Es folgt nun Teil 1 von Kapitel 3 meiner Geschichte, sofern noch keiner eingeschlafen ist oder nicht schon längst den Faden verloren hat Ist gar nicht so einfach seine Memoiren niederzuschreiben, wie gerade merke:-)
Titel: Das Wechselmodell oder auch jetzt wird alles besser..versprochen
Ich bin mittlerweile 10 Jahre alt und in Klasse 4 der Grundschule angekommen. Meine schulischen Leistungen haben stark nachgelassen! Meine Hausaufgaben (insbesondere in meinem Hass-Fach Mathe) kann ich immer weniger allein bewältigen und machen mir schwer zu schaffen. Mein Vater versucht mir dabei zu helfen, hat aber immer weniger Geduld mit mir und rastet immer öfters aus, wenn ich etwas nicht auf Anhieb verstehe. Ich fange an mich dumm und vollkommen unfähig zu fühlen. Zusätzlich habe ich eine Klassenkameradin die mir ständig in den Pausen auflauert, um mich vor anderen Kindern grundlos zu beschimpfen oder mir gerne auch mal meine Pausenbrote klaut, um sie vor meinen Augen anzuspucken. Als das nicht mehr reicht, fängt sie sogar an mir auch nach der Schule aufzulauern, um mich zu treten oder vor versammelter Mannschaft büschelweise Haare rauszureißen. Wenn ich im Unterricht sitze bin ich meist nur körperlich anwesend und hoffe von der Lehrerin nicht drangenommen zu werden. Sobald die Pausenglocke läutet, fange ich an zu schwitzen und verbringe meine Pausen nur noch dicht bei der jeweiligen Pausenaufsicht des Schulhofes.
Ich suche das Gespräch zu meinen Vater, in der Hoffnung, dass er mir bei all dem irgendwie helfen kann. Darauf folgte zwar ein Termin mit meiner Lehrerin, aber das Mobbing wurde dadurch nur noch schlimmer!
Der resignierende Ratschlag meines Vaters hierzu:,, Geh dem Mädchen einfach aus dem Weg!
Witzig, dachte ich, als ob ich das nicht schon permanent tun würde. Meine Angst vor der Schule steigerte sich in der darauffolgenden Zeit ins Unermessliche, sodass ich anfing chronische Bauchschmerzen zu entwickeln, sobald der Wecker morgens klingelte. Ich fing an Krankheiten vorzutäuschen, nur um nicht in die Schule zu müssen. Ein paar mal klappte das auch, aber dann setzte mein Vater dem, kommentarlos einen Riegel vor.
Zudem kämpfte ich Nachts mit schrecklichen Albträumen in denen meine Mutter, vor meinen Augen, entweder erschossen wurde oder sie mich einfach nicht erkannte, wenn ich sie rief oder auf sie zugehen wollte.
Solche Tage waren besonders schlimm für mich und ich fühlte mich zunehmend hilflos und mit meinen Problemen allein gelassen. Höhepunkt meiner psychischen und körperlichen Verfassung, war dann der Tag meines 11 Geburtstags.
Im Vorwege hatte mein Vater ein paar Einladungskarten organisiert, auf die ich die Namen der Kinder schreiben sollte die ich gerne einladen wollen würde. Mein Vater muss wohl bemerkt haben, wie unmotiviert ich dreinschaute, weshalb er versuchte mich aufzumuntern in dem er in den tollsten Bildern davon sprach, das es ein ganz toller Tag werden würde.
Kurzzeitig verspürte ich so etwas wie einen hoffnungsvollen Aufschwung, weil ich meinen Vater schon lange nicht mehr so begeistert und energiegeladen gesehen hatte. Unter keinen Umständen wollte ich seine gute Stimmung nun durch meine schlechte Laune gefährden, weshalb ich mir alle Mühe gab, meinen Vater augenscheinlich ein Stück seiner Freude zurückzugeben.
