Ich bin seit über 15 Jahren mit dem liebsten Mann verheiratet, den ich kenne. Wie es geschehen konnte weiss ich nicht, aber irgendwie haben wir es nie geschafft, über Probleme in unserer Beziehung zu reden. Hinzu kam, dass mein Mann beruflich bedingt in den letzten Jahren nur am Wochenende zuhause war, teilweise auch halbjährliche Aufenthalte im Ausland hatte. Körperliche Nähe existiert bei uns seit Jahren schon nicht mehr.
Es kam der Tag Ende 2002, an dem mich meine Einsamkeit in einen Chat trieb. Ich plauderte und vertrieb mir meine Zeit, und es kam wie es vermutlich immer kommt, ich lernte einen Mann kennen, dem ich mich immer näher fühlte. Ich verliebte mich in ihn, selbst als ich spürte, dass da noch eine andere Frau in seinem Leben ist, konnte ich meine Gefühle für ihn nicht abtöten. Ich muss zugeben, dass ich lange an ihm und seiner Zuneigung zweifelte, was sich im letzten Sommer auch als richtig herausstellte, da er bis Ende 2003 Kontakte mit anderen Frauen pflegte, die in meinen Augen über das normale Maß einer Bekanntschaft hinaus gingen.
Diese Kontakte, die er damals immer abstritt, die ich aber dennoch fühlte, ließen mich in ein Verhaltensmuster fallen, in dem ich „klammerte“, was ihn natürlich nur abschreckte, zumal er immer sagte, ich würde meinen Mann eh nie verlassen. Er zweifelte von Anfang an an der Perspektive für unsere Beziehung.
Anfang 2004 musste er zwangsweise sein Haus verkaufen, da er es nicht mehr finanzieren konnte. Es war eine schlimme Zeit für ihn, die uns aber letztlich enger zusammen gebracht hat. Erstmals hatte ich das Gefühl, nicht mehr eine unter „vielen“ zu sein.
Da mein Mann im Sommer mal wieder ein halbes Jahr im Ausland war, verbrachte mein Freund über einen Monat bei mir. Dieser Alltagstest sollte zeigen, ob uns mehr verbindet, als eine schlichte Chat-Liaison. Ich muss sagen, dass dieser Sommer die glücklichste Zeit im meinem Leben war: Erstmalig sah ich, wenn ich nach Hause kam, echte Liebe in seinen Augen.
Es war uns beiden klar, dass ich mit meinem Mann zunächst in Urlaub fahren werde, wenn er aus dem Ausland zurück kommt. Eine Trennungsgespräch über eine so weite Entfernung hinweg erschien mir unfair und wenig tolerabel. Ich erlebte zwei schlimme Urlaubswochen, in denen mein Mann immer fragte, was denn los sei, da ich seiner Aussage nach immer traurig guckte. Ich gab ihm nur ausweichende Antworten, da ich es nicht richtig fand, ihn im Urlaub damit zu konfrontieren, da wir dort ja auch keinerlei Möglichkeiten hatten, uns aus dem Weg zu gehen.
Als ich aus dem Urlaub kam, verhielt sich mein Freund ungewöhnlich abweisend, ich wusste einfach nicht, ob ihm der Sommer mit mir gezeigt hatte, dass ich nicht die richtige bin. Ich begann wieder zu „klammern“. Zu allem Übel kam hinzu, dass ich Angst hatte, schwanger zu sein. Ich fragte meinen Freund, der kurz vor einer Reise mit seinen Eltern stand, ob er die Reise absagt, wenn sich der Test als positiv herausstellt und mir dann bei den anstehenden Entscheidungen beistehe. Seine Antwort war, dass er das noch nicht wisse. Er kam mich dann besuchen und war sehr verletzt, das ich nicht die erste Nacht seines Aufenthaltes mit ihm im Hotel verbrachte, weil mein Nachbar mich hatte das Haus verlassen sehen. Von dieser Verletzung erfuhr ich allerdings erst als er sich von mir trennte. Meine „Klammerei“ führte dazu, dass er sich immer mehr zurück zog, auch auf meine Nachricht, dass ich begonnen habe, mit meinem Mann zu sprechen, reagierte er sehr zurückhaltend, als ob ihn das alles nicht beträfe.... ich wurde immer unsicherer. Zwei Tage vor Weihnachten, besprachen wir, wie wir unseren problematischen Umgang im Chat miteinander verbessern können. Ich hatte das Gefühl, dass wir endlich wieder einen Weg gefunden hatten. Als er mir am nächsten Tag sagte, dass er es nicht könne und sich auch an das Gespräch am Vortag nicht erinnern wollte, war ich am Boden zerstört und verließ den Chat weinend.
Am nächsten Tag fuhr er zu seiner Familie und schickte mir noch eine Mail, in der er mir für die schöne Zeit dankte, aber derzeit nicht wisse, wie es weitergehen solle. Wir mögen doch die Weihnachtszeit nutzen, um uns über alles im klaren zu werden. Wir schickten uns in der Zwischenzeit SMS, die relativ „normal“ erschienen. Seine letzte SMS war, dass er jetzt nach Hause fahre (es war sein Geburtstag). Auf meine SMS und Mails, die ich ihm daraufhin schickte, bekam ich an dem Tag keine Antwort mehr, was mir Sorgen machte.
Am nächsten Tag sah ich ihn im Chat und konfrontierte ihn damit, dass er sich gar nicht mehr gemeldet habe (obwohl er im Chat gewesen war, so dass er zumindest eine Mail hätte schreiben können) und ich mir Sorgen gemacht hätte, dass etwas passiert sei. Ich bekam zur Antwort, dass er Besuch gehabt hätte und im Übrigen ja über Zugunglücke im TV berichtet würden. Im Übrigen hätte er keine Lust gehabt, sich meine Jammereien an seinem Geburtstag anzuhören. Ich konnte nach meiner ersten Empörung nur noch matt erwidern, dass ich ihm seinen Geburtstag nicht hatte verderben wollen, man sich aber auch Sorgen machen kann, wenn man nicht weiss, ob der Liebste evt. zu Hause allein sitzt und sich grämt.
Nur wenige Tage danach beendete er unsere Beziehung. Ich muss gestehen, dass mir erst zu dem Zeitpunkt klar wurde, wie sehr ich ihn verletzt haben muss, denn so kalt wie er sich jetzt mir gegenüber verhielt und die Vorwürfe, die er mir nun machte, habe ich vorher nicht realisiert.
Er sagt, dass er mein Freund bleiben will, aber sein eiskaltes Verhalten und sein Zynismus straft seine Worte lügen. Auch seine Aussage, dass er kein Bedürfnis habe, mit mir zu reden und es daher von mir ausgehen müsse, zeigt keine Spur unserer ehemaligen Freundschaft. Ich habe mich sogar soweit erniedrigt, ihn zu bitten, mir ins Gesicht zu sagen, was für eine miese Freundin ich ihm war. Aber ich habe einen Rückzieher gemacht, als ich merkte, wie unangenehm ihm das war, und er einem Treffen letztlich nur zustimmte, um endlich seine Ruhe zu haben. Er sagt, dass er mich nicht sehen will, bis er das Gefühl hat, dass ich ihn nicht mehr will. Auf meine Frage, was für ihn daran so schlimm sei, denn es reiche doch, wenn einer von zweien nicht will, bekam ich keine Antwort. Er erzählte mir aber, dass er sich zwischenzeitlich mit einer anderen Chatterin getroffen hat, wobei das Date nicht so ausging, wie er es sich erhofft hatte.
Ich habe immer gesagt, dass ich es nicht will, dass unsere Beziehung – wenn sie schon enden muss – auf diese Weise endet. Ich habe genaugenommen keine richtigen Freunde, daher ist die Lücke, die mein Freund gerissen hat so unermesslich schmerzlich. Schon früher habe ich mich manchmal einsam gefühlt, aber damals wusste ich auch nicht, dass einem ein Mensch jemals so nahe stehen kann. Ich vermisse diese Nähe so sehr.
Ich liebe ihn noch so sehr, dass kein Tag vergeht, an dem ich nicht in Tränen aufgelöst bin.
Gleichzeitig quäle ich mich mit dem Wissen, dass ich meinen Mann niemals glücklich machen werde und ich ihn daher verlassen muss, auch wenn ich mich dazu derzeit nicht wirklich in der Lage fühle. Ich hätte diesen Schritt viel früher tun müssen. Auch diese Schwäche lässt mich weinen.
Ich danke Euch, dass ihr den Mist gelesen habt. Es war mir einfach wichtig, es mal aufzuschreiben. Ich bin mir bewusst, dass die Wahrheit immer die Wahrheit eines einzelnen darstellt, aber da ich ein sehr selbstkritischer Mensch bin, denke ich, dass ich die Geschichte nicht zu sehr zu meinen Gunsten gefärbt habe.
20.02.2005 13:01 •
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