenpartnern zuzuschieben, gäbe es das von dir beschriebene Problem in der Form gar nicht. Dann wären nämlich gar nicht erst Mama und Papa mit gefälligst funktionierender Paarbeziehung allein zuständig fürs Seelenheil des Kindes, sondern das ganze Dorf mit allen - Großeltern, Tanten, Onkel, Nachbarn, Freunde... das Zusammenleben als steinzeitliche Sippe ermöglicht problemlos wechselnde Paarebenen und zugleich verlässliche, stabile Elternebene und dürfte am ehesten der natürlichen Sozialstruktur des Menschen entsprechen. Da sind wir nur halt ziemlich weit von entfernt in unseren modernen Gesellschaften.


weshalb mir zu diesem äußerst durchdachten und vor Neutralität nur so strotzenden Beitrags, nur noch folgendes einfällt, wenngleich es nicht aus meiner Schreibfeder stammt..leider..

Zitat von MissLilly:
Die Selbstverständlichkeit mit der manche es als Freiheit bezeichnen für andere nicht verantwortlich zu sein.

Zitat von MissLilly:
Man ist für sich selbst verantwortlich. Das sagen diese Nach mir die Sintflut-Menschen sogar selbst. Aber das schließt doch ein zu betrachten welchen Effekt meine Entscheidungen auf Umwelt und Mitmenschen haben. Das ist Teil der Definition von Verantwortung!

Zitat von MissLilly:
Mündigkeit bedeutet Freiheit und das heißt eben nicht sich um andere keine Gedanken zu machen. Sich von moralischen Überlegungen freizusprechen weil es anstrengend ist. Oder indirekt Beteiligte (wie die Kinder) als Kollateralschäden abzutun. Das ist einfach nur selbst wieder ein unmündiges - und unfreies - Kind sein.



Mein persönliches Fazit hierzu : Es ist immer wieder leicht Andere, die sich eben nicht den Anstrengungen moralischer Überlegungen entziehen, des Moralapostel seins oder der lediglich getriggerten Gefühle zu bezichtigen, obwohl man sich in Wirklichkeit nur über das hier aufregt:

Zitat von MissLilly:
sowie den Beihilfe leistenden


Zitat von Nachtlicht:



Fortsetzung folgt....

23.06.2020 10:26 • x 4 #159


Lilly1981
Hallo Miss Lilly,

Mich hat deine Geschichte bis jetzt sehr berührt und es tut mir leid, das du und ihr das so erleben musstet. Und deine Schreibweise ist so hervorragend. Ich warte auch auf die Fortsetzung und lese mit.
Lg

30.06.2020 23:43 • x 2 #160


MissLilly
Kapitel 6 : Die Aussprache

Während mein Onkel so schäbig lacht, wütet in mir mittlerweile ein Vulkan und ich bekomme zum ersten mal in meinem Leben einen Eindruck davon, wie sich das Wort Hass tatsächlich anfühlen muss. Vor meinem geistigen Auge sehe ich sein Gesicht vor mir und stelle mir dabei vor, wie ich in seine selbstverliebte Möchtegern Don Johnson aus Miami Vice Visage mit einer fetten Keule einschlage. So gedemütigt fühle ich mich gerade.
Ich hole tief Luft um ihn so richtig zu beschimpfen, da höre ich plötzlich:
,,Schon gut, schon gut....MissLilly, mein Schatz , ich bin´s Papa...was ist denn los?
Was los ist? Ja das frage ich dich, was los ist Papa! Wieso bist du bei Onkel XY und nicht auf dem Kreuzfahrtschiff...und wann wolltest du uns darüber informieren?, frage ich wütend, um dann als Antwort gleich den nächsten Hammer zu kassieren:
,, Beruhige dich doch bitte....Ich bin einen Tag früher als geplant vom Kreuzfahrtschiff gekommen und erst seit ein paar Stunden bei Onkel XY...ich wollte euch überraschen!
Einen Augenblick lang scheint die Welt für mich still zu stehen und mein Sprachzentrum setzt aus. Ich kann einfach nicht fassen, wie man so dreist einfach weiter lügen kann! Mir reicht es nun endgültig und ich wettere ohne Punkt und Komma drauf los.
Ich frage ihn wie man nur so peinlich und schei_sse sein kann und ob er glauben würde, das seine Kinder 3 Jahre alt sind und ihm seine ganzen Lügenmärchen abkaufen würden. Im Schnelldurchlauf informiere ich ihn über unsere neuesten Erkenntnisse und steigere mich immer weiter rein. Erst als ich anfange ihn wüst und wild zu beleidigen unterbricht mich, mein achso so hochgebildeter und akademischer Vater, dem nichts so verhasst war wie die Jugendsprache bzw. in diesem Moment wohl eher der gossenartige Ausdruck!

