Hallo meeresschaum,
wenn ich Deine Zeilen lese, klingen in mir einige Erinnerungen an.
Es war eine Beziehung, die sehr zögerlich anfing: Er war verliebt in mich. Ich schätzte ihn als Menschen sehr / wollte gern mit ihm befreundet sein, aber er interessierte mich nicht als Mann. Es hat eine Weile gedauert, bis ich plötzlich merkte: Ups! Etwas hatte sich verändert.
Unsere Beziehung verlief in extremen Phasen: Sehr schöne, nahe Zeiten mit vielen gemeinsamen Unternehmungen, einfach nur harmonisch und schön. Dann plötzlicher Kontaktabbruch seinerseits. Dasselbe Verhalten, wie Du es bei Deinem Freund beschreibst: Totaler Kontaktabbruch. Jeder Kontaktversuch meinerseits wurde ignoriert. Ich hatte ebenso ein Gefühlschaos aus Wut, Trauer, Verwirrung, Besorgnis und Angst um ihn im Bauch. Er hat sich über einen längeren Zeitraum mehrmals von mir getrennt ... ist mehrmals ´reumütig´ wieder zurückgekommen. Ich habe gefühlt, dass er mich wirklich geliebt hat. Es schien so, als hätte er keine andere Umgehensweise mit den Konflikten, die sich in ihm abspielten, als sie komplett / total zurückzuziehen. Andererseits fiel mir irgendwann auch auf, dass er es in vielen kleinen Situationen nicht schaffte, sich den Freiraum zu nehmen, den er eigentlich brauchte. Das passt ja irgendwie auch zusammen: Irgendwann dann die extreme Notbremse.
Diese Spirale hat sich unendlich oft wiederholt. Egal, wie sehr ich mich darum bemühte, ihn einfach so zu nehmen, wie er ist - es lief immer wieder in dieselbe Sackgasse. Mit der Zeit bin ich dahinter gekommen, dass er ein Glücksspielproblem hat. Heute vermute ich, dass er in diesen Zeiten des totalen Rückzugs Rückfälle gebaut hat - spielen gegangen ist ... und es ihm hinterher so schlecht ging, dass er niemanden mehr ertragen konnte, weil er sich selbst schon zuviel war.
Was ich damit sagen will ist, dass ich bei Deinen Zeilen so, wie Du sie schreibst den Eindruck habe, als hätte Dein Freund ein großes Problem mit sich selbst (welcher Natur auch immer), das aber vielleicht gar nichts oder nur wenig mit Dir und Eurer Situation zu tun hat. Hat es irgendwelche Auslöser in Eurem Kontakt für diesen Abbruch gegeben?
Was mir auch auffällt ist, dass das alles sehr extrem (auf mich) wirkt: Er hat seine Liebe jahrelang auf einen Menschen (Dich) konzentriert, der für ihn unerreichbar erscheinen musste. War er zwischenzeitlich eigentlich auch mal mit einer anderen Frau zusammen? 5 Jahre sind ja eine lange Zeit. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Kontakt zu Dir für ihn so schmerzlich gewesen wäre, dass er ihn lieber abgebrochen hat.
Dann seid Ihr zusammengekommen und ´Tag und Nacht´ zusammen gewesen. Über welchen Zeitraum ging das denn? Es drängt sich mir irgendwie die Hypothese auf, dass er vielleicht ein extremes ´Nähe-Problem´ hat. Wenn man jemanden liebt, der unerreichbar ist, kann man sich gut da ´hineinsteigern´ und muss sich den eigenen Ängsten vor Nähe nicht stellen, denn der andere ist ja so weit weg. Dann seid Ihr doch zusammengekommen und er konnte das für kurze Zeit auch genießen, ging dann aber in die totale Distanz. Wer weiß, was sich dahinter verbergen mag. Es kann ja tausend Gründe haben.
Ich wünsche Dir sehr, dass Du eine Gelegenheit bekommst, mit ihm darüber zu sprechen, was los ist. Vielleicht braucht er im Moment etwas Zeit, um das zu verarbeiten / zu verdauen, was in ihm grad abgeht. Konntet Ihr während Ihr zusammen wart über Eure Gefühle und das, was Euch auch in Bezug aufeinander bewegt, sprechen?
Mir hat die Erkenntnis sehr geholfen, dass sein extremes Verhalten nur wenig mit mir als Person zu tun hatte, sondern aus Problemen resultiert, die tief in ihm selbst liegen ... und an denen ich auch nichts verändern konnte. Er hat den Schritt, daran zu arbeiten, leider damals nicht gewagt. Darum habe ich mich irgendwann von ihm getrennt, weil ich für unsere Beziehung keine Perspektive mehr sah. Ich wollte nicht dieselbe Spirale wieder und wieder durchlaufen.
Ich weiß nicht, ob du mit meinen Worten etwas anfangen kannst ...
Liebe Grüße
Jazz
08.03.2005 23:32 •
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