Hallo zusammen,
es ist noch nicht allzu lange her das ich mich hier aus dem Forum verabschiedet habe.
Ich war zuletzt nur noch als Ratgeberin und Hau drauf tätig nachdem ich die Monate zuvor meine eigene Baustelle wieder gebacken bekam. Aber jetzt ziehen wieder dunkle Wolken auf und ich möchte ein paar neutrale Meinungen dazu haben.
Kurze Rückblende. Ziemlich genau vor einem Jahr hatte mein Partner extreme Probleme eine geschäftliche Entscheidung von mir zu akzeptieren. Ich bin in der Senioren Branche selbständig und hielt es für notwendig mit meiner Firma umzuziehen, an einen anderen Standort. Nichts wildes, einfach nur eine räumliche Veränderung innerhalb eines Radius von 5 km. Er wollte das einfach nicht verstehen und die Streitereien nahmen ihren Lauf. Das ging so weit, nach ewigem Geschreie oder Schweigen, nach vielen Tränen, das ich für kurze Zeit auszog und eine Beziehungspause wollte. Wir haben uns wieder zusammen gerauft, soweit der gute Teil, aber irgendwas fängt wieder an zu brodeln.
Es steht eine weitere Neuausrichtung ins Haus. Durch diverse Umstände besteht die Gefahr, dass mein einziger Lieferant mir künftig qualitativ und quantitativ minderwertige Ware liefert oder den Betrieb wohlmöglich ganz einstellt. D.h., ohne Lieferant keine weitere Geschäftsaktivität, ich kann meinen Laden zu machen.
Was mir schon länger im Magen liegt: Ich bin so was von diesem Betrieb abhängig, ich möchte das nicht mehr sein. Dieser Laden hat die Macht über meine Existenz. Das kann es ja nicht sein. Oder? Deshalb habe ich beschlossen mich nach Alternativen umzusehen, was ich meinem Partner auch so erzählt habe.
Ich hatte jetzt ein erstes, rein informatives Gespräch mit einem anderen Lieferanten. Unser beider Geschäftsmodelle und Standards passen auf den ersten Blick nicht wirklich zusammen, aber wo ein Wille ist wäre auch ein Weg. Und würde ich mit diesem Betrieb zusammen arbeiten, wäre ich in meinen Entscheidungen völlig frei, hätte aber im Vorfeld höhere Investitionen und eine komplette Umstrukturierung zu bewältigen. Es stehen aber noch Gespräche mit zwei anderen Lieferanten an, die vom System her gleich wie mein jetziger arbeiten, ich hätte kleinere Umstrukturierungen, keine Investitionen, aber dafür einen längeren Fahrweg, täglich, um an mein Produkt zu kommen. Was dazu führen würde das ich die Aufgabengebiete meines Personals umgestalten müsste um nicht selbst 365 Tage im Jahr anwesend sein zu müssen.
Diese Punkte habe ich jetzt mal soweit ausgelotet, aber wie gesagt, alles rein informativ und vorsorglich. Vielleicht bleibt mit dem jetzigen Lieferanten alles wie gehabt, vielleicht gibt es aber auch so drastische Entwicklungen das ich so keine weitere Zusammenarbeit mehr sehe. Ich will nicht mehr die Augen verschließen und das beste hoffen, sondern ich will vorbereitet sein um im schlechtesten Falle einen neuen Weg einschlagen zu können.
