Ich wage mal eine etwas objektivere und pragmatischere Sichtweise, auch wenn ich immer noch an die eine Liebe glaube.
Ist die Ehe nicht ein völlig absurdes Konzept? Jeder befrage sich einmal selbst, ob er die dauernde Präsenz eines Menschen, egal ob Geliebte/Geliebter oder Freundin/Freund wirklich aushalten kann. Ich bin mir mittlerweile gar nicht mehr sicher, ob der Mensch dafür gemacht worden ist. Objektiv betrachtet, gehen sich Menschen auf den Sack, wenn sie zu lange zusammen sind. Das passiert selbst bei Freunden, die man als beste Freunde bezeichnen kann. Es gibt in solchen Beziehungen immer Momente, in denen die beiden eine Pause voneinander brauchen. Manchmal auch für Monate oder gar Jahre.
Warum soll genau das bei zwei Menschen anders sein, die durch Liebe verbunden sind? Verlieren sie damit automatisch ihren Drang nach Distanz? Kann das, was wir Liebe nennen wirklich so stark sein? Ich bin da etwas skeptisch.
Bei vielen fangen ja die Probleme just zu dem Moment an, an dem sie zusammenziehen. Schon geht das Kritteln los und es kommt zu Streitereien über alle möglichen Dinge. Schlaue Bücher wittern da eine pathologische Angst vor Nähe oder sogar eine Unfähigkeit, eine solche zuzulassen. Ist dem wirklich so? Oder gehört es, wie oben schon beschrieben, zum Menschsein, dass dauerhafte Nähe und Verantwortung zwangsläufig zum Drang nach Distanz führt, der sich in irgendeiner Weise äußern muss? Das Geheimnis einer guten Ehe sind getrennte Betten, hat mal jemand gesagt. Vielleicht ist das was dran. Mir gefällt das LAT (Living Apart Together)-Konzept zumindest sehr gut.
Zudem ist das Versprechen für immer doch etwas utopisch. Was soll das eigentlich sein? Kann man sich wirklich Gefühle (so wir davon ausgehen, die Liebe sei ein Gefühl) versprechen?
Die Ehe, und vielleicht sogar Beziehungen an sich, ist doch eine völlig überlastete Idee von ewigem Glück, beladen mit lauter Vorgaben, die aus Literatur und Film stammen und mit der Realität nicht viel gemein haben. Rote Rosen, Geschenke, Himmel voller Geigen, ewige ero. Anziehung usw.
Was hat das alles noch mit Liebe zu tun? Es ist ein Forderungskatalog voller Kitsch und utilitaristischer, materialistischer Erwägungen. Freiheit? Fehlanzeige! Liebe wird zur Arbeit am anderen und irgendwann zum (aussichtslosen) Kampf; zum Zwang.
Ich denke, die Ehe wird auf kurz oder lang aussterben, weil sie heute nicht mehr gebraucht wird, auch wenn uns die Politik mit ihren Steuervergünstigungen etwas anderes vormachen will oder die Kirche daran festhält.
Ich finde, die Ehe ist etwas für ältere oder reife Menschen, die in gewisser Weise am Ende einer Entwicklung stehen und wirklich eigenständig und tatsächlich unabhängig sind.
In der arte-Mediathek steht zur Zeit eine Folge der Reihe Philosophie, die sich mit dem Thema Liebe und am Rande auch mit dem Thema Ehe befasst. Da wurde heute Montaigne zitiert, der so oder so ähnlich gesagt hat: Heirate niemals den Menschen den Du liebst! Es ist wie in einen Hut zu sche*ßen und ihn sich dann aufzusetzen.
Man darf nicht vergessen, dass die Liebesheirat ein vergleichsweise junges Ideal ist. Früher wurde aus rein pragmatischen Gründen geheiratet. Was einen verband, war die materielle Absicherung. Also begab man sich mit der Ehe in eine Art Abhängigkeit, die tatsächlich essenziell war und deshalb wahrscheinlich auch halten musste, egal wie sich der Ehemann oder die Ehefrau benahm. Irgendwie keine schöne Vorstellung.
So, das vielleicht als kleinen, wenn auch pessimistisch klingenden, Anstoß zum Nachdenken.
12.10.2014 18:31 •
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