Ich möchte allen, die hier geschrieben haben danken.
Ich habe Eure Beiträge gelesen und geweint, nicht nur vor Trauer sondern auch vor Erleichterung. Erleichterung, weil ihr mir geholfen habt, wieder etwas über mich zu verstehen. Ich bin auf dem Weg, das Verzeihen zu lernen. Spannende Erfahrung, allerdings ziemlich schmerzhaft.
Ich habe einiges zu verzeihen. Mein ehemaliger Partner und ich waren viele Jahre zusammen. Die andere hat er in einem Forum im Internet kennengelernt. Es hat ihn gejuckt. Als ich ihn erwischt habe, ist er abgehauen, hat sich getrennt. Es war so eine Mischung, der Reiz des Neuen und dazu eine grosse Portion Feigheit. Angst davor, was ich ihm antun könnte, wo ich doch so verletzt bin. Nun, jetzt lebt er mit ihr. Die Trennung war furchtbar.
Dieses Gefühl, dass ich verraten worden bin, das war nicht weg nach seinem Auszug. Die Unsicherheit, die Fragen, auf was und wen ich mich noch verlassen kann im Leben, das habe ich alles mitgenommen in mein neues getrenntes Leben. Ich muss es alles alleine tragen. Das ist eine ziemliche Last. Ich möchte die gerne ablegen. Wohin damit ?
Der, den ich dafür verantwortlich mache, der will davon nichts wissen. Der hat mir durch die Trennung die Geschäftsgrundlage entzogen. Der braucht sich das weder anzusehen noch anzuhören noch irgendwie Reue oder Buße zeigen. Der steht dafür nicht zur Verfügung. Der ist weg. Die Erkenntnis, dass er feige ist, hilft mir nicht weiter.
Wie werde ich meine Last los ? Mit Yoga und Atemübungen ? Ich bin rasend wütend auf den Kerl und ich fühle mich völlig im Recht dabei. Das Blöde ist nur - wohin mit dieser ganzen Wut ? Ohne ihn ?
Ich habe mir Ventile gesucht, konstruktive Ventile. Die Wut hat mich vorangetrieben, dafür gesorgt, daß ich vieles anpacke, was mich schon lange genervt hat. Ich domptiere mein Rumpelstilzchen also ganz gut, aber es ist höllisch anstrengend damit zu leben.
Dann wäre da noch die Bitterkeit. Ich schäme mich für meine Bitterkeit. So möchte ich nicht sein, so voller Groll. Ich möchte doch so gerne ein souveräner ausgeglichener Mensch sein.
Dann dieses Misstrauen. Die Angst, der nächste könnte ja genauso sein. Will ich überhaupt jemals wieder einen Partner ?
Ich versuche mich zu beruhigen. Ich sehe, dass ich loslassen muss und ich sehe, dass sich alles in mir dagegen sträubt.
Ich erkenne, dass ich mit meinem getrennten Partner eine offene Rechnung habe. Eine elend lange Liste - Lügen, Verletzungen, Verrat. Das alles ist geschehen. Dafür schuldet er mir was. Theoretisch. Doch er wird nicht zahlen. Er ist ziemlich konfliktscheu
Und nun ? Ich kann die offene Rechnung nur auf einem Weg loswerden. Sie abschreiben. Verzeihen. Schuldenerlass. Doch das ist so ungerecht. Dass ich mich damit befassen muss und er sich kein Stückchen bemüht. Und doch werde ich es tun - Um meinetwillen.
Damit ich diesen Schmerz loslassen kann. Diesen tiefsitzenden Schmerz über seinen Verrat. Ich will wieder Frieden in mir. Doch wie mache ich das ? Wie geht das? So eine Rechnung schliessen ? Verzeihen ?
Ich las von Colin Tipping. Er schreibt - Vergeben heisst, die eigene Schwäche annehmen. Finde ich die Schwächen meines getrennten Partners in mir ? Dagegen sträubt sich alles. Nie im Leben kann ich so böse sein. Wirklich nicht ?