Nun zu meinem Partner. Er bezeichnet mich als hysterisch (bin ich aber nicht, ich kann gut schlafen und bin nicht von Sorgen zerfressen). Und ich würde u.U. einen Weg einschlagen den ich gar nie gehen wollte. Und die Kosten, und die Umstrukturierungen, und ich müsste eine neue weitere räumliche Lösung angehen. Ich soll mal abwarten. Bis zum Punkt abwarten akzeptiere ich seine Meinung. Mit meinen Argumenten bin ich bei ihm aber gegen eine Wand gelaufen. Die Diskussion verlief dann ungefähr wieder so wie vor gut einem Jahr. Er war beleidigt, unterstellte mir seine Meinung würde mich nicht interessieren und wenn ich nicht auf ihn hören will brauche ich ihm auch nichts mehr dazu erzählen. Wenn sein Rat und seine Sicht der Dinge mich nicht interessiert ... . Ich habe ihm geantwortet, dass ich ihm gut zugehört habe und wir bei den Negativpunkten ja nah beieinander sind, aber im Endeffekt werde ich alleine die Entscheidungen treffen müssen, da kann er mir nicht helfen weil er in meiner Branche genau so wenig Zuhause ist wie ich in seiner. Und selbst wenn ich jahrelang gesagt habe mit dem Produkt der einen Firma kann ich mich nicht identifizieren heißt das nicht, dass ich mich grundsätzlich nicht damit befassen werde. Ich bin damit gar nicht vertraut und hatte all die Jahre einfach nur Vorurteile. Nur wenn ich es selbst teste und mir deren System vertraut mache, kann ich mitreden. Und nur weil ich es mir mal anschaue und teste, heißt das noch lange nicht das ich mich dafür entscheide.
Der Abend gestern war aber nicht mehr zu retten. Er hat geschmollt, geschwiegen, sich trotzig vor die Glotze gesetzt und hat sich später dann ziemlich wortkarg ins Bett verabschiedet. Heute morgen war die Stimmung nicht besser. Genau diese Verhaltensweisen hatten wir alles schon mal und sind sehenden Auges ins offene Messer gerannt.
Die 2. Veränderung. Ich habe seit letzten Sommer schön abgenommen mit regelmäßigem Training und Ernährungsumstellung. Seit einiger Zeit passen mir wieder alte Klamotten und ich freue mich darüber wieder attraktiver und fitter zu sein. Ich kleide mich etwas anders, auch wieder figurbetont.
Seit eh und je versicherte er mir er würde mich auch mit meinen Mehrkilos lieben, wegen ihm bräuchte ich nicht abnehmen. Ich sagte immer: das ist ja lieb, aber 1. waren meine Blutwerte nicht mehr so prickelnd, 2. komme ich damit nicht mehr klar. Ich muss mich mögen und das tue ich nicht mehr. Ich fühle mich nicht wohl. Er reagierte immer beleidigt, dass mich seine Sicht über mich nicht interessiert, dass sie für mich keinerlei Bedeutung hat. Er ist übrigens ebenfalls sehr übergewichtig und hat keinerlei Ambitionen daran etwas zu ändern. Je mehr ich mich umstelle, desto mehr Süßes frisst er provokativ vor meinen Augen. Aber es stört mich nicht, er fühlt sich wohl so wie er ist, was ich ihm aber nicht wirklich glaube. Aber das ist sein Ding, er ist für sich, seinen Körper, sein Ego, sein Wohlgefühl selbst verantwortlich. Ich kann mit ihm den gesünderen Weg gehen, aber ich gehe auch den ungesünderen mit ihm.
Jetzt kam es schon ein paar Mal vor, dass er mich misstrauisch fragte warum ich unter der Woche so gut angezogen bin. Man könnte glauben ich habe einen Lover (dazu gleich noch mehr). Und es passierte jetzt doch tatsächlich das er bezweifelte ob ich wirklich trainieren war. Ich würde nicht frisch geduscht riechen. Wie bitte? Schnippisch fragte ich ihn ob er einen Anwesenheitsnachweis vom Fitnesscenter haben möchte. Sagt er doch allen Ernstes nein, das brauchst Du nicht zu bringen. Da bin ich aber explodiert und habe zu ihm gesagt: ach, das ist aber großzügig von dir, ich brauche keinen zu bringen, hast du eigentlich noch alle Tassen im Schrank?
