Hallo zusammen,
bin in meiner Verzweiflung auf dieses Forum gestossen.
Vielleicht kann mir jemand von euch näher erläutern, wie sich Narzissmus oder eben auch narzisstische Tendenzen genau definieren. Ich habe gerade eine lange Beziehung hinter mir, habe mich hier in einigen Beiträgen wieder gefunden, habe mir im Internet einige Definitionen von Narzissmus angesehen und habe das Gefühl, dass davon vieles auf mich passt.
Ich möchte kurz von meiner letzten Beziehung berichten. Zu erst einmal möchte ich sagen, dass ich wohl so lange ich mich zurück erinnern kann, immer jemand war, der ein recht geringes Selbstbewußtsein hatte. Ich seh mittelmäßig aus, war in der Schule recht mittelmäßig, bin mittelmäßig durchs Studium gekommen und hatte immer mittelmäßigen Erfolg bei Frauen. Absoluter Durchschnittstyp. Kein Vollkatastrophe, aber garantiert auch nicht der Fang des Jahrhunderts. Über all dem steht allerdings ein felsenfester Schutzpanzer. Ich kann mich sehr gut verkaufen, Leute mögen mich wenn ich auf sie zugehe, ich bin sehr extrovertiert, kann Leute gut von meiner Meinung überzeugen, bin recht intelligent, habe eine sehr schnelle Auffassungsgabe, bin gut mit Worten und kann unendlich gut diskutieren etc.
Als ich mit meiner Ex-Freundin zusammenkam war ich gerade mal 18. Die Beziehung hielt 12 Jahre. In diesen 12 Jahren hat Sie sich Stück für Stück in ein Häufchen Elend verwandelt. Als ich Sie kennenlernte war Sie eine gutgelaunte Person, die allerdings nicht sehr selbstbewußt war und sich relativ leicht anderen anpasste. Zuerst viele gute Jahre gehabt, wie das nunmal so ist, dann allerdings geschah eine regelrechte Verwandlung, die sich nicht aufhalten liess.
Sie suchte immer viel Nähe - war diejenige die zusammen ziehen wollte, war diejenige die heiraten wollte, etc. - ich hingegen war derjenige der immer seine Freiheit wollte, der Feiern wollte, der was alleine machen wollte, der ins Ausland wollte, etc. pp.
Meinen Willen habe eigentlich immer nur ich bekommen. Ich ging ins Ausland und erwartete das Sie auf mich wartete, ich ging feiern während Sie zu Hause sass und so weiter und so fort.
In Ihr löste das eine totale Bedürftigkeit aus. Sie schaffte es einfach nicht mir Grenzen aufzuzeigen. Wenn Sie mir etwas sagen wollte, dann sagte ich ihr:Du möchtest reden? Gerne, bitte setz dich.
Was dann folgte, war ein Monolog meinerseits. Ich lieferte ihr Argumente dagegen, überzeugte Sie von meiner Meinung und am Ende sah Sie es ein und fühlte sich schuldig, dass Sie überhaupt gefragt hatte. Ich hingegen sah gar nicht was ich da anrichtete. Ich dachte mir: Wir haben darüber gesprochen, habe Sie schlüssig mit meinen Argumenten überzeugen können und jetzt ist Sie halt meiner Meinung. Das war doch sehr erwachsen und vernünftig.
