@Valen
Um noch konkret zu Dir bzw. Deiner Argumentation etwas zu sagen:
Was, meinst Du, würde der Mann der TE denn mit dieser vermorschten Uraltwahrheit aus einem anderen Leben anfangen können?
Offenbar meinst Du, er wäre dann nicht mehr gezwungen, in seiner Traumwelt zu leben, und könne selber entscheiden, wie er damit umgeht.
Wenn jemand ernsthaft glaubt, es könne ihm nie passieren, betrogen zu werden oder unter Umständen sogar selber zu betrügen, dann lebt er ohnehin in einer Traumwelt. In dem Sinne würde es den Mann der TE kaum weiterbringen. Wer ausschließen will, betrogen zu werden, dem kann man ohnedies nur empfehlen, erst gar keine Beziehung einzugehen. Dann ist er auf der sicheren Seite - ebenso wie seine potentiellen Partner.
Was mich noch interessieren würde, ist, was ein Wahrheitsfanatiker und -dogmatiker wie Du zu folgendem (wahren) Fall sagt:
Eine alte Frau, über 80, die vor mehr als zehn Jahren Brustkrebs hatte, seit einigen Jahren Knochenmetastasen hat, die behandelt werden, von denen sie aber dennoch nichts weiß, weil sie die Befunde selber nicht versteht und die Ärzte auch nichts sagen. Abgesehen von dieser Wahrheit, die sie nicht kennt, geht es ihr gut, sie ist vital, hat noch Freude am Leben, macht noch alles selber usw. Auch ist nicht abzusehen, wie lange sie mit diesen Metastasen noch leben wird, vielleicht ein Jahr, vielleicht fünf, vielleicht zehn.
Was würdest Du dieser Frau, sagen wir, es sei Deine Mutter, sagen (Du kennst die Wahrheit)? Würdest Du ihr die Wahrheit sagen, auch wenn dies bedeuten würde, daß das alle Lebensfreude mit einem Schlag zunichte machen würde und auch die Überlebenszeit aufgrund der psychischen Belastung drastisch verkürzt werden könnte? Oder würdest Du sie in ihrer durchaus nicht unglücklichenTraumwelt weiterleben lassen und die Schmach, ein Lügner zu sein, auf Dich nehmen?
(Du kannst durchaus ehrlich antworten - ich traue Dir jede Grausamkeit, Dummheit, Rücksichtlosigkeit und Untat im Dienste der höheren (imperativistischen) Werte schon von vornherein zu.)
Bei der Wahrheit kommt es durchaus nicht immer darauf an, was sie ist, sondern was sie verursacht, was sie anrichtet. Niemand hat etwas von einer Wahrheit, an der er zugrunde geht.
Die Wahrheit um ihrer selbst willen als einen Wert zu sehen, ist schlichtweg falsch (um nichts Schlimmeres zu sagen).
Lügen (oder Verheimlichen, was bei Dir offenbar auf dasselbe hinausläuft) ist eine ganz bedeutende soziale Kompetenz, ohne welcher ein soziales Miteinander nicht einmal denkbar wäre, ebenso wie die Fähigkeit zu wissen, zu spüren, wann es vertretbar, sinnvoll, zumutbar, angebracht ist, die Wahrheit zu sagen und wann nicht.
Eine Wahrheit, die zum Selbstläufer, um nicht zu sagen zum Selbstamokläufer wird, kann nichts Gutes sein, auch wenn sie einen so hehren Namen hat.
Aber womöglich hast Du zu viel Kant gelesen und hast Dich, so wie dieser, deshalb in diesen grotesken Wahrheitsfanatismus verrannt, der bereits bei Kant vollkommen lächerlich daherkommt wie ein Lump auf höchstem Roß und nicht von wenigen schon seinerzeit verlacht und ad absurdum geführt worden ist.
Anstelle dieses schmiedeeisernen deutschen Tugendmaßes, dem scheinbar keine Grenzen gesetzt sind, könnte man es ja auch mit den Isländern halten, die die Einstellung haben: Es kommt nicht darauf an, was wahr ist, sondern darauf, was schön ist. Damit wird es sich, nehme ich an, wesentlich besser leben lassen. Und darauf könnte es im Leben letztlich vielleicht ankommen.
Und was mich abschließend noch interessieren würde, so am Rande (ich erwarte mir in diesem Fall aber nicht einmal eine ehrliche Antwort): Du bist ja offensichtlich die Ehrlichkeit in Person. Und dennoch wird es mutmaßlich niemand mit Dir aushalten können (in einer Beziehung) - oder? Woran das wohl liegen mag? Sicher an diesen verlogenen und betrügenden anderen, die es ja immer sind, weil man es selber ja auf gar keinen Fall sein kann. Oder gar am Karma?
31.08.2016 03:49 •
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