Menschen mit Verlustangst achten ganz genau auf das, was der Partner tut. Sie suchen bewusst oder auch unbewusst nach Taten des Partners, die sie darin bestätigen, dass sie wieder an jemanden geraten sind, der es nicht ehrlich meint. Manche klammern und wie in deinem Fall erwarten sie, dass sie in ihrer Funktion als Lebenspartner deine Nr. 1 sind und alles zusammen gemacht wird. Machst du was alleine, ist es für den Partner sozusagen gleich die Bestätigung, dass es das Ende einläutet. Gut, das sind die krassen Fälle. Andere ziehen sich eher zurück, lassen dann niemanden mehr an sich heran aus Angst, verletzt zu werden.
Verlustangst entsteht üblicherweise dann, wenn es in der Vergangenheit schon oft genug Fälle gegeben hat, in denen eine Person tatsächlich verlassen worden ist. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um ein Beziehungsaus handeln. Verlorene Freundschaften, die Scheidung der Eltern oder auch der Tod einer geliebten Person können Verlustangst auslösen. Es spielt auch keine Rolle, wie oft die betroffene Person die Erfahrung des Verlassenwerdens gemacht hat. Solche Menschen haben Angst davor, eine schlimme Erfahrung, die sie als unerträglich erlebt haben, noch einmal durchleben zu müssen. Sie steigern sich dann rein, denken, es wird immer wieder passieren und suchen ganz konkret nach Anhaltspunkten, die ihre Ängste bestätigen. Ähnlich wie bei einem Hypochonder, der nur darauf wartet, dass ihm etwas weh tut, damit es seine Angst bestätigt, todkrank zu sein.
Auf der einen Seite sehnen sich solche Leute massiv nach Nähe, Liebe und Zuwendung. Sie brauchen diese unbedingte Sicherheit, dass sie nicht verlassen werden, allerdings auch oft auf einem übertrieben hohen Level. Ein normaler Mensch kann da meist nicht mithalten, weil er die Zusammenhänge nicht versteht und gar nicht weiß, was eigentlich los ist. Ein harmloser Besuch bei Freunden wird dann schnell zum Beziehungsdrama, weil da ja jemand ist, der potentiell geeignet ist, dem Betroffenen den Partner streitig zu machen.
Menschen mit Verlustangst leiden nicht selten seelische Qualen in einer Beziehung. Sie sind eigentlich glücklich, jemanden an ihrer Seite zu haben und genau dieses Glücksgefühl wollen sie mit aller Gewalt bewahren. Tut der Partner etwas, was dem potentiell im Weg stehen könnte (etwa der Besuch bei Freunden), sieht der Betroffene sein Glück in Gefahr. Erinnert sich wieder, wie schmerzhaft der Verlust früher schon einmal war und gerät in Panik, dass es wieder weh tun könnte. Ergo gehen sie auf Abstand oder beenden die Beziehung gleich ganz. Ist ja immerhin leichter, wenn man es selbst beendet, statt verlassen zu werden.
Das Ganze ist im Prinzip eine selbsterfüllende Prophezeihung. Ich bin schon öfter verlassen worden, also wird es auch immer wieder passieren. Solche Menschen suchen eher nach der Bestätigung dafür, dass ihre Ängste gerechtfertigt sind als nach der Bestätigung, dass der Partner es ehrlich meint. Heißt, sie stehen sich durch ihre Ängste eigentlich selbst im Weg.
Ich finde, bei solchen Menschen ist jede Menge Verständnis notwendig. Allerdings nicht unter der Bedingung, dass man sich selbst dafür opfert. Extremfälle gehören in professionelle Hände eines Psychotherapeuten und nicht in die Arme eines Partners, der es ehrlich meint und im schlimmsten Fall nur überfordert ist.
Ich hatte mal einen Ex, der krankhaft eifersüchtig war und sich ständig eingeredet hat, ich würde ihn betrügen. Der hat extremst geklammert und mir selbst dann noch unterstellt, ich würde fremdgehen, als ich schon gar keinen Kontakt mehr zu anderen Menschen als ihm hatte. Ich wundere mich heute noch, dass ich wenigstens noch alleine aufs Klo gehen durfte. Er hat mich absolut erschlagen mit seiner Panik, ich könnte fremdgehen und ihn verlassen. Was er nicht gesehen hat war, dass er mir die Luft zum atmen genommen und damit selbst dafür gesorgt hat, dass ich ihn am Ende tatsächlich verlassen habe. Für ihn war es dann die Bestätigung, dass es wirklich einen anderen in meinem Leben gab, obwohl er mir die ganze Beziehung über gar keinen Freiraum gelassen hat. Ich hätte ihn gar nicht betrügen können, selbst wenn ich gewollt hätte. Aber er fühlte sich in seiner Angst bestätigt.
Ist hart mit solchen Leuten und macht imho nur Sinn, wenn die Störung nicht allzu stark ausgeprägt ist oder die Betroffenen erfolgreich therapiert wurden. Alles andere macht beide Partner auf Dauer irre.
28.11.2020 22:24 •
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