Zur Unterstellung anderer Lover. Es gab nie einen und es gibt auch jetzt keinen. Er hat mir schon 2 mal auf dem Weg zu meiner Firma nachgeschnüffelt. 1 x mal bin ich einen kleinen Umweg gefahren zur Post.
1 x habe ich kurzfristigst beschlossen, keinen Dienstwagen im Betrieb zu holen sondern mit meinem Privatwagen zum Kundentermin zu fahren. Beides Male stand er heulend auf dem Betriebsgelände, wartend in seinem Auto und fragte mich wo ich gewesen sei, ob ich einen anderen Typen hätte. Beim ersten Mal war ich noch sprachlos über diese Unterstellung und über seine Sorgen, seine Unsicherheit. Ich erklärte ihm wo ich war und warum. Beim 2. Mal explodierte ich schon wieder.
Ich erklärte ihm jetzt auch mal klipp und klar das ich diese Verdächtigungen als kränkend empfinde, das er immer kranker im Kopf wird und wenn er das nicht in den Griff kriegt muss er zum Psychologen.
Früher dachte ich immer mich rechtfertigen und erklären zu müssen um ihm seine Ängste zu nehmen. Diese waren immer unbegründet, aber ich wollte ihm die Sicherheit geben. Ich habe weder die Zeit noch das Interesse an einer Affäre. Ich bin gerne mit ihm zusammen und ich liebe unser Privatleben. Aber als eigene Chefin läuft halt nicht immer alles nach Plan. Und ich habe keinen 9 bis 5 Job so wie er, und ich habe auch nicht immer Feierabend selbst wenn es die Uhr sagt. Aber das sollte er doch jetzt nach 15 Jahren auch mal wissen. Selbst als er im Handy, im Laptop, in meinen Unterlagen schnüffelte, war ich zwar entsetzt und zu tiefst gekränkt, aber ich habe es verziehen und abgehakt. Ich schaue nicht zurück, ich schaue immer nach vorne.
Meine Therapeutin erklärte mir mal, dass es Menschen gibt die sich sehr schwer mit Veränderungen tun. Sie empfinden sie als Bedrohung und rütteln an ihren Wertvorstellungen und ihrem Plan von Leben. Für sie ist es nicht denkbar, dass Dinge sich ändern können oder sogar müssen. Änderungen sehen sie eben nicht als Fortschritt und Beweglichkeit, sondern sie holen sie aus ihrer Komfortzone, aus ihrer heilen Welt. Sie können nicht verstehen das andere Menschen anders ticken und auch mal einen harten Schnitt, einen Sprung ins kalte Wasser machen müssen oder wollen. Und was tut ein Mensch, der seine Sichtweise nicht ändern will, Veränderungen als Bedrohung empfindet? Er schlägt um sich aus Angst darüber das sein eigener Mikrokosmos ins wanken geraten könnte.
Ich habe aber nicht noch mal die Kraft ihn zu bewegen das er sich öffnet, mir zuhört, andere Meinungen akzeptiert, und Dinge betrachtet ohne sie zu bewerten. Und ich habe auch nicht noch mal die Kraft diese Kämpfe zu führen, den Streit und die Tränen, das Geschrei und das Schweigen zu ertragen und dagegen anzukämpfen. Das macht mir selbst Angst. Die Tatsache, dass ich jetzt in diesem Anfangsstadium schon weiß, es wird keinen neuen Kriegsschauplatz und keine weitere Versöhnung geben. Diese Mal wäre ich eiskalt in der Lage mich zu trennen und meinen Weg ohne ihn gehen. Ich kann mich nicht um meine Existenz bemühen und gleichzeitig mich noch um seine Probleme kümmern, ihn besänftigen und ihm seine unbegründeten Ängste nehmen. Das ist zu viel verlangt.
Eure Meinung bitte. Und danke fürs lesen des Romans.
Tingeltangel
20.02.2015 09:39 •
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