Äh MissLilly, sagt er mit tiefer und durchdringender Stimme. Du vergisst wohl gerade mit wem du redest...ich bin immer noch dein Vater, also reiß dich gefälligst zusammen und überlege dir gut was du sagst!
Ich falle fast vom Glauben ab, das ausgerechnet dieser Mensch die Unverfrorenheit besitzt, mich jetzt auch noch mit drohendem Unterton zu maßregeln und mir was von Respekt zu erzählt, anstatt mal bei sich selbst anzufangen!
Ja, ein ganz toller Vater bist du....Ich rede genau so mit dir wie du es auch verdient hast ...Schämen solltest du dich einfach nur noch für deine ganzen feigen und niederträchtigen Lügen, anstatt mir ne Predigt darüber zu halten, wie ich mich benehmen soll, schleudere ich ihm entgegen.
Daraufhin tritt eine kurze Stille ein und ich höre im Hintergrund den berühmten tiefen, selbstmitleidigen Seufzer meines Vaters, als er erneut ausholt und sagt:,, MissLilly, mein Schatz...ich verstehe das du du gerade wütend bist und wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich schon viel früher mit euch geredet. Aber ich wollte euch nicht verletzten und habe das nur zu[b] eurem Besten getan. Ihr könnt das einfach noch nicht verstehen, aber eines Tages werdet ihr erwachsen sein und selbst Kinder haben, für die ihr Verantwortung tragt und dann werdet ihr wissen was ich meine![/b]

Natürlich! Es liegt mal wieder an uns Kindern und nur wir (!), sind einfach zu dumm dafür, um verstehen zu können, das der ganze Betrug, all die Lügen, Hinterhältigkeit und Heuchelei ausschließlich zu unserem Besten erfolgt sind!
Dieser Satz ist ein Paradebeispiel dafür, wie manch Erwachsener die Verantwortung für seine Entscheidungen und Verfehlungen, auf dem Rücken von Kindern abwälzt und dabei auch noch den Märtyrer spielt!
Als ich nämlich in diesem Moment merke, dass ich bei meinem Vater mit meinem Gebrüll einfach nicht weiter komme, wechsele ich instinktiv die Taktik und entgegne ihm, dass er genau JETZT die Gelegenheit dazu hat, uns dummen und unreifen (so fühlten wir uns schließlich anhand seiner Parolen) Kindern zu erklären, was genau das Beste für uns, bei dieser ganzen Aktion ist?
Gespannt wie ein Pfeil auf einem Bogen, der bereit zum Abschuss ist, warte ich auf die Antwort meines Vaters.
Aber wie sollte es auch anders sein, ertönt am anderen Ende der Leitung nur mal wieder der selbstleidige und diesmal sogar schon fast genervte Seufzer meines Vaters, als er beginnt die ganze Leier (frei von sämtlicher echter Argumentation) wieder von vorne abzuspulen.
Mein Vater, das arme Opfer von Kindern die ihn einfach nicht verstehen können, ist das Einzige was bei uns tatsächlich haften bleibt!
Ich bin einfach nur noch fassungslos über die beispiellose Vehemenz meines Vaters, uns einfach keine adäquate Erklärung für all das geben zu können bzw. wollen und befehle ihm nun, sich unverzüglich ins Auto zu setzten und zu uns kommen, weil ich den Eindruck habe das wir am Telefon so nicht weiter kommen.

Finaler Schlussakt dieser Bitte:,, Ich kann hier jetzt nicht weg...Onkel XY und ich haben noch wichtige Sachen zu besprechen. Ich kommen morgen zu euch und dann setzen wir uns mit Mama zusammen hin und wir erklären euch alles in Ruhe!
In diesem Augenblick habe ich schlagartig das Gefühl, dass mir Hören und Sehen vergeht und stehe gefühlt kurz vor der Ohnmacht, denn ich verstehe einfach gar nichts mehr.
Ich habe nicht Eindruck mit einem Menschen zu sprechen der mich gezeugt hat und was heißt hier eigentlich wir werden euch dann alles in Ruhe erklären?...Mama weiß also auch schon über alles Bescheid und nur wir Kinder haben kein Recht auf die Wahrheit?, blaffe ich ihm mittlerweile zynisch entgegen!
Aber es hilt alles nichts. Mein Vater beginnt nur wieder seine üblichen ihr versteht das alles nicht Ausreden und so knalle ich wütend und entnervt den Hörer mit den Worten auf, dass er da bleiben kann wo der Pfeffer wächst!

