Hallo Illa,
habe erst heute gesehen, dass dieser Thread weiter lebt. Das Fried-Gedicht, welches Du zitierst, kenne ich auch, und genau solche Gedichte meinte ich, als ich schrieb, nicht alle Liebesgedichte von Fried seien fuer Frischgetrennte geeignet. Wenn Dich gerade die traurigen Gedichte troesten, dann geht das vielleicht auch anderen Leuten hier so. Liebe ist eben etwas sehr individuelles.
Im Internet habe ich noch eine sehr interessante Seite zum Thema Liebe gefunden:
Quelle: aemme-zytig.ch/definiti.htm
Ist zwar recht lang, aber ich kopier trotzdem mal alles hier
her.
Liebe ist manchmal Himmel, oftmals Hölle und meistens irgendetwas mittendrin
Kaum ein anderer Gemütszustand beschäftigt den Menschen sein ganzes Leben lang so intensiv wie die Liebe. Dichter und Sänger, Psychologen und Wahrsager versuchen seit Menschengedenken, diesen Zustand zu erklären, zu analysieren,
zu definieren. Vielleicht aber liegt die einzig wirkliche Erklärung darin, dass es keine allgemein gültige Erklärung geben scheint.
Die erste Liebe
Benjamin isst nichts mehr. Selbst seine absoluten Lieblingsspeisen wie Pizza
und Spaghetti lässt er stehen oder stochert lustlos darin herum. Er starrt in die
Luft, und spricht ihn jemand an, reagiert er beinahe jedes Mal erschrocken.
Fast könnte man meinen, er habe geträumt. Doch ein Träumer war der
10-jährige Benjamin noch nie, und deshalb ist seine Mutter äusserst besorgt.
Fieber hat er nicht und auch sonst scheint gesundheitlich alles in Ordnung zu
sein. Bis auf sein Herz. Das hat er verloren. Vor einigen Monaten war
Benjamin zu Besuch auf dem Bauernhof seiner Grosseltern und hat Maja
kennen gelernt hat. Maja ist zwar schon elf, doch das stört Benjamin nicht.
Genau genommen: nicht mehr. «Vorher fand ich Mädchen sozusagen doof.
Die kichern so viel und vor allem bei älteren Mädchen werde ich rot, wenn sie
mit mir sprechen. Ausserdem spielen sie langweilige Spiele und verstehen
nichts von Computern. Nur Maja ist richtig nett, fast wie ein Junge. Sie findet
alle Spiele cool, die ich auch cool finde, und ausserdem kann sie reiten.» Das
Reiten hat Maja ihm beigebracht und auch ein bisschen das Küssen. «Na ja,
nicht so richtig küssen. Eher so wie ein Müntschi. Eigentlich habe ich mich
schon lange gefragt, was die Erwachsenen spannend daran finden. Man kann
sich ja nicht mal miteinander unterhalten und ausserdem ist das auch eher
peinlich.» Aber mit Maja fand Benjamin Gefallen am Müntschelen, und es
stört ihn auch nicht mehr, dass manche Küsschen so klebrig wie Majas
Bonbons sind. Benjamin will Maja heiraten, das steht fest. Und Maja ihn. Nur
über die Frage, wie viele Kinder kommen sollen, sind sich die beiden nicht
einig. Benjamin will acht und Maja gar keine. «Ausser dann, wenn Benjamin
zu Hause bleibt, weil ich einmal studieren und Tierärztin werden will.
Überhaupt möchte ich ganz viele Länder sehen, und wenn es geht, in Afrika
arbeiten. Dort gibt es noch ganz viele Tiere, die in Freiheit leben und trotzdem
ab und zu krank werden. Aber wenn Benjamin zu Hause auf die Kinder
schaut, geht das mit den Kindern schon in Ordnung.» Maja weiss genau, dass
Benjamin der Richtige ist. «Wenn ich ihn sehe, dann kribbelt das im Bauch
und nachts kann ich nicht einschlafen, wenn ich an ihn denke. Die meisten
Jungs sind ja eher Hanswurstig. Die interessieren sich nur für Fussball. Da ist
Benjamin wirklich anders, auch wenn er anfangs nicht mal reiten konnte. Das
hat er ganz schnell gelernt und dabei habe ich gemerkt, dass er der richtige
Mann für mich ist. Na ja, ein Mann ist er zwar noch nicht ganz, aber fast.