Ich habe nicht gesehen, dass dort jemand gegenüber gesessen hat, der in einer schwächeren Position war. Dann schaukelte sich die Situation über die Jahre immer weiter auf. Sie suchte bei allem nur noch die Schuld bei sich. Sie sagte mir Dinge schon gar nicht mehr, da sie sowieso immer das Gefühl hatte zu verlieren. Ich hingegen machte ihr das zum Vorwurf und fragte sie warum Sie denn gar nicht mehr mit mir sprach. Sie solle das gefälligst ändern. Sie fühlte sich dadurch noch kleiner und hilfloser und zog sich immer mehr zurück. Ich erinnere mich noch, dass Sie mir igendwann mal sagte: Werde ich eigentlich jemals so sein, wie du mich haben willst?. Und ich sagte ihr:Das ist doch gar nicht so schwer. Sei doch einfach so wie du bist. Sei offen und ehrlich zu mir. Das Sie dass zu dem Zeitpunkt schon gar nicht mehr konnte, habe ich gar nicht erkannt. Sie hatte viel zu viel Angst etwas falsch zu machen. Sie überlegte zehnmal bevor Sie mir etwas sagte. Ihr Selbstbewußtsein war gänzlich verschwunden. Sie hatte nur noch schlechte Laune, ich riet Ihr sogar dazu mal dringend eine Therapie zu machen.
Je mehr Sie sich allerdings zurückzog, desto wütender wurde ich. Ich warf ihr Gefühlskälte vor und Distanz. Warum Sie denn bitte nicht mehr mit mir reden würde? Die einfache Antwort: Aus Angst etwas falsch zu machen. Aus Angst dass ich dann gehe, wie ich es so oft schon angedroht hatte. Aus Angst mich für immer zu verlieren.
Hört sich bis hierher erstmal furchtbar an, als wäre ich ein Monster.
Nun aber mal das Ganze aus meiner Sicht:
Ich fragte mich schon früh in der Beziehung, warum Sie nicht offen mit mir redete. Wenn jemand seine Gefühle nicht offen äußert, wenn jemand schweigt und sich nicht ausdrücken kann, auch das ist eine Form der Aggression in einer Beziehung. Es gab auch mir ein Gefühl von absoluter Wertlosigkeit. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich es nicht wert, dass man mit mir redet, dass man offen zu mir ist. Meine Reaktionen darauf waren sehr vielfältig: Ich wurde wütend, ich strafte Sie mit Missachtung, ich setzte Ihr Fristen bis wann Sie ihr Verhalten doch bitte ändern sollte, ich drohte ihr an Schluss zu machen. Alles Dinge die nur eins in Ihr auslösten: Verlustangst, unglaubliche Verlustangst. Ich machte damit alles schlimmer statt besser, doch ich tat es nicht mit Absicht. Ich hatte eigentlich sehr noble Absichten: Ich wollte dass alles endlich besser wird. Ich wollte dass wir wieder das glückliche Paar vom Anfang wurden. Ich liebte Sie nach wie vor über alles. Ich hätte ihr die Sterne vom Himmel geholt. Ich wollte doch nur ein wenig Offenheit und Selbstbewußtsein. Warum konnte Sie nicht einfach wieder sein wie früher. Aber der Teufelskreis hatte sich bereits zu weit zugezogen. Die Machtverhältnisse klafften zu weit auseinander. Sie konnte sich nicht mehr alleine daraus befreien. Sie konnte mir nicht mehr Paroli bieten. Jedoch alles was ich tat, war ein absoluter Schrei nach Liebe. Ich dachte mir: Sie muss doch merken dass mir etwas fehlt. Warum ändert Sie denn ihr Verhalten nicht einfach, obwohl ich Sie doch so sehr darum gebeten habe? Ich drohe doch sogar Schluss zu machen, wie kann Sie etwas so wichtiges aufs Spiel setzen? Warum schenkt Sie mir nicht die Liebe und Offenheit die ich gerne möchte? Ich bin doch auch immer offen zu ihr und sage ihr alles. Das was hier schon viele geschrieben haben: Er will nur Aufmerksamkeit, kann ich nur zu gut nachvollziehen. Auch ich wollte Aufmerksamkeit, Bestätigung, Liebesbeweise.
