Kapitel 6 : Die Aussprache
Während mein Onkel so schäbig lacht, wütet in mir mittlerweile ein Vulkan und ich bekomme zum ersten mal in meinem Leben einen Eindruck davon, wie sich das Wort Hass tatsächlich anfühlen muss. Vor meinem geistigen Auge sehe ich sein Gesicht vor mir und stelle mir dabei vor, wie ich in seine selbstverliebte Möchtegern Don Johnson aus Miami Vice Visage mit einer fetten Keule einschlage. So gedemütigt fühle ich mich gerade.
Ich hole tief Luft um ihn so richtig zu beschimpfen, da höre ich plötzlich:
,,Schon gut, schon gut....MissLilly, mein Schatz , ich bin´s Papa...was ist denn los?
Was los ist? Ja das frage ich
dich, was los ist Papa! Wieso bist du bei Onkel XY und nicht auf dem Kreuzfahrtschiff...und wann wolltest du uns darüber informieren?, frage ich wütend, um dann als Antwort gleich den nächsten Hammer zu kassieren:
,, Beruhige dich doch bitte....Ich bin einen Tag früher als geplant vom Kreuzfahrtschiff gekommen und erst seit ein paar Stunden bei Onkel XY...ich wollte euch überraschen!
Einen Augenblick lang scheint die Welt für mich still zu stehen und mein Sprachzentrum setzt aus. Ich kann einfach nicht fassen, wie man so dreist einfach weiter lügen kann! Mir reicht es nun endgültig und ich wettere ohne Punkt und Komma drauf los.
Ich frage ihn wie man nur so peinlich und schei_sse sein kann und ob er glauben würde, das seine Kinder 3 Jahre alt sind und ihm seine ganzen Lügenmärchen abkaufen würden. Im Schnelldurchlauf informiere ich ihn über unsere neuesten Erkenntnisse und steigere mich immer weiter rein. Erst als ich anfange ihn wüst und wild zu beleidigen unterbricht mich, mein achso so hochgebildeter und akademischer Vater, dem nichts so verhasst war wie die Jugendsprache bzw. in diesem Moment wohl eher der gossenartige Ausdruck!
Äh MissLilly, sagt er mit tiefer und durchdringender Stimme. Du vergisst wohl gerade mit wem du redest...ich bin immer noch dein Vater, also reiß dich gefälligst zusammen und überlege dir gut was du sagst!
Ich falle fast vom Glauben ab, das ausgerechnet
dieser Mensch die Unverfrorenheit besitzt, mich jetzt auch noch mit drohendem Unterton zu maßregeln und mir was von Respekt zu erzählt, anstatt mal bei sich selbst anzufangen!
Ja, ein ganz toller Vater bist du....Ich rede genau so mit dir wie du es auch verdient hast ...Schämen solltest du dich einfach nur noch für deine ganzen feigen und niederträchtigen Lügen, anstatt mir ne Predigt darüber zu halten, wie ich mich benehmen soll, schleudere ich ihm entgegen.
Daraufhin tritt eine kurze Stille ein und ich höre im Hintergrund den berühmten tiefen, selbstmitleidigen Seufzer meines Vaters, als er erneut ausholt und sagt:,, MissLilly, mein Schatz...ich verstehe das du du gerade wütend bist und wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte ich schon viel früher mit euch geredet.
Aber ich wollte euch nicht verletzten und habe das nur zu[b] eurem Besten getan. Ihr könnt das einfach noch nicht verstehen, aber eines Tages werdet ihr
erwachsen sein und selbst Kinder haben, für die ihr
Verantwortung tragt und dann werdet ihr wissen was ich meine![/b]
Natürlich! Es liegt mal wieder an uns
Kindern und
nur wir (!), sind einfach zu dumm dafür, um verstehen zu können, das der ganze Betrug, all die Lügen, Hinterhältigkeit und Heuchelei
ausschließlich zu unserem Besten erfolgt sind!
Dieser Satz ist ein Paradebeispiel dafür, wie manch Erwachsener die Verantwortung für
seine Entscheidungen und Verfehlungen, auf dem Rücken von Kindern abwälzt und dabei auch noch den Märtyrer spielt!
Als ich nämlich in diesem Moment merke, dass ich bei meinem Vater mit meinem Gebrüll einfach nicht weiter komme, wechsele ich instinktiv die Taktik und entgegne ihm, dass er genau JETZT die Gelegenheit dazu hat, uns dummen und unreifen (so fühlten wir uns schließlich anhand seiner Parolen) Kindern zu erklären, was
genau das Beste für uns, bei dieser ganzen Aktion ist?
Gespannt wie ein Pfeil auf einem Bogen, der bereit zum Abschuss ist, warte ich auf die Antwort meines Vaters.
