Meine Mutter ist über viele Jahre der Kinder wegen geblieben. Als sie mir kurz nach meinem 18 Geburtstag eröffnet hat, dass sie die Scheidung einreichen will, war mein erstes, sponates Gefühl Erleichterung: Endlich.
Endlich hat diese Farce von Familienleben, diese lieblose Zweckgemeinschaft ein Ende. Endlich gibt mal einer zu, dass hinter der scheinbar heilen Fassade diese Ehe schon lange tot war.
Und nein, es gab keine Gewalt in unserer Familie, nicht mal häufigen Streit... nichts so Offensichtliches... Es war einfach nur ein kaltes, gleichgültiges nebeneinander her leben. Und doch hat es bei uns allen schmerzhafte Narben hinterlassen.
Dieser ganze Frust, das ganze Unglück, das sich da bei meiner Mutter über die Jahre aufgestaut hatte, hat sich dann in einem erbitterten und gnadenlosen Scheidungskrieg entladen, der meinen Vater finanziell ruiniert und den er bis heute, fast 20 Jahre später, noch nicht verwunden hat.
Natürlich kann man rückblickend immer nur spekulieren, was gewesen wäre wenn... Wenn meine Mutter diesen Schritt schon 8 oder 5 Jahre früher gewagt hätte, zu einem Zeitpunkt, wo sie für meinen Vater - wenn auch keine Liebe mehr - so zumindest noch einen Rest von Zuneigung hatte. Wie die Trennung und unser weiteres Leben dann abgelaufen wären. Ich weiß nicht, ob die Kollateralschäden da geringer gewesen wären. Aber ich glaube nicht, dass sie
schlimmer gewesen wären.
Ich werd nie vergessen wie ich mal mit 14 bei einer Freundin übernachtet habe. Wir waren schon ins Bett gegangen, aber ich musste noch mal raus ins Bad. Auf dem Weg dahin bin ich an der offenen Küchentür vorbeigekommen und sah da ihre Eltern am Tisch sitzen, händchenhaltend wie ein jung verliebtes Paar. Die haben so eine innige Vertrautheit, so ein stilles Glück ausgestrahlt. Das hat so verdammt weh getan, weil ich sowas bei meinen Eltern noch nie erlebt hatte. Ich hab losgeheult und mich stundenlang nicht mehr beruhigen können.
Klar - hätten sich meine Eltern eher getrennt hätte ich sowas genau so wenig erlebt bei ihnen. Aber das Zusammenbleiben hat es eben auch nicht
besser gemacht.
Mein Fazit: Die beste Konstellation für Kinder sind Eltern, die eine liebevolle und gute Ehe bzw. Lebensgemeinschaft führen. Die zweitbeste Konstellation sind Eltern, die trotz Krisen und schwindender Liebe weiterhin freundschaftlich, oder zumindest respektvoll und rücksichtsvoll miteinander umgehen - egal ob sie sich zum Zusammenbleiben entschließen, oder getrennte Wege gehen. Leiden werden die Kinder immer dann, wenn der Umgang zwischen den Eltern verletzend ist - egal ob sie noch unter einem Dach zusammenleben oder nicht.
Entscheidend für das Glück der Kinder ist also gar nicht so sehr, ob die Eltern ein Paar bleiben oder nicht, sondern wie sie sich und die Kinder dabei behandeln.