Ich werfe meinem Ex vor, mich belogen zu haben. Doch wie ehrlich bin eigentlich ich ? Gibt es wirklich nur diese klitzekleinen harmlosen Notlügen in meinem Leben ? Wie bin ich denn so, wenn ich mal richtig unter Druck gerate ? Mich mal so richtig für etwas schäme ? Passiert mir nie ? Doch, tut es.
Ich werfe meinem Ex vor, mich zutiefst verletzt zu haben. Habe ich noch nie einen anderen Menschen tief verletzt ? Doch, habe ich. Bin ich ok, wenn ich dafür Erklärungen und Entschuldigungen vor mir selber finde ? Wirklich immer ok ?
Er hat mich verraten. Habe ich noch nie einen Menschen verraten ? Wirklich ? Oder gibt es verdächtige Stellen in mir, die ich lieber nicht anschauen mag ? Ja, die gibt es. Auch in meinem Keller sind Leichen.
Was fange ich damit an ? Ist das etwa ein Grund ihm zu verzeihen ? Ich sage mir - ... hey, was immer Du selber in Deinem Leben getan hast, das gibt ihm wohl doch lange nicht das Recht Dich so behandeln. Und was er Dir angetan hat, ist viel, viel schlimmer als alle Leichen. Wirklich ?
Tief unten in meinem Keller lauert ein Teil von mir, den ich so gar nicht leiden kann. Dieser Teil findet es gut, die eigenen Hände in Unschuld zu waschen. Ich schäme mich dafür, dass das auch da ist. Aber ja, wenn ich ganz genau hinschaue und zu mir selber ehrlich bin - auch das ist da.
Ich habe Schattenseiten, die ich nicht mag. Die ich nicht ausleben will. Gefühle, die nicht zu meinem Selbstbild passen. Ich wäre so gerne immer nur edel und gut. Doch diese Gefühle sind trotzdem da. Ich kann sie nicht wegbefehlen. Ich habe sie lange unterdrückt, so dass ich sie nicht mehr ansehen musste.
Meine Güte - ich bin so lange durch dieses Tal gegangen und nun stelle ich fest, dass ich selbstgerecht sein kann. Dass ich gerne den Balken in meinem Auge übersehe. Im Moment kann ich tatsächlich bei dem Gedanken daran ein wenig grinsen. Bis vor kurzem dachte ich, dass es unmöglich ist, dass ich Selbstgerechtigkeit in mir habe. Ich hasse das doch so an anderen Menschen. Aber nur, weil ich etwas unwürdig finde und bei anderen hasse, verschwindet es nicht in mir. Die Wahrnehmung zu unterdrücken hat Kraft gekostet.
Meine Schatten zu sehen ist schmerzhaft, aber heilsam.
Ich werde ihm und mir verzeihen. Ich werde es schaffen. Uns beiden verzeihen, dass wir manchmal ganz schön schwache Menschen sind. Akzeptieren, dass es eine Ebene gibt, auf der keiner von uns besser ist als der andere.
Dies zu akzeptieren macht seinen Verrat nicht ungeschehen. Verzeihung macht gar nichts Ungeschehen. Unrecht bleibt Unrecht. Doch Verzeihung macht das Herz frei für Frieden. Und wo Frieden ist, ist Raum für Neues. Den wünsche ich mir so sehr.
Deswegen werde ich es schaffen. Es ist mir gleichgültig, ob er sich meine Verzeihung verdient hat. Es geht hier um mich. Also warum sollte ich mich da von seinem Wohl-Verhalten abhängig machen ?
Verzeihung kann sowieso nicht verdient werden. Er könnte sich noch so anstrengen. Es wäre immer noch meine Entscheidung.
Im Moment herrscht Frieden in mir.
Ich weiss nicht, wielange das andauern wird. Das Leben hat mir in letzter Zeit gerne die lange Nase gezeigt. Wenn ich dachte, ich wäre endlich bei mir angekommen, gab's prompt wieder was, was alles in Frage stellte.
Doch das spielt hier jetzt keine Rolle. Ich werde einfach den Moment genießen und hoffen, dass ich diesen inneren Ort künftig öfter erreichen kann.
Ich wünsche uns allen inneren Frieden
Möglichst oft. Welchen Weg auch immer jeder von uns geht
30.01.2015 03:38 •
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