Sannamaus, du machst das sicher gut, niemand macht alles richtig, was wären wir denn dann? Ausprobieren ist immer besser als nichts tun, nur dann findet man und kommt weiter.
Mit der Psychologin kann ich dich verstehen, das verläuft sicher für jeden anders, es hängt von so vielem ab. Ich will dir mal von mir berichten. Vielleicht kannst du was damit anfangen.
Ich habe, begonnen Ende 2009, eine Therapie gemacht, mehr als zweieinhalb Jahre lang, und seitdem gehe ich immer noch ein Mal im Monat hin. Bis heute. Der Antrieb war mein Exfreund, der meine Defizite in Beziehungssachen bemängelt hatte, die er selbst noch viel mehr hatte, geschickt verborgen, denn er war ja der, der alles wusste, was zu einer wirklichen Beziehung gehört, ich war der Teil, der nix auf die Reihe gekriegt hat - heute weiss ich, das ich nur sein Spiegel war. Egal, zudem hatte ich ihn direkt nach dem Ende meiner langjährigen, distanzreichen Ehe kennengelernt, ich wusste sehr wohl, dass ich nicht geben konnte, was ich diesmal geben wollte. Warum ich nicht konnte, wusste ich nicht, und wie ich dahin komme auch nicht. In der ersten Stunde habe ich meiner Therapeutin gesagt, sie solle mir nicht mit meinen Eltern und der Kindheit anfangen, meine Eltern seien lange tot und ich im Reinen mit allem. Zudem hätte das eh nix mit meinen Problemen zu tun, ich hielt das genau wie du es ansprichst für ein ziemlich blödes Klischee. Also gut, sie hat sich dran gehalten, ich bin hin, immer wieder, das Thema war Tabu - und nach mehr als einem Jahr war ich genau da gelandet - bei meiner Kindheit.
Ich fasse es nicht, hab ich erst mal gedacht, noch rumgebockt innerlich, nach und nach hab ich erst begriffen, was für eine Auswirkung so manches bei mir hatte. Ich sage bei mir, denn es kommt ohnehin darauf an, auf welche Persönlichkeit Geschehnisse treffen, Verhaltensweisen anderer. Deshalb will ich nicht sagen -obwohl einiges echt schlimm schief gelaufen war- , meine Eltern seien an diesem und jenem schuld, aber jeder wird geprägt durch Familienkonstellationen, Ereignisse, Erfahrungen. Und im Laufe der Zeit konnte ich mit einigem was anfangen, konnte Knoten lösen, Zusammenhänge erkennen. Mich befreien. Mich selbst erst mal sehen. Es war jedenfalls für mich unumgänglich, mich damit auseinanderzusetzen. Und ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Es war nicht leicht, oftmals schmerzhaft, und das Gedankenknäuel hatte ich auch eine ganze Zeit lang im Kopf. Ich würde sagen, es war harte Arbeit, die sich für mich gelohnt hat. Zudem hat mich meine Psychologin die ganze Zeit über begleitet bei allem was geschehen ist, innen und aussen bei mir. Und das war in beiden Bereichen turbulent, sag ich dir. Genau genommen hat diese Therapie mich erst mal beziehungsmäßig an den Boden gebracht, was an der Konstellation mit meinem praxisunfähigen Exfreund lag. Hart, echt schlimm. Ich habe das erste Mal in meinem Leben einem Mann völlig vertraut, alles gegeben. Wirklich alles. Und bin damit formvollendet auf die Nase gefallen. Aber ich habe es geschafft, wieder aufzustehen - nicht leicht war das, aber ich habe meinen Seelenfrieden, mein Leben ist aufgewertet. Ich bin froh für alles, was mich jetzt freier macht, mein Leben leichter und glücklicher. Ohne die Therapie hätte ich das nicht erreicht. Leider ist mein größter Wunsch von damals nicht in Erfüllung gegangen, aber ich habe für mich so viel wertvolles gewonnen.
Also weiss man eben nicht, wie eine Therapie verläuft, was sie bringt, so wie man im Leben nicht weiss, was als nächstes passiert. Meine Erfahrung ist im nachhinein positiv, zwischendrin habe ich das bisweilen anders gesehen, gedacht, es war ein Fehler, mich da hineinzubegeben. Ich habe weitergemacht, und es hat sich schliesslich gelohnt. Der größte Fehler ist es manchmal, nichts zu tun.
22.03.2014 21:10 •
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