Mein Bruder, mit sichtlich passiv aggressiver Miene, steht stumm neben mir und schaut leer in den Raum hinein.
Ich hingegen laufe wie von der Tarantel gestochen im Wohnzimmer auf und ab und hab einfach keine Ahnung was ich jetzt machen soll! Wie soll ich Mama schonend beibringen, dass Papa sie betrügt und das offensichtlich nicht erst gestern?!
Oder hat Papa zur Abwechslung vielleicht doch einmal die Wahrheit gesprochen und Mama weiß über all das längst Bescheid?
Was mich in diesem Augenblick jedoch an meisten verletzt, ist die Tatsche, das mein Vater es noch nicht einmal für nötig hält zu uns zu kommen, wohlwissend das wir mit der ganzen Situation vollkommen überfordert und alleine zu Hause sind.
Spätestens bei diesem Gedanken werde ich wieder so wütend, dass ich zum Hörer greife und ein zweites Mal meine Mutter bei der Arbeit anrufe. Als sie abhebt quatsche ich gleich drauf los und berichte ihr von den neusten Erkenntnissen und habe innerlich große Sorge das sie womöglich umkippen könnte. Zeitgleich entschuldige ich mich bei ihr dafür, die Überbringerin der schlechten Nachricht zu sein und das auch noch am Telefon tun zu müssen. Ich erwarte das sie jeden Moment anfängt zu weinen und uns sagt, dass sie umgehend nach Hause wird und überlege mir Geiste bereits tröstende Worte für sie.
Doch entgegen meiner Erwartung stößt meine Mutter lediglich einen tiefen Szeufzer aus und sagt allen Ernstes:,, MissLilly, der Laden ist voll bis unters Dach und Frau N.(die Aushilfe) ist nicht zu erreichen. Ich kann hier jetzt nicht einfach weg. Ich versuche den Laden heute pünktlich zu schließen und dann komme ich nach Hause und reden wir in Ruhe über alles. Ich hab dich ganz doll lieb und mach dir bitte keine Sorgen....Tschüss mein Schatz!....und weg war sie!

Gefühlt bin ich es, die gerade und quasi stellvertretend für meine Mutter bzw. im Sinne der Ehefrau umkippt, denn ich kann einfach nicht fassen, dass offenbar auch meine Mutter keinerlei Notwendigkeit oder Dringlichkeit darin sieht, sich mit dem soeben erfolgten Zusammenbrauch ihrer Ehe und noch viel weniger mit dem daraus resultierenden Zusammenbruch ihrer Kinder zu beschäftigen, indem sie als erste Amtshandlung zu uns nach Hause kommt!
Meine Wut weicht in den darauffolgenden Stunden einer unbeschreiblich tiefen Enttäuschung, denn mir wird unter anderem bewusst was genau der Satz :Prioritäten setzen, für Erwachsene bedeutet!

Fortsetzung folgt ....

01.07.2020 07:59 • x 4 #161


Lilly1981
Hallo Miss Lilly,
Hoffe bald kommt die Fortsetzung ohne zu stressen:)
Lg

12.07.2020 23:30 • #162


MissLilly
Zitat von Lilly1981:
Hallo Miss Lilly,
Hoffe bald kommt die Fortsetzung ohne zu stressen:)
Lg




war gerade 1 Woche im Urlaub (übrigens in der Stadt in der ich die ersten 11 Jahre meines Lebens verbracht habe).
Habe unsere alte Strasse besucht und geschaut wer dort noch alles wohnt ect... Es war sehr schön, aber teilweise emotional auch sehr anstrengend für mich...
Fortsetzung folgt ganz sicher in Kürze

