Hallo zusammen,
wie so viele hier befinde ich mich nach meiner Trennung in einem Zustand, in dem ich mich zur Verarbeitung am liebsten ständig über meine Gedanken austauschen würde. Da man Freunde und Familie aber natürlich nicht dauerhaft damit belästigen kann, nimmt man sich nach einer gewissen Zeit zurück. Trotzdem merke ich, dass ich ab und zu weiterhin etwas loswerden muss. Deshalb habe ich mich nun in diesem Forum angemeldet. Irgendwie ist man unter Gleichgesinnten ja doch noch immer am besten aufgehoben.
Mein Fall sieht wie folgt aus: Ich bin 30 Jahre alt und mein gleichaltriger Partner hat sich vor etwa zwei Monaten nach sechseinhalb Jahren Beziehung für mich sehr überraschend getrennt. Wir kannten uns schon aus unserer Oberstufenzeit, waren damals aber noch nicht bereit für etwas festes. Als wir uns mit 24 wiedertrafen, war es dann soweit.
Wir haben also eine Menge gemeinsamer Vergangenheit und viele Meilensteine zusammen erlebt. Wir waren beide immer sehr eng in die Familie des anderen eingebunden. Unsere Beziehung verlief all die Jahre extrem harmonisch (zu harmonisch im Nachhinein, da er sehr konfliktscheu ist). Das Ergebnis daraus war, dass er mich zu keinem Zeitpunkt an seinen Gefühlen für mich zweifeln lassen hat. Die übertriebene Harmonie hat mich während der Beziehung oft gestört, da ich Diskussionen und Reibungspunkte in einer Beziehung eigentlich wichtig finde. Gerade auch, um emotional etwas Spannung aufzubauen.
Weil ich Streit mit ihm nie kennengelernt habe, ist die Trennung von seiner Seite bzw. der plötzliche komplette Gefühlsentzug für mich vermutlich besonders hart.
Unsere letzten Jahre waren sehr schwer (ich war schwer von Covid betroffen mit vielen Spätfolgen), weshalb ich grundsätzlich auch absolut nachvollziehen kann, dass er sich trennen musste. Aber natürlich schweißen einen gerade schwere Zeiten auch auf vielen Ebenen sehr zusammen.
Ich sehe bei mir selbst viele Baustellen in Bezug auf Verlustangst, die mir bis dato gar nicht so bewusst waren, da ich mich in der Beziehung immer so sicher gefühlt habe. Ich bin selbst Einzelkind mit sehr wenig Familie bzw. sicheren Bezugspersonen, weshalb mir gerade alte Freundschaften sehr wichtig sind. Ich habe das Gefühl, meine eigene Vergangenheit zu verlieren, wenn ich diese Menschen verliere. Da ist mein Ex-Partner natürlich ein großer Faktor und mir wird erst jetzt nach der Trennung so richtig klar, dass er für mich eben nicht nur romantischer Partner sondern auch bester Freund, Bruder, Familie war. Die Tatsache, dass ein Beziehungsende zwangsläufig bedeutet, auch diese anderen Ebenen von Liebe zu verlieren, belastet mich sehr. Er hat beispielsweise meine Großeltern noch kennengelernt und kannte meine Eltern so gut wie niemand sonst in meinem Umfeld. Ich habe schlichtweg keine jungen Familienmitglieder, mit denen ich diese Erinnerungen teile.
Auf der anderen Seite war ja auch ich in seiner Familie sehr verwurzelt. Meine Nichten, die ich seit ihrer Geburt kenne und zu denen ich eine enge Bindung hatte, sind von einem Tag auf den anderen nun nicht mehr meine Nichten. Dieser Gedanke, dass ich niemals eigene Nichten oder Neffen haben werde, die mir nicht wieder weggenommen werden können, macht mich furchtbar traurig.
Ich weiß nicht, ob man meine Gedanken als Außenstehender nachvollziehen kann. Vielleicht gibt es ja hier noch mehr Menschen mit wenig eigener Familie, die solche Gefühle nach einer Trennung erlebt haben und mir Mut machen können, dass das nachlässt, wenn der Entzug vorüber ist.
Liebe Grüße an alle!
20.09.2022 11:25 •
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