Was noch dazu kam: Ihr Verhalten löste in mir unglaubliche Bindungsangst aus. Ich wußte immer, dass ich irgendwann mal gerne heiraten möchte und Kinder kriegen möchte, aber ich war mir nicht sicher, ob Sie die richtige dafür war. Sie liebte mich über alles und auch ich liebte sie über alles, aber ich dachte mir irgendwann, diese ängstliche, blockierte und verschlossene Art wird mich für immer stören. Ich habe gar nicht gesehen, dass ich eigentlich der Auslöser dafür war. Und es gab auch in der Beziehung nichts mehr was ich hätte tun können, um ihr diese Angst zu nehmen. Versteht mich bitte nicht falsch: Ich bin eigentlich ein recht liebevoller Typ und ich habe es auch sehr oft mit gut zureden und Zeit lassen versucht. Ich habe auch kleine Veränderungen gelobt und habe ihr gesagt, dass Sie sich toll entwickelt hat, obwohl ich es ehrlich gar nicht gesehen habe, aber es war einfach zu spät. Die Angst etwas falsch zu machen sass zu tief und zu fest.
Meine Beziehung hat übrigens folgendermaßen geendet: Ich bin ausgezogen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Ihre schlechte Laune und Ihre mangelnde Bereitschaft zur Veränderung. Ich sagte ihr, dass ich die Beziehung nicht beenden möchte, aber dringend Abstand brauche. In dieser Zeit ist mir bewußt geworden was ich angerichtet habe. Ich habe mich in den Boden geschämt. Ich konnte aus einer gewissen Distanz auf die Beziehung sehen und bin regelrecht vor mir erschrocken. Sie hingegen entdeckte sich selbst wieder. Merkte, dass Sie gar nicht so wertlos ist wie Sie dachte. Fing an zu lachen und zu leben.
Als wir uns wiedertraffen nahm ich Sie in den Arm und entschuldigte mich. Ich sagte ihr, dass es mir so Leid tut wie ich mich verhalten habe und dass ich verstanden habe, dass ich ganz stark an mir arbeiten möchte. Was soll ich sagen: Es war zu spät. Sie hatte sich bereits von mir gelöst und sagte mir, dass Sie zu große Angst hätte, dass alles so wird wie früher.
Ich war am Boden. Habe gebettelt dass Sie mich zurücknimmt, sagte ihr, dass ich nun endlich alles verstanden hätte, fing eine Therapie an, um ihr zu zeigen wie ernst ich es meinte. Keine Chance. Ich sah Sie nach 12 langen Jahren nur noch einmal wieder. Sie hatte ein Strahlen im Gesicht, wie ich es seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich nicht wollte, dass sie dieses Strahlen je wieder verliert. Seit dem habe ich mich von ihr ferngehalten. Kein Bitten und kein Betteln mehr. Ich habe alles was ich getan habe, eigentlich immer nur getan, um unsere Beziehung voran zu bringen, aber vieles davon war sehr schädlich. Verstanden habe ich es allerdings erst als es zu spät war.
Sie möchte keinen Kontakt mehr zu mir. Sie nicht mehr anzurufen ist wie Dro.. Es ist kaum auszuhalten.
Jetzt wo ich allerdings mit etwas Abstand auf die Beziehung schauen kann, merke ich, dass ich dort vielleicht etwas ganz, ganz schlimmes angerichtet habe. Allerdings immer nur mit besten Absichten. Ich bin nie fremdgegangen oder hatte irgendwo eine zweite Familie sitzen oder solch schlimme Dinge, aber ich glaube trotzdem, dass jemand sehr unter mir gelitten hat und sich eventuell viel zu lange nicht daraus befreien konnte. Ich wünschte nur Sie hätte mit mir geredet.
Vielleicht kann mir jemand etwas dazu sagen, ob ihr euch irgendwie darin wiederfindet. Und vielleicht hat auch jemand einen Tipp an wen man sich wenden kann. Ich möchte unter keinen Umständen, dass so etwas nochmal passiert.
09.11.2012 14:32 •
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