Der Wunsch, die Beziehung aufrecht zu erhalten, ist in der Zeit der Reue genauso stark und aufrichtig wie zu anderen Zeiten der Wunsch nach der Erfüllung geheimer Sehnsüchte.
Man muss nicht bewusst lügen, um sich zu widersprechen. Man muss nur genügend unter der vermeintlichen Unvereinbarkeit seiner Bedürfnisse leiden.
Das hier geschilderte Phänomen ist weniger der Charakterlosigkeit Einzelner geschuldet als vielmehr der Unfähigkeit der Betroffenen (und zwar beider, Betrüger und Betrogener), ihre Beziehungsbedingungen mit geschaffenen Tatsachen in Einklang zu bringen.
Betrogene und Betrügende sind sich in der Regel einig, dass der Betrügende die Schuld an der Misere trage, und verhindern damit erfolgreich eine ehrliche Aufarbeitung des Fremdgehens. Geschehene Untreue soll dieser Logik zufolge durch zukünftige, verbesserte Treue bewältigt werden.
Etwas, das erwiesenermaßen nicht funktioniert hat, wird also unverzagt weiterhin als Maßstab für die Zukunft herangezogen - sowie als Heilmittel für die erlittene Verletzung.
Das kann funktionieren, zumindest für eine Weile, solange die Erhöhung des moralischen Drucks anhält und beim Betrügenden Reue und Erleichterung noch über seine heimlichen Sehnsüchte überwiegen. Manchen reichte vielleicht auch der eine Ausrutscher, um nicht mehr so anfällig für die Sehnsucht zu sein.
Im Zweifelsfall gilt es, die eigene Einstellung zur Beziehungsverantwortung zu überprüfen: Bleibe ich mit meinem Partner zusammen, obwohl er mich betrogen hat und es möglicherweise wieder tun wird, oder bin ich nicht bereit, dieses Risiko zu tragen? Bin ich bereit, mit meinem Partner vorwurfsfrei und offen über seine Motive zu sprechen, die zu seinem Fremdgehen geführt haben? Bin ich bereit, mich mit seinen Bedürfnissen ernsthaft und konstruktiv zu befassen - so wie ich von ihm erwarte, sich meiner Kränkung und meinem Schmerz zu stellen? Bin ich bereit, zugunsten unserer gemeinsamen Zukunft die Opferrolle aufzugeben und mich mit meinen eigenen Konkurrenz- und Verlustängsten auseinanderzusetzen?
Wenn man bereit ist, die eigenen Axiome zu überprüfen, individuelle Entwicklung des Partners und Veränderungen in der Beziehung zu akzeptieren, DANN kann man sich auf einen neuen Versuch einlassen. Auf Reue und Treueschwüre, die unter Druck und Verzweiflung gegeben wurden, würde ich nicht bauen.
Im Übrigen kann es einem auch beim nächsten Partner passieren, dass man betrogen wird. Das ist ein normales Beziehungsrisiko, dem man hundertprozentig nur durch Junggesellendasein entgehen kann.
Ach ja, bezüglich des Klischees die Männer im Titel. Männer und Frauen gehen gleichermaßen fremd, lügen gleichermaßen, leiden gleichermaßen am nicht funktionierenden Konzept ewiger Treue.