Hallo nochmal Wadim,
Schön, dass dir mein letzter Post in deinem Thema gut getan hat. Ich denke, Gegenwind bekommst du hier ja genug, auch halte ich nichts davon den Affärenführer immer alleine für das Chaos verantwortlich zu machen, dass durch eine Affäre entsteht. Meist hat das ganze eine lange Vorgeschichte, wie du durch deine Erzählungen ja auch bestätigst. Die Affäre selbst ist dann meist nur ein Symptom aber nicht die Ursache einer sich im Scheitern befindlichen Ehe.
Auch finde ich es richtig, dass du mit deiner Beichte noch warten willst. Weihnachten ist ohnehin eine so emotionale und oft auch schwierige Zeit, da sollte man nun wirklich nicht noch irgendwelche Bomben platzen lassen. So hast du außerdem noch etwas Bedenkzeit, kannst weiter Abstand zu deiner Geliebten gewinnen und gut in dich hinein hören, was du jetzt weiter mit deinem Leben anfangen willst.
Ich bin ja immer dafür, eine Ehe zu erhalten, denn oftmals besteht diese oder zumindest die Beziehung ja schon über viele Jahre. Man hat sich einiges zusammen aufgebaut und hat Verantwortung übernommen. Nicht nur für die gemeinsamen Kinder, sondern auch für den gemeinsamen Besitz, die Wohnung, weitere Familienangehörige und Freunde. Da einfach rauszuspringen und sich irgendwo mit jemand anderes ein komplett neues Leben aufzubauen, ist nicht so einfach, wie man es sich vielleicht erhofft. Da wäre ja zuerst mal der Scheidungsvorgang, der sicher nicht harmonisch ablaufen würde, finanzielle Herausforderungen und der Umzug in eine neue Wohnung zum Beispiel. Ganz zu schweigen natürlich von den Problemen einer Patchworkfamilie mit deinen, ihren und evtl. noch gemeinsamen Kindern. Genügend Konfliktpotential also, das sofort zu bewältigen wäre. Eine Schonzeit darf man da als frisch gebackenes Liebespaar nicht erwarten. Der Honeymoon wäre sofort vorbei. Sicher. dass du und deine AF das durchstehen würden?
In der Ehe dagegen hast du zusammen mit deiner Frau schon viele Feuerproben überstanden. Dass das nicht immer einfach war und ist, das brauchst du mir nicht zu erzählen. Mein Mann und ich sind nächstes Jahr 25 Jahre verheiratet und 37 Jahre ein Paar. Da gab es viele Konflikte, Belastungen und Schicksalsschläge auch schon vor meiner Affäre vor einigen Jahren. Ich habe mich oft von meinem Mann allein gelassen gefühlt und in ein Leben gezwängt, dass ich so nie wollte. Als die Affäre begann brannten bei mir deshalb recht schnell sämtliche Sicherungen durch. Sie war mein ultimativer Befreiungsschlag und für unsere Ehe die absolute Stunde Null.
Mit professioneller Hilfe haben wir alles haarklein aufgearbeitet. Jedes Detail wurde neu verhandelt und das nicht nur einmal sondern immmer wieder. So lange, bis es wieder passte. Das waren sehr anstrengende Jahre für uns beide aber für mich waren sie total heilsam. Ich war an einer schweren Depression erkrankt, schon vor der Affäre und danach bekam ich einen schlimmen Schub inklusive Suizidabsichten. Es war ein ständiges Auf und Ab und nicht nur einmal stand ich kurz vor einer Klinikeinweisung. Aber wir haben es hingekriegt. Gemeinsam!
Die Probleme die wir hatten, lagen vielfach nicht nur in unserer Ehe, sondern auch in meiner Persönlichkeit, die durch meine Ursprungsfamilie nicht gerade positiv geprägt war. Ich hatte null Selbstwertgefühl aber umso höhere Erwartungen an mich und meinen Partner. Ich war perfektionistisch und unbarmherzig gegenüber jeder menschlichen Schwäche. Ein Umstand, den mir meine Kinder bis heute zurecht vorwerfen. Nein, das Leben mit mir war wirklich nicht einfach.
Die Affäre entstand dann quasi aus dem Nichts. Der AM schien ein Mensch zu sein, der mein inneres Vakuum zu füllen im Stande wäre. Das war aber eine absolutze Fehleinschätzung. Im Gegenteil war und ist er ein Mensch, der selbst mehr als genug Baustellen hat. Wir beide zusammen wäre mit Pauken und Trompeten untergegangen. Eigentlich muss ich mich bei ihm bedanken, dass er mich von Anfang an belog und betrog und mich dann wegschmiss wie einen schmutzigen Putzlappen. Diese Erfahrung war hart aber sehr heilsam.
Ich habe ihn vor einigen Tagen nach all den Jahren zum ersten mal wieder gesehen. Im ersten Moment war ich erschrocken, dann aber total erleichtert. Er hatte mich gesehen und gegrüßt. Wahrscheinlich hat er gedacht, ich würde mit offenen Armen auf ihn zulaufen und ihm die Füße küssen. So jedenfalls hätte ich vor einigen Monaten noch reagiert. Jetzt aber habe ich ihn nur eine Weile sprachlos angesehen und mich dann abgewendet. Seitdem fühle ich mich, als wäre ein Fluch von mir abgefallen. Total erleichtert fühle ich mich und meinem Mann sehr sehr dankbar, dass er diesen Weg mit mir gegangen ist.
Was ich getan habe, war eine Zumutung für ihn und für meine Familie. Aber irgendwie musste das wohl so kommen, damit ich endlich verstehe, was wichtig ist im Leben. Und heute kann ich glücklicherweise den Hormonrausch einer Affäre oder frischen Verliebtheit von echter Liebe unterscheiden. Liebe ist nämlich nicht die rosa Brille oder das feuchte Höschen, das mein ExAM bei mir verursachte. Liebe fängt genau da an, wo es schwierig wird. Wenn man zusammen alt wird, die Falten des anderen liebt, sein dünnes Haar abends vor dem Fernseher zärtlich tätschelt und sein Bäuchlein als Kopfkissen benutzt. Liebe zeigt sich dann, wenn der Partner krank wird und man trotzdem für ihn da ist, auch dann wenn der kranke ungerecht und unwirsch wird. In guten wie in schlechten Tagen, in Krankheit und Gesundheit, im Licht und im Schatten. Liebe ist da und bleibt da und sie hält verdammt viel aus.
Vielleicht ist genau das der Grund, warum du trotz allem noch bei deiner Frau bist? Ich hoffe es jedenfalls für dich. Die andere Möglichkeit, nämlich dass du ein rückratloser Waschlappen bist, der Angst vor dem Leben hat, das will ich nicht glauben. So klingst du nicht und so schreibst du nicht. Du suchst unsere Hilfe, weil du Mist gebaut hast und niemand kann und darf darüber urteilen, außer du selbst und vielleicht noch deine Frau. Aber sei nicht zu streng mit dir. Du hast schließlich niemanden ermordet. Letztlich war es nur S.. Austausch von Körperflüssigkeiten und heißer Sprüche. Die waren aber bei genauer Betrachtung nur heiße Luft, oder? Wäre es mehr gewesen, hättet ihr beide umeinander gekämpft. Habt ihr aber nicht! Also hör auf, die etwas vorzumachen!
Kopf hoch, Brust raus und weiter gehts! Das was du jetzt erlebst, nennt man Leben! Alles halb so schlimm, würde ich sagen. Ich wünsche dir und deiner Familie jedenfalls schöne Weihnachtstage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Und alles was danach kommt, liegt nun in deiner Hand! Wähle klug und stehe zu deiner Entscheidung! Immerwieder alles zu hinterfragen bringt dich nicht weiter. Ich habe aber den Eindruck, deine Entscheidung ist längst gefallen. Schließlich bist du immernoch bei deiner Familie. Das ist bestimmt kein Zufall. Ich finde es jedenfalls nicht die schlechteste Wahl.
Alles Liebe!