Hallo,
einige haben mich ja bereits mehrfach gelesen und ich hab immer geschrieben, ich bin ja nicht frisch getrennt. Stimmt auch, es gibt keine Beziehung, die ich noch verarbeiten müßte. Meine letzte Beziehung ist nun seit 5 Jahren zuende und das ist auch ok so.
Und trotzdem, ich habe ein Päckchen, das mir riesig zu schaffen macht. Und auch wenn ich meist denke, ich komm damit klar, vorhin hats mir mal wieder so richtig die Beine weggehauen und ziemlich unerwartet. Ob es war, weil ich einen Vater mit seinem kleinen Kind beobachtete, voller Stolz, voller Freude (alle beide), ob es war, dass ich ein Päärchen mit Kind im Kinderwagen beobachtete ...
Ja, mein Thema hat mit Kindern zu tun, genauer gesagt mit verlorenen Kindern.
Ich weiß wirklich nicht so recht wie und wo und wo und wie ich anfangen soll. Wer mich liest wird mich tendentiell als ernsthaften, reflektierenden und vernünftigen Menschen erleben, der ich auch bin. Doch das war nicht immer so. Vor ca 23 Jahren scheiterte die Liebe meines Lebens. Wir waren ca ein Jahr zusammen und ihren Sohn, der zum Ende gute 4 Jahre alt war, habe ich geliebt wie meinen eigenen. Es war traurig. Ich habe viele viele Jahre daran geknackt. Diese Liebe, die für uns beide die Liebe unseres Lebens war und trotzdem, wir waren zu sehr Gefangene unser eigenen Unzulänglichkeiten, die Beziehung zwischen uns nur zerstören konnte. Jeder hat im anderen durch sein Verhalten dessen schlimmsten Ängste ausgelöst und es war wie eine Spirale, aus der wir alleine nicht herauskamen. Obwohl wir uns so sehr geliebt haben, fühlte sie sich ungeliebt, obwohl ich mir alle Beine ausgerissen habe für sie, so sehr, dass ich daran drohte zu zerbrechen und es half ihr nicht. So war ich voller Verzweiflung und konnte immer wieder keinen Weg für uns sehen, außer Trennung.
Und dann wurde sie schwanger. Auch ohne Schwangerschaftstest und auch ohne, dass sie es mir gesagt hat, wußten wir es beide sofort. Aber unsere Beziehung steckte so tief in einer Krise, ich wußte nicht ein noch aus. Damals steckte ich noch im Abendgymnasium, ein Jahr noch und dann Studium, dazu die Beziehung dermaßen auf der Kippe ...
Eigentlich habe ich mir immer Kinder gewünscht, seit ich denken kann und ich bin 100%-tig sicher, dass ich ein wirklich guter und liebevoller Vater sein werde. Trotzdem habe ich damals im ersten Moment nur Nein denken können, das kann nicht sein, das darf nicht sein. Und ja, ich dachte an Abtreibung, ich dachte wirklich, es gibt keine andere Lösung und ich sagte es ihr. Es war ganz schlimm für sie. Natürlich fühlte sie sich sofort ungeliebt, doch nach langem Streit willigte sie unter Tränen ein. Da war sie wohl zwischen 4. oder 5. und 6. Woche.
Als ich dann zuhause war, kamen irgendwann andere Gedanken.
Du großer Idiot sagte ich mir. Dein Leben hast Du Dir Kinder gewünscht, nun meldet sich eines und du willst es umbringen lassen? Und verlangst das auch noch von der Frau, die Du so sehr liebst, obwohl sie das fast nicht verkraftet? Und nur, weil es nicht passt? Nein! Nein, nein und NEIN! Es passt! egal wie, es passt und wenn es schwer wird, irgendwie wird es gehen. Und ich wollte ihr sagen, dass ich das Kind möchte, dass ich mich auf das Kind freue und dass ich es nicht umbringen lassen möchte und es mir leid tut und ich mich schäme, zunächst so gedacht und auf sie eingewirkt zu haben. Leider mußte ich dann zum Nachtdienst, der um 20:15 begann.
Um 22:00 klingelte das Telefon. Es war sie. Sie war sehr aufgelöst und sagte mir, dass sie das Kind verloren habe. Sie hatte einen Spontanabort erlitten.
Ich habe ihr damals nicht mehr erzählen können, dass ich mich für das Kind entschieden hatte. Ich dachte, sie würde mir eh nicht glauben und das nur als Schutzbehauptung abtun.
Abgekürzt, kaum mehr als 2 Monate später ist die Beziehung zerbrochen, mit einem langjährigen völligen Kontaktabbruch, der von ihr ausging.
So habe ich 3 Menschen verloren. Ich habe 10 Jahre gebraucht, um diese Trennung, den Verlust dieser geliebten Frau zu verarbeiten und auch den Verlust ihres Sohnes, der inzwischen 25 wird.
