Teil 3, die Betrogene
Was mir nie wirklich klar war, dass mein Mann ein sehr geringes Selbstbewusstsein hat. Für mich war er immer mein Held. In der Öffentlichkeit wirkt er immer sehr selbstbewusst. Und auch zuhause hat er seine Zweifel hinter seinem bestimmenden Auftreten versteckt. Ich habe immer versucht ihn zu stärken, er sagt ich habe ihn nur im aussen bestärkt, nach innen hätte ich ihn klein gemacht. Dabei habe ich immer nur erwachsen mit ihm kommunizieren wollen.
Zeitweise hat er ausswärts gearbeitet, war nur am Wochenende da. Ich habe unseren Sohn jahrelang alleine grossgezogen. Wir beide hatten gehofft, dass etwas Abstand uns gut tun würde. Aber irgendwie hat sich die Streiterei dann aufs Wochenende konzentriert. Dann wieder ein Job am Heimatort, alles schien gut. Es hat uns gut getan uns wieder täglich zu sehen, es gab wieder ein Familienleben. Im letzen Jahr wurde es richtig schlimm. Streitereien vor unserem Sohn, inzwischen 12 Jahre alt. Natürlich bezog der Junior alles auf sich, meinte, lieber würde er ins Internat gehen, als dass wir uns trennen.
Immer wieder wollte mal der eine, mal der andere alles hinwerfen und gehen. Ich habe immer gesagt, wenn Du morgen früh noch gehen willst, dann geh, im Streit abhauen gilt nicht. Der Kleine hat oft mitbekommen, daß einer von uns beiden gehen wollte. Irgendwann war ich soweit, dass ich schon wegen unseres Sohnes gehen müsste. Ich wollte einfach mit ihm zur Ruhe kommen. Und es ging bei den Streitereien eigentlich immer nur darum, dass ich der Meinung bin, dass man zwar wütend sein kann, dass man sich aber auch zusammen reisen kann. Und nicht immer laut werden muss. So, wie er es auch am Arbeitsplatz ganz wunderbar kann. Ich habe ihn oft gefragt, ob er mit seinem Chef oder einer Mitarbeiterin auch so redet wie mit mir. Ich wollte nur den gleichen Respekt von ihm, wie jeder andere auch.
Dann hat er den Job gewechselt, bzw. sich selbständig gemacht. Und plötzlich kam Bewegung rein. Nach 20 Jahren kam ich endlich zu ihm durch. Endlich hat er begriffen, daß es kindliche Anteile sind, die so sauer auf mich reagieren. Endlich haben wir als Erwachsene mit einander gesprochen. Wir haben angefangen wirklich an uns und unserer Beziehung zu arbeiten. Es wurde deutlich, so geht es nicht weiter, entweder wir bekommen das Ruder gedreht, oder wir gehen auseinander. Es war deutlich, dass auch die Trennung zur Option stand, aber es wäre richtig gewesen. Leider habe ich in dieser Zeit vier von fünf Wochenenden durch arbeiten müssen, so daß wir weniger reden konnten, als gut gewesen wäre.
Im Zuge der Gespräche hatte ich ihm angeboten, dass er ja sich auch mal ein Wochenende für sich nehmen könne. Das hat er dann auch, direkt mein erstes freies Wochenende hat er für sich reserviert. Am Freitag gleich nach der Arbeit los. Kein Telefonat, kein gute Nacht. Am Samstag morgens dann eine SMS. Ich komme nach hause, wir haben viel zu reden. Im Laufe des Tages kam er dann, ich war froh ihn zu sehen.
Abends im Bett hat er es mir dann gestanden. Er war bei seiner Assistentin aus der alten Firma. Seit etwa vier Wochen hat sich da was angebahnt, und am Freitag war es dann soweit. Er ist zu ihr gefahren und sie sind zusammen ins Bett. Schon dabei wurde ihm klar, dass es irgendwie gehörig falsch läuft. Sein kleiner Freund wollte nämlich nicht mit spielen. Als er es mir erzählte bin ich in eine Schockstarre gefallen und war total cool und entspannt. So im Sinne von Hauptsache Du bist wieder hier und wir werden daran arbeiten, vielleicht hat es ja was gutes. Keine Vorwürfe, keine Tränen. Totstellreflex. Er ist dann eingeschlafen. Und dann ging es los bei mir. Ich bin dann raus aus dem Bett und habe angefangen auf zu schreiben was in mir vorging. Irgendwann saß ich dann unter der Dusche, einfach um mich selbst zu spüren, und endlich kamen die Tränen. Mein Schluchzen hat dann meinen Mann geweckt. Er kam zu mir.
Er hat all meinen Schmerz quasi direkt in die Fresse bekommen. Er hat es ausgehalten. Er hat die Verantwortung dafür getragen und tut es immer noch. Er bereut, sehr tief und sehr ehrlich.
Es ist jetzt einen Monat her. Die Freitage sind am schlimmsten. Aber wir reden. Er hat mir alles erzählt. Das tat teilweise richtig fies weh. Wir kommen den Ursachen näher. Unsere Art mit einander um zu gehen hat sich verändert. Respektvoller. Es ist noch ein langer, steiniger Weg. Ich weiss nicht wo er hinführt. Ob ich wieder vertrauen fassen kann.
Jetzt muss ich mich grad um mein fiebriges Kind kümmern.