Geburtstag...Juhu...Die ersten Kinder klingeln an der Tür, während ich in letzter Sekunde noch schnell den Putzeimer wegräume. Die Wohnung ist mit ein paar Luftballons, die mein Vater in der Nacht zuvor aufgeblasen hatte, mäßig (um nicht zu sagen lieblos) dekoriert. Die Torte (eine stinknormale Erwachsenen-Schokoladenvariante vom ortsansässigen Konditor) hatte mein Vater ebenfalls noch in letzter Minute angeschleppt und auf den Tisch gestellt und drückte mir dabei eine Packung Kerzen in die Hand. Im Anschluss daran zog er, sein ebenso komisch verpacktes Geschenk für mich, samt einer Geburtstagskarte die meine Mutter für mich geschrieben hatte aus der Tasche und umarmte und küsste mich. Dabei erzählte er mir, dass er jetzt leiderwieder zur Arbeit fahren müsste, weiljemand krank geworden sei, er aber zwischendurch anrufen würde und wir, sobald er wieder zu Hause ist, gemeinsam noch einmal richtig feiern würden.
Bevor ich überhaupt etwas dazu sagen konnte, war er auch schon aus der Tür und meine Geburtstagsgäste standen auch schon im Wohnzimmer.
Ich weiß nicht mehr wie lange genau meine Geburtstagsparty ging. Was ich trauriger weise allerdings noch bestens in Erinnerung habe ist, wie (die Party war im vollen Gange...die Kinder spielten und tobten in der Wohnung umher) ich hingegen zusammengekauert unter unserem Wohnzimmertisch saß und mir tränenüberströmt ein Bild von meiner Mama anschaute, während ich mir parallel dazu immer wieder ihre Geburtstagskarte durchlies! Ganz so als würde sie gar nicht mehr unter uns weihen.
Als die ersten Kinder mich leise weinend unter dem Tisch entdeckten, trat eine bedrückende Stille bei allen ein, bis eine Freundin auf mich zukahm und anfing mich zu fragen was los sei.
Ich kann kaum in Worte fassen wie mich in diesem Augenblick gefühlt habe.
Auf der einen Seite war ich tief traurig und hätte mich am liebsten dem Nächstbesten in die Arme geworfen und auf der anderen Seite, wäre ich vor lauter Peinlichkeit und Scham für meinen (aus meiner Sicht) erbärmlichen Zustand gegenüber meinen Gästen, am liebsten glatt im Erdboden versunken.
Und da war sie wieder, die berühmte unterschwellige Frage, die man sich unbewusst stellt, wenn man merkt, dass man ganz allein auf sich gestellt ist: Flucht, Angriff oder Todstellreflex?
Mal wieder entschied ich mich für den Angriff in Form von Beschwichtigungen. Ich wischte mir mit einem verlegenen Lächeln die Tränen aus dem Gesicht und erklärkte kurz, das es nur wegen meiner Mama sei, weil sie leider nur heute nicht dabei sein kann. Schließlich wusste ja fast keine Sau, dass meine Eltern eine Fernbeziehung führten! Ich weiß noch wie erleichert ich war, als endlich alle gegangen waren und ich nicht mehr das fröhliche Geburtstagskind bzw. den Entertainer spielen musste.
Übrigens hatte mein Vater Wort gehalten und mich, kurz nach dem meine Gäste gegangen waren, tatsächlich angerufen. Allerdings nur um uns darüber zu informieren, dass es heute leider doch sehr spät werden würde bis er wieder nach Hause kommt, wir also bitte nicht so lange aufbleiben sollten und ihm das selbstverständlich alles furchtbar leid tun würde!
Ich verspürte irgendwie keine Kraft mehr mich darüber aufzuregen und sagte nur noch, dass es ok sei.
Schlafen konnte ich an diesem Tag dennoch nicht und so bemerkte ich, dass mein Vater noch nie so lange weg war, wie an diesem Tag bzw. dieser Nacht.
Fortsetzung folgt...