12.07.2020 23:36 • x 3 #163


MissLilly
Kapitel 7 : Die Familienkonferenz

Morgen ist nun soweit. Mein Vater betritt mit gesenktem Kopf und einem gequetschten Lächeln die Wohnung.
Im Augenblick lege ich zwar keinen Wert auf eine Umarmung, trotzdem fällt mir aber auf das es keine für mich gibt!
Meine Mutter (mit hoch rotem Gesicht) und mein Bruder (mit steifer und ernster Miene) sitzen bereits auf der Couch, als mein Vater und ich das Wohnzimmer betreten.
Die Stimmung ist zum zerreißen gespannt und ich nehme zwischen meinen Bruder und meiner Mutter Platz. Mein Vater sitzt uns allen gegenüber. Für einen ganz kurzem Moment empfinde ich Mitleid für meinen Vater, weil das Bild was sich mir bietet, dem eines Angeklagten bei Gericht gleichkommt.
Mein Vater beginnt das Gespräch mit meinem Lieblingssatz:,, Kinder, ihr müsst wissen das alles was ich und eure Mutter getan oder entschieden haben, immer nur in dem Gauben und der Absicht passiert ist, dass es für euch das Beste ist.
Ich weiß das es euch schwerfällt das zu verstehen.
Ich schalte geistig jetzt schon ab, koche innerlich hoch und schaue zu meiner Mutter in der Erwartung, dass sie jeden Moment ausflippt. Natürlich passiert das aber mal wieder nicht und so unterbreche ich meinen Vater, indem ich ihm sagen das ich diesen sch_eiss Satz nicht mehr hören kann und er jetzt bitte zum Punkt kommen und erklären soll, warum er Mama mit einer anderen Frau betrogen hat und uns so lange angelogen hat.
Eben noch mit engelsgleichen Gesichtsausdruck wechselt dieser, gepaart mit dem berühmt tiefen Seufzer meines Vater in eine Art ruhige Aggression um, als er sagt:,, Sie (AF) hat damit absolut nichts zu tun und kann nichts dafür. Die Ehe zwischen mir und eurer Mutter war schon lange kaputt und heute weiß ich, dass wir sie viel früher hätten beenden müssen, aber ihr ward einfach noch zu klein und meine Hoffnung zu groß, dass sich am Ende alle Opfer die wir für euch erbracht haben, sich doch noch auszahlen würden!
Als ich das höre, möchte ich mich am liebsten direkt vom Balkon stürzen, weil ich einfach nicht fassen kann, wie man unterschwellig soviel Schuld von sich auf seine Kinder abwerfen kann und es dabei offensichtlich noch nicht einmal merkt!
Spätestens jetzt kann ich nicht mehr an mich halten und schreie wie wild drauf los. Rein imaginär packe ich meinen Vater am Kragen und schüttle ihn dabei kräftig durch und das so lange bis er mir endlich das sagt, was ich wissen will!
Doch den einzigen Erfolg den ich dadurch erziele ist es, dass mein Vater jetzt ebenso aufdreht und mit fassunglosen Kopfschütteln seinen Blick auf meine Mutter richtet!
Wie kannst du nur so ruhig dasitzen und nichts sagen? Sieh nur wie du die Kinder gegen mich aufgehetzt hast, zischt mein Vater meiner Mutter mit einer tief düsteren Miene zu.
Als ich sehe wie bei meiner Mutter die Tränen beginnen zu fließen, fauche ich zurück das er es sein lassen kann, Mama so etwas vorzuwerfen, das sie noch nie etwas schlechtes über ihn gesagt hat.
Daraufhin macht mein Vater den wohl größten Fehlers seines Lebens bei mir, denn er fängt tatsächlich und verächtlich an zu schmunzeln, neigt dabei den Kopf zu Boden und nickt dabei theatralisch resignierend. Ich werde Zeuge einer klassischen Opferhaltung, die mir im späteren Leben noch öfters begegnen sollte und diese Geste bei Konfrontationen dieser Art, für mich (so muss ich zugeben) bis heute das rote Tuch bedeuten.