Daneben habe ich mich die ganzen Jahre verantwortlich gefühlt dafür, dass sie unser Kind verloren hat.
Zwar wußte ich kopfmäßig, dass es wahrscheinlich eine extrauterine Schwangerschaft war, die in den meisten Fällen so endet (offenkundig hatte sie einen zweiten Eisprung während ihres Zyklus), trotzdem habe ich mir solche Vorwürfe gemacht und mich so schuldig gefühlt und geglaubt, dass es nur durch die immense Streßbelastung entstanden sei, die ich ihr zugemutet hatte, dass ich jahrelang unter dieser Schuld gelitten habe. Erst in einer späteren schmerzhaften Auseinandersetzung viele Jahre danach, konnte ich es endlich loslassen.
Nun, vor ca 8 Jahren kam ich mit meiner letzten Partnerin zusammen. Sehr früh geschah es, dass sie unerwartet schwanger wurde. Statt mit mir zu sprechen, ist sie voller Panik zu ihrem Arzt gerannt, der ihr die Pille danach gegeben hat. Eigentlich war die Frist für die Pille danach längst verstrichen und was soll ich sagen, sie wollte auf nummer sicher gehen und ließ sich eine weitere Pille danach geben.
Erst danach hat sie mich informiert, dass sie schwanger sei und war vollkommen überrascht, als ich ihr sagte, dass ich mich total freue. Als ihr bewußt wurde, wie ernst ich das meinte, stellte sich auch bei ihr Freude ein, obwohl sie eigentlich schon die Familienplanung als abgeschlossen betrachtet hatte.
Was soll ich sagen, es war so ca 10. Woche, dass sie mir mitteilte, dass sie Emma* verloren hat. Ein Spontanabort.
Nun muß man wissen, was ich damals auch nicht wußte: Uns allen wurde beigebracht, dass man die Pille danach in den ersten 24 Stunden nach der Befruchtung nehmen müsse, weil sie danach nicht mehr wirke.
Das ist falsch.
Sie wirkt immer.
Es kommt nur nicht mehr unbedingt zu einem sofortigen Abbruch. Der Foetus erleidet jedoch so schwere Schäden, dass die meisten Schwangerschaften zu einem späteren Zeitpunkt mit einem vorzeitigen Abort enden. Schaffen es die Kinder bis zur Geburt, sind sie, so wurde mir berichtet, so schwer geschädigt, dass sie nicht oder nicht lange lebensfähig sind.
2 Jahre später wurde sie, wurden wir erneut schwanger. Wir freuten uns riesig. Zwar hatte sie große Angst, doch ich war voller Zuversicht. Bis diese SMS kam. Es war diesmal zwischen dem 3. und 4. Monat, wir haben Konrad* verloren. 6 Monate später zerbrach unsere Beziehung.
So habe ich drei Kinder verloren und ich kann einfach nicht diesen Traum begraben. Zwar ist es bei einem Mann nicht wie bei einer Frau, Klimakterium und Ende der Fruchtbarkeit, aber trotzdem ist es ja nicht so, dass ich jünger werde und auch wenn ich ein jugendlicher Typ bin und meine Partnerinnen immer ca 5-7 Jahre jünger waren, klopfen die 25-Jährigen ja nicht in Scharen an der Tür. Außerdem kommen viele nicht damit zurecht, dass ich Veganer bin und politisch sehr kritisch, auch mal an Protestaktionen teilnehme und mit Konsumern und 'Allesfressermentalität' nichts anfangen kann. Auch will ich eine Partnerin nicht nach ihrer Gebärfähigkeit auswählen. Ich will ja eine Beziehung mit einer Frau, mit dem Menschen der diese Frau ist und nicht mit einer Gebärmutter. Doch wie sollte ich mich für einen Menschen entscheiden können, bei dem ich von vornherein diesen Traum vergessen muß? Manchmal wünschte ich mir, es wäre bei Männern so wie bei Frauen auch. Uhr tickt, Klimakterium und es ist ausgestanden, die Biologie hat die Entscheidung vervollständigt. Doch leider ist das nicht so und so leide ich darunter wie ein Hund. Jahrelang habe ich so hart an mir gearbeitet, um meine Steine, meinen Seelenballast hinter mir zu lassen, um dabei herauszufinden, dass ich ein wirklich guter Vater sein könnte und dann habe ich nur diesen Weg.
Ja und heute diese beiden Elternpaare, da hatte ich es wieder vor Augen und es kam diese unglaubliche Trauer hoch, dieser Schmerz, diese Traurigkeit, die ich kaum aushalten kann und ich sehe wirklich nichts, was mir helfen kann
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*ja, ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn wir offen dafür sind, Kinder uns schon vor der Geburt ihr Geschlecht und ihren Namen mitteilen. Und bei mir waren es eine Emma und ein Konrad und vor 23 Jahren ein Mädchen, aber damals kam es ja nicht mehr dazu, dass wir ihr ihren Namen geben konnten.
24.03.2014 02:48 •
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