Schliesslich ist er schon in der Pubertät, das sagt jedenfalls seine Mutter. Bis
jetzt habe ich auch nur meiner Mutter erzählt, dass ich mal eine Hochzeit mit
vielen hundert Gästen und Blumenkindern haben möchte. Natürlich nähe ich
mir dafür ein weisses Kleid mit einer ganz langen Schleppe. Benjamin muss
einen Zylinder auf dem Kopf haben und so einen lustigen Anzug tragen mit
Zipfeln über den Hintern, aber das erzähle ich ihm erst noch. Wir werden
ganz sicher für immer zusammen sein und immer viel Spass miteinander
haben, das weiss ich einfach.»
Die bodenständige Liebe
Martha hatte die ersten Jahrzehnte nicht sehr viel Glück im Leben. Sie musste
den Krieg erleben, und dieser Krieg nahm ihr auch den Ehemann. Als die
Eltern in die Schweiz flüchteten, nahm sie ihre drei Kinder und ging mit. Der
Hof war zerstört, das Land enteignet. Dann traf sie Fritz. Es war am Anfang
alles Mögliche, aber nicht Liebe. «Fritz war die Frau gestorben. Kinder hatte
er keine. Ich brauchte Arbeit und ein Dach über dem Kopf, er eine Frau für
Haus und Hof. Da haben wir uns halt zusammen getan. Wir haben uns
gesagt, eine Ehe ist dann gut, wenn man es versteht, ihr einen Sinn zu geben.
Das haben wir getan. Unser Sinn bestand aus Arbeit, Arbeit und nochmals
Arbeit. Schliesslich haben wir uns aneinander gewöhnt. Ich habe mir immer
gesagt, es ist nicht wichtig, den richtigen Partner zu finden, sondern der
richtige Partner zu sein. Verständnis muss man schon für den anderen haben,
und mein Fritz ist ein guter Mann. Auch wenn er samstags ins Wirtshaus
ging und halt manchmal einen zu viel hinter die Binde gegossen hat. Doch er
ist nie hinter den Weibern her gewesen und war gut zu meinen Kindern. Die
jungen Leute heute gehen so schnell wieder auseinander, anstelle mal eine
schwierige Zeit miteinander durchzustehen. Mein Fritz und ich haben über
viele Sachen nicht so viel Wesens gemacht. Sicher haben wir uns zeitweise
auch alle Schande gesagt, und einmal war ich so wütend, da habe ich einen
Teller nach ihm geworfen. Doch es wäre mir nie in den Sinn gekommen,
einfach wieder davon zu gehen und mir einen anderen zu suchen. Die Männer
sind doch ohnehin alle ziemlich gleich und bei ihm habe ich gewusst, was ich
habe. Heute denke ich, er war der beste Mann, der mir begegnen konnte.
Heute kann ich auch ehrlichen Gewissens sagen, ja, ich liebe meinen Mann.»
Fritz ist der Schweigsamere von beiden. «Mein Gott, wir haben ja so schnell
geheiratet vor 57 Jahren. Dann gab es immer so viel Arbeit von morgens früh
bis spät nachts, da habe ich gar nicht drüber nachgedacht, ob jetzt Martha
meine grosse Liebe ist. Es war zu Beginn eher eine vernünftige Sache für uns,
die Hochzeit. Und gefallen hat sie mir schon, die Martha. Ich weiss ja auch
nicht, wie es mit einer anderen Frau gewesen wäre. Doch meine Martha
konnte richtig mit anpacken und hat nie die feine Dame gespielt. Mit der Zeit
habe ich sie doch sehr ins Herz geschlossen. Ausserdem ist sie nie wirklich
verrückt über mich gewesen, wenn ich zu spät aus dem Wirtshaus kam. Die
Geschichte mit dem Teller ist ja auch gottlob nur ein Mal passiert. Seitdem
ich da nicht mehr hingehe, ist es richtig gemütlich zwischen uns. Doch, doch,
ich habe sie so richtig gern, meine Martha, und ich bin sehr dankbar für die
vielen schönen Jahre mit ihr. Und wenn ich noch einen Wunsch diesbezüglich
anbringen darf, dann hoffe ich, vor ihr zu sterben. Oder noch besser, in der
gleichen Stunde. Aber das ist wohl zu viel verlangt.»