Aber wie sollte es auch anders sein, ertönt am anderen Ende der Leitung nur mal wieder der selbstleidige und diesmal sogar schon fast genervte Seufzer meines Vaters, als er beginnt die ganze Leier (frei von sämtlicher echter Argumentation) wieder von vorne abzuspulen.
Mein Vater, das arme Opfer von Kindern die ihn einfach nicht verstehen können, ist das Einzige was bei uns tatsächlich haften bleibt!
Ich bin einfach nur noch fassungslos über die beispiellose Vehemenz meines Vaters, uns einfach keine adäquate Erklärung für all das geben zu können bzw. wollen und befehle ihm nun, sich unverzüglich ins Auto zu setzten und zu uns kommen, weil ich den Eindruck habe das wir am Telefon so nicht weiter kommen.
Finaler Schlussakt dieser Bitte:,, Ich kann hier jetzt nicht weg...
Onkel XY und
ich haben noch
wichtige Sachen zu besprechen. Ich kommen
morgen zu euch und dann setzen wir uns mit Mama zusammen hin und
wir erklären euch alles in Ruhe!
In diesem Augenblick habe ich schlagartig das Gefühl, dass mir Hören und Sehen vergeht und stehe gefühlt kurz vor der Ohnmacht, denn ich verstehe einfach gar nichts mehr.
Ich habe nicht Eindruck mit einem Menschen zu sprechen der mich gezeugt hat und was heißt hier eigentlich
wir werden euch dann alles in Ruhe erklären?...Mama weiß also auch schon über alles Bescheid und nur wir Kinder haben kein Recht auf die Wahrheit?, blaffe ich ihm mittlerweile zynisch entgegen!
Aber es hilt alles nichts. Mein Vater beginnt nur wieder seine üblichen ihr versteht das alles nicht Ausreden und so knalle ich wütend und entnervt den Hörer mit den Worten auf, dass er da bleiben kann wo der Pfeffer wächst!
Mein Bruder, mit sichtlich passiv aggressiver Miene, steht stumm neben mir und schaut leer in den Raum hinein.
Ich hingegen laufe wie von der Tarantel gestochen im Wohnzimmer auf und ab und hab einfach keine Ahnung was ich jetzt machen soll! Wie soll ich Mama schonend beibringen, dass Papa sie betrügt und das offensichtlich nicht erst gestern?!
Oder hat Papa zur Abwechslung vielleicht doch einmal die Wahrheit gesprochen und Mama weiß über all das längst Bescheid?
Was mich in diesem Augenblick jedoch an meisten verletzt, ist die Tatsche, das mein Vater es noch nicht einmal für nötig hält zu uns zu kommen, wohlwissend das wir mit der ganzen Situation vollkommen überfordert und alleine zu Hause sind.
Spätestens bei diesem Gedanken werde ich wieder so wütend, dass ich zum Hörer greife und ein zweites Mal meine Mutter bei der Arbeit anrufe. Als sie abhebt quatsche ich gleich drauf los und berichte ihr von den neusten Erkenntnissen und habe innerlich große Sorge das sie womöglich umkippen könnte. Zeitgleich entschuldige ich mich bei ihr dafür, die Überbringerin der schlechten Nachricht zu sein und das auch noch am Telefon tun zu müssen. Ich erwarte das sie jeden Moment anfängt zu weinen und uns sagt, dass sie umgehend nach Hause wird und überlege mir Geiste bereits tröstende Worte für sie.
Doch entgegen meiner Erwartung stößt meine Mutter lediglich einen tiefen Szeufzer aus und sagt allen Ernstes:,, MissLilly, der Laden ist voll bis unters Dach und Frau N.(die Aushilfe) ist nicht zu erreichen. Ich kann hier jetzt nicht einfach weg. Ich versuche den Laden heute pünktlich zu schließen und dann komme ich nach Hause und reden wir in Ruhe über alles. Ich hab dich ganz doll lieb und mach dir bitte keine Sorgen....Tschüss mein Schatz!....und weg war sie!
Gefühlt bin ich es, die gerade und quasi stellvertretend für meine Mutter bzw. im Sinne der Ehefrau umkippt, denn ich kann einfach nicht fassen, dass offenbar auch meine Mutter keinerlei Notwendigkeit oder Dringlichkeit darin sieht, sich mit dem soeben erfolgten Zusammenbrauch ihrer Ehe und noch viel weniger mit dem daraus resultierenden Zusammenbruch ihrer Kinder zu beschäftigen, indem sie als erste Amtshandlung zu uns nach Hause kommt!
Meine Wut weicht in den darauffolgenden Stunden einer unbeschreiblich tiefen Enttäuschung, denn mir wird unter anderem bewusst was genau der Satz :Prioritäten setzen, für Erwachsene bedeutet!
Fortsetzung folgt ....