Ich bin Verlasserin und möchte auch mal meinen Senf dazugeben. Aber bitte keine bösen Kommentare dazu, Fragen gern.
Als Verlasser hat man sich schon längst von der Beziehung verabschiedet. Das ist ein schleichender Prozess und passiert nicht von jetzt auf gleich. Viele Kleinigkeiten, Verletzungen, Streits oder unbedachte Äußerungen lassen immer mehr ein Stückchen der Liebe absterben. Und der Mensch, den man meinte zu lieben entwickelt sich zu dem Menschen, mit dem Mann es kaum noch erträgt zusammen zu bleiben. Aber auch für mich war es nicht leicht das zu erkennen. Es gibt ja die gemeinsame Wohnung, gemeinsame Verpflichtungen, den Alltagstrott. Da bricht man nicht aktiv aus, sondern erst, wenn das Faß zum überlaufen kommt, man unglücklich ist und/oder wenn man sich von einem anderen Menschen wieder wertgeschätzt fühlt, wieder wahr genommen fühlt. Man spürt, dass man so nicht weiterleben kann.
Dieses Spüren lastet wie ein Druck auf einem. Man will eigentlich keine Zeit mehr mit dem Menschen an seiner Seite verbringen, man will sein Leben nicht mehr mit ihm teilen, man funktioniert nur noch, nimmt die Dinge hin wie sie sind und macht sich Gedanken, wie man aus dieser verfahrenen Situation herauskommt, weil es nicht mehr geht. Man erträgt kaum noch die Berührungen und die Liebesschwüre des anderen. Man macht aber auch in dieser Situation noch gute Miene zum bösen Spiel. Man hat selbst keine Lösung. Wie sage ich es dem anderen? Wie kann ich es tun, ohne ihm zu sehr weh zu tun? Man selbst weiß, dass es nicht funktioniert ohne Narben und Wut und Trauer zu hinterlassen? Und diese Situation wird unerträglicher, bis dann der Leidensdruck so groß ist, dass es heraus muss und man sich trennt.
Jetzt aber diesen Menschen zu sehen, wie er bettelt, weint und die Welt nicht mehr versteht überfordert den Verlasser, er ist ja noch mit sich selbst beschäftigt und kann den anderen nicht in seiner furchtbaren Lage auffangen. Man hat Angst, dass man, wenn man nett zu ihm ist, er sich Hoffnungen macht, dass er ständig den Kontakt sucht, obwohl man gerade jetzt vor diesem Menschen Ruhe haben will. Man will sein Leben neu gestalten, ohne ihn. Man will nicht mehr für ihn verantwortlich sein, nicht mit ihm zusammen sein. Man will sein Leiden nicht sehen. Man will nicht wissen, sehen oder spüren, dass er einen liebt. Deshalb ist man so gemein und kalt.
22.09.2015 14:33 •
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