Ab da war es dann vorbei mit einer gefühlvollen und von Empathie begleiteten Familienkonferenz, da es nur noch abwärts ging. Der Verteidigungsmechanismus meiner Mutter in dieser Situation verlief eher schleppend, um nicht zu sagen erbärmlich und mein Vater wurde es nicht müde über die ganze Sache so zu sprechen, als wäre sein ganzes Doppelleben gar nicht existent und hätte dementsprechend mit der aktuellen Situation überhaupt nichts zu tun.
Er ergoss sich in Beschwichtigen und versicherte pausenlos, dass das ganze für uns Kinder, selbst nach einer Scheidung nichts ändern würde!
Das Wort Scheidung hingegen, war wohl das Einzige was meine Mutter kurzzeitig aus ihrer Lethargie riss und sie dazu bewegen konnte, meinen Vater mehr oder weniger durch unterschwellige Fragen ihren Standpunkt dazu klarmachen zu wollen.
Sie schaute meinen Vater teilweise wie ein kleines jammerndes Kind an und wechselte dann schlagartig in den ermahnenden Blick einer Mutter, während sie versuchte ihn permanent an seine Pflicht als Ehemann und Vater zu erinnern. Ihr Schlagabtausch drehte sich nur um Sachlichkeiten. Ich war zutiefst schockiert dabei zusehen zu müssen, wie sie ihre Ehe, ähnlich einer Excell Tabelle bilanzierten und sie nicht einziges Wort, für die Trauer über den Verlust ihrer Liebe zueinander übrig hatten.
Nun denn, die ganze Konversation endete damit, dass wir keinen echten Schritt weiter waren.
Denn ausser das mein Vater jetzt ganz offiziell und fast schon selbstverständlich sein Leben mit der AF, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen weiterleben konnte, wurde für uns Kinder und unsere Zukunft mal rein gar nichts verändert. Ganz im Gegenteil sah mein Vater sich auch noch weiterhin als das Opfer und wohlwollender Märtyrer in dieser Geschichte, da er zusicherte alle Kreditverträge komplett auf seine Kappe zu nehmen.
Wow, dachte ich. Kein Wort darüber wie es mit uns (seinen Kindern) in dieser Konstellation weitergehen sollte, ausser das er anmerkte, dass meine Mutter im Gegenzug für sein aufopferungsvolles Angebot dafür auf sämtliche Unterhaltsansprüche für sich und und uns verzichtet! Etwas was meine Mutter ja ohnehin schon die ganzen letzten Jahre getan hatte.
Und damit das alles auch wirklich gut funktionieren kann, empfahl mein Vater auch noch dreist und berechnend, im Sinne der steuerlichen Vorteile, zumindest auf dem Papier und somit offiziell verheiratet zu bleiben.
Im Alter von 15 Jahren war ich leider noch viel zu jung und rechtlich betrachtet noch viel zu ahnungslos, um diese Art der Ungerechtigkeit meinem Vater gegenüber argumentieren zu können, aber intuitiv war mir irgendwie schon damals klar, dass das alles nicht wirklich fair und rechtens sein kann.
Doch lange Rede, kurzer Sinn...hatte ich jetzt wichtigeres zu tun, als mich jetzt auch noch um die rechtlichen Angelegenheiten meiner Eltern zu kümmern (das kam natürlich trotzdem, aber erst etwas später), denn erst einmal brannte es in mir zu erfahren, für wen genau, mein Vater sein bisheriges Leben mit uns eingetauscht hatte.
Und so machte ich mich nur 2 Wochen nach dieser tollen Familienkonferenz auf den Weg zu meinem Vater und in meine alte Heimat, um mir selbst ein Bild von der Neuen machen zu können und handelte mir dafür den Ärger und Frust meiner Mutter ein. Wie immer weniger direkt, aber dafür gekonnt unterschwellig, bezeichnete sie die Absicht meinen Vater in Anwesenheit der AF zu besuchen als illoyal, was zur Folge hatte, dass ich nun nicht mehr allein damit beschäftigt war den Auseinandersetzungen mit meinem Vater standhalten zu müssen, sondern mich auch meine Mutter gegenüber, permanent erklären und rechtfertigen musste!
Mein Bruder bleib bei alle dem aussen vor, denn der sprach seit dem Tag der Offenbarung kein einziges Wort mehr mit meinem Vater und nahm so die Rolle des treuen Sohnes in den Augen meiner Mutter ein.

Fortsetzung folgt....

13.07.2020 07:46 • x 2 #164


C
Aus meiner Sicht hätte alles auf Paarebene geklärt gehört um es euch dann gemeinsam zu sagen. So passieren halt Dinge, die idealerweise nicht sein sollten. Du warst ja voll involviert, obwohl dein Vater ja dich nicht betrogen hatte (im Sinne von Ehebruch), und dein Bruder vollzog offenbar auch gleich seine persönliche Scheidung vom Vater. Volles Versagen der sich trennenden Eltern. Dass das ganze keine liebevolle Ehe war zeichnete sich wohl seit Jahren ab.

17.07.2020 12:11 • #165


A


x 4




Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag