Von Calvin Coolidge, 1923-29 Präsident der USA, ist folgende Anekdote überliefert: Bei der Besichtigung einer Hühnerfarm erblickte seine Gattin einen Hahn, der gerade ein Huhn trat. Wie oft der Hahn täglich seiner Pflicht nachkomme, fragte sie den Angestellten. Mehrere Dutzend Mal am Tag, lautete die Antwort. Erzählen Sie das bitte auch dem Präsidenten, bat sie.
Als Coolidge wenig später den Hahn bei seinem Tun beobachtete, erzählte der Angestellte, worum ihn die Präsidentengattin gebeten hatte. Immer mit derselben Henne? fragte der Präsident. Oh nein, immer eine andere, entgegnete der Angestellte. Erzählen Sie das bitte auch meiner Gattin entgegnete der Präsident.
Eine Fremde für eine Nacht erobern ist für die meisten Männer ein begehrtes Erfolgserlebnis. Für Frauen ist der One-night-stand in der Phantasie in aller Regel reizvoller als in der Wirklichkeit. Ein Geschlechtsunterschied, den Evolutionsforscher David Buss bei Befragungen von über zehntausend Personen in 37 Kulturen fand. Lange glaubten die Psychologen, daß allein die Doppelmoral der Gesellschaft Frauen vom Vergnügen am puren S. ohne feste Bindung fernhielt. Aber die s.uelle Revolution nach 1968 brachte keine wesentliche Änderung im Empfinden der Geschlechter, nur eine allgemeine Lockerung der Tabus, die es leichter macht, über s.uelle Wünsche und Probleme zu reden. Deshalb sucht man seit den siebziger Jahren nach tiefer liegenden Gründen für die Verschiedenheit.
Die Soziobiologie entwickelte folgende Erklärung: In der Evolution setzen sich die Tier- und Pflanzenarten durch, deren Individuen besonders viele Nachkommen hinterlassen. Männliche und weibliche Organismen haben aber unterschiedliche Strategien, um dieses Ziel zu erreichen. Männer können im Laufe ihres Lebens Millionen von Samenzellen produzieren. Daher hinterläßt der Mann besonders viele Nachkommen, der mit möglichst vielen Frauen möglichst viele Kinder zeugt.
Ganz anders die Frau. Mehr als zwanzig Nachkommen pro Frau sind kaum drin. Die kann sie durchaus mit einem einzigen Partner haben. Wichtiger als viele Männer ist für sie, daß ihre überschaubare Kinderschar auch erwachsen wird und sie ihrerseits viele Enkel in die Welt setzen, damit die Gene auch wirklich über Generationen weitergegeben werden. Die weibliche Strategie ist deshalb darauf gerichtet, den Vater an der Mitarbeit bei der Versorgung und Erziehung der Kinder zu beteiligen.
Diese Rollenverteilung ist nicht vernunftgesteuert, sondern in unserem biologischen Erbe verankert. Das heißt, sie funktioniert unbewußt, über die unterschiedlichen Gefühlswelten von Männern und Frauen. Deshalb richten wir uns auch heute noch danach, obwohl wir die Zahl der Kinder längst bewußter Familienplanung unterworfen haben und sich knapp dreißig Prozent der jungen Frauen entscheiden, überhaupt kein Kind zu bekommen.
Hormonforscher haben inzwischen beweisen können, daß es diese vermutete unterschiedliche Gefühlssteuerung bei den Geschlechtern tatsächlich gibt. Das Hormon, das uns aktiv nach S. (auch ohne Liebe) suchen läßt, ist das Testosteron. Beide Geschlechter verfügen darüber, aber der Mann in etwa zwanzig Mal höherem Maße. Bei Frauen konnte man nachweisen, daß diejenigen, die einen etwas höheren Testosteronspiegel haben als der Druchschnitt, auch von sich aus aktiver nach s.uellen Anregungen suchen. Frauen verfügen dagegen über mehr Oxytocin als Männer, ein Hormon, das Bindungsverlangen erzeugt. Der Unterschied macht aus Männern nicht automatisch tolle Hirsche. Er macht sie aber anfälliger gegen negative Auswirkungen von S..
Ein Experiment französischer Wissenschaftler brachte es an den Tag. Männer und Frauen lebten mehrere Wochen lang s.abstinent. Täglich wurden sie auf ihre Konzentrations- und logischen Fähigkeiten getestet. Das Ergebnis: Während die Ergebnisse der Frauen im wesentlichen gleich blieben, ließen die Männer mit der Zeit deutlich nach. Aber nicht nur, daß sie die mathematischen Aufgaben nach zwei Wochen nicht einmal mehr halb so gut lösten wie zu Anfang! Sogar das Geruchs- und Geschmacksempfinden gingen beträchtlich zurück.
Die real existierenden Partnerschaften sind ein Kompromiß beider Strategien. Männer, die in stabilen Partnerschaften #8211; insbesondere mit Kindern #8211; leben, haben auch mehr Oxytocin im Blut als Singles. Schon auf der Ebene der Biologie gibt es zwei Gründe, warum Männer bereit sind, sich an eine Partnerin zu binden: erstens stehen den allermeisten nicht täglich neue Frauen zur Verfügung (die Prost. bietet allerdings dieses Ventil gegen Bezahlung) und zweitens macht er die Erfahrung, daß eine neue Partnerin ihm erst dann ihren besten S. bietet, wenn sich nach einigen Begegnungen eine gewisse Vertrautheit eingestellt hat.
Umgekehrt ist es für Frauen vorteilhaft, sich nicht an den ersten zu binden, der ihr im Leben über den Weg läuft, sondern mehrere Männer zu prüfen, bis sie den zuverlässigsten für eine Familiengründung gefunden hat. Wenn sie feststellen muß, daß er nicht der Mann ist, mit dem sie alt werden möchte, ist für sie eine schnelle Trennung wichtiger als für ihn: ihre biologische Uhr tickt. Nicht nur, weil sie irgendwann keine Kinder mehr bekommen kann. Sondern auch, weil sie um so leichter einen neuen Mann für sich begeistern kann, je jünger sie ist.
Aus dieser Rollenverteilung resultieren einige typische Unterschiede, die wir alle kennen:
Er läßt sich von ihren körperlichen Vorzügen anregen, sie eher von Verhaltensmerkmalen wie Charme, Humor, Komplimenten usw.
Er ist beim S. schnell erregt, aber ebenso schnell auch befriedigt und wieder ernüchtert. Sie kommt nur langsam in Fahrt, dann aber für lange.
Sein erstes Ich liebe dich sagt er, wenn er mit ihr ins Bett will. Sie sagt ihr erstes Ich liebe dich, wenn sie sich vorstellt, mit ihm leben zu können. (Ausnahmen gibt es #8211; aber sie bleiben Ausnahmen.)
Wo Männer beim S. unter sich sind (Homos.ualität), ist der schnelle Partnerwechsel vorherrschend. Erst seit der AIDS-Gefahr gibt es unter gleichgeschlechtlich in nennenswertem Maße länger andauernde Monogamie. Umgekehrt sind bei gleichgeschlechtlich Paaren Bindungswünsche und Treue stärker als in heteros.uellen Beziehungen.
Prost. ist fast ausschließlich eine Dienstleistung für Männer geblieben, daran hat auch die s.uelle Revolution nichts geändert. Nur acht Prozent der professionellen S. sind männlich #8211; und von denen sind die meisten für männliche Homos.uelle tätig.
Obwohl also angeborene Neigungen einen starken Einfluß darauf haben, wie sehr wir Liebe und S. aneinander koppeln, bleiben gesellschaftliche Wandlungen nicht ohne Wirkung. Nach Meinung des Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für S., Volkmar Sigusch, driften Liebe und S. in der Gegenwart immer weiter auseinander. Der Grund: Heute stellen die meisten an ihre Beziehung die moralische Grundanforderung den anderen lieben und ihm treu sein. Daraus folgt, daß man #8211; wenn das Verliebtsein in der Alltagsroutine erstirbt #8211; nicht mehr treu sein muß. Die moralischen Bedenken gegenüber Seitensprüngen mit Menschen, zu denen keine emotionale Bindung besteht, sinken. In früheren Jahrzehnten bildete das Treuegelöbnis der Ehe (mit und ohne Trauschein) ein wirksameres Hemmnis als heute gegenüber der Versuchung, sein Vergnügen außerhalb zu suchen. Die AIDS-Gefahr hat zwar dem Wunsch nach einer lebenslangen Leidenschaft zu einem einzigen, idealen Partner eine Renaissance beschert, in der Wirklichkeit haben aber nur sehr wenige über einen längeren Zeitraum als drei, vier Jahre diese Glück gefunden.
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe:
Zärtlichkeit und Leidenschaft
Was Frauen und Männer von einer lebenslangen Liebe erwarten
Urlaub buchen
Dokumentanfang EGONet-Titelseite Themen Übersicht Leserbrief
03.08.2002 00:52 •
#1