Die zweckmässige Liebe
Urs lebt mal hier und mal dort. Oftmals verlegt er seinen Wohnsitz samt
Hund, Bauwagen und Freundin an eine andere Stelle. Würde er die Piercings
entfernen, die Frisur ändern, Krawatte und Anzug tragen, könnte er als
Bankangestellter auf dem Weg nach oben durchgehen. Doch Urs lebt in einer
anderen Welt: er ist ausgestiegen. Er und auch Barbara, seine Freundin. Seit
nunmehr zwei Jahren können sie friedlich und ohne Verpflichtung leben und
geben sich dem hin, wofür sie existieren: Partys und Vergnügungen. Leben
nach dem Lustprinzip. Oder anders gesagt, leben fürs Essen, Rauchen und
Trinken. Oder vielleicht auch fürs Trinken, Rauchen und Essen. Dafür
arbeiten sie, in der Regel zwei Tage pro Woche. Fünf Tage von sieben zu
arbeiten, ist abartig. Die Jobs sind Gelegenheitsjobs. Das Alter der beiden
bewegt sich zwischen dreiundzwanzig und fünfundzwanzig. Sie lernten sich
an einem Konzert kennen. Oder in der Reithalle. «So genau weiss ich das
nicht mehr. Klar habe ich Barbara schon vorher gesehen. Und irgendwann
mal ist sie früh in meinem Bett gewesen. Ob das Liebe ist? Das weiss ich doch
nicht. Doch, eigentlich schon. Auf jeden Fall habe ich meine Prioritäten
folgendermassen festgelegt: am wichtigsten ist mir mein Hund, dann kommt
der Bauwagen und dann Barbara. Das weiss sie auch. Die Beziehung ist
momentan okay für uns beide, und was morgen kommt, weiss ja wohl
niemand. Heiraten, Kinder und so ein Quatsch kommt für uns sowieso nicht
in Frage. Ich glaube, wenn ich so was mal in den Mund nehmen würde,
bekäme Barbara einen Lachanfall.» Wenn eine Fee käme und ihm drei
Wünsche erfüllte, würde er zum ersten Blocher absetzen, zum zweiten die
rechtsradikale Szene abschaffen und zum dritten einen grossen Wohnwagen
mit einem entsprechend grossen Traktor haben wollen. Das reichte, um endlos
glücklich zu sein. Dazu bräuchte es gar keine Frau.» Auch Barbara sieht ihre
Beziehung zu Urs ziemlich unkompliziert. «Ich möchte einfach nur so leben,
wie es mir gefällt. Schliesslich, wer bringt schon den Mut auf, seine Träume
und Hoffnungen zu leben. Eigentlich wollen die meisten Leute so leben wie
wir. Die trauen sich einfach nicht. Und die Sache mit Urs, na ja, die ist eben
gut, wie sie ist. Als Liebe würde ich das nicht bezeichnen. Er ist einfach so wie
ich, und da gibt es wenig Krach zwischen uns beiden. Gern habe ich ihn
schon, das ist ganz klar. Wenn da mal Schluss ist, wird mir das sicher nicht
egal sein. Und so einen Spiesser mit Krawatte würde ich nie im Leben haben
wollen. Da wird mir schon schlecht, wenn ich die auf der Strasse Richtung
Bank laufen sehe. Deswegen ist das ganz in Ordnung so, die Sache mit Urs.