Ich an Deiner Stelle würde es Deiner Frau nicht sagen. Was bringt es Dir, wenn Du es erzählst? Was bringt es ihr?
Fremdverliebtheit kann passieren, aber muss man denn unbedingt darüber sprechen, wenn man ihr eh aus dem Weg gehen will?
Manche Dinge behält man besser für sich.
Könnte sein, dass Du Dich entlastet fühlst, wenn Du es Deiner Frau beichtest, aber dann hat sie den Rucksack und der wird in ihr arbeiten, ob sie es will oder nicht. Selbst wenn sie sagen würde, kann vorkommen, warte einfach bis es vorbei geht, es würde etwas in ihr verändern. Die Sicherheit, die sie bisher verspürt, wäre zumindest angekratzt.
Die Begegnung ist natürlich nicht das, was Du brauchen kannst, aber solche Dinge passieren nun mal. Auch dieser Zwischenfall muss Dich jetzt nicht auf Dauer belasten. Schieb es auf die Biochemie. Das Gefühlsgedächtnis wurde wieder angesprochen und spielt nun verrückt. Und es ist ja tatsächlich viel Biochemie dahinter, nämlich Hormone, die momentan ausgeschüttet werden, Stresshormone natürlich , die Dich in Aufruhr verseten. Du denkst nun wieder verstärkt an sie und die Sehnsucht erwacht. Gefühlscocktail halt, aber der bleibt Dir nicht ewig.
Ganz schlimm war es bei mir vor 12 Jahren. Ich hatte eine Affäre am Laufen, von der ich glaubte, sie würde mir das große Glück bringen. Meinem Mann hatte ich es gesagt, weil ich das Lügen nicht mehr ertrug. Er nahm es gelassen und sagte sich wohl, die muss jetzt laufen, hilft nichts, aber sie wird sich wieder fangen. Die Affäre gestaltete sich schon nach kurzer Zeit schwierig, die ersten Warnhinweise traten auf, die ich relativierte und verdrängte. Aber es waren klare Anzeichen, dass es keinesfalls eine glückliche Beziehung geben würde. Ich war so blöd damals, unglaublich. Hatte ich gedacht, ich würde mal eben die Ehe aufkündigen und mit wehenden Fahnen zum AM überlaufen? So einfach ist das alles ja nicht, nicht nur orgeaniatorisch. Aber das nur nebenbei. Ich sah den AM nach der Trennung auch nicht mehr wegen Fernbeziehung, das war schon mal gut. Aber dann kam ein großer Kongress unserer Sparte und trotz einer TN-Zahl von ein paar Tausend Menschen begegne ich ihm jedes Mal. Jedes Mal und wenn wir nur auf dem Gang aneianander vorbei laufen!
Ganz schlimm war dann für mich das erste Wiedersehen. Fast zwei Jahre waren vergangen und ich saß mit einem Kollegen in einem spärlich besuchten Vortrag. Da ich wusste, dass der Kollege immer auf ein EDV-Treffen geht, an dem der AM auch immer teilnimmt, fragte ich meinen Kollegen beiläufig, ob BV auch da ist, was der Kollege bejahte.
Und genau in diesem Augenblick, als ich mich nach ihm erkundigt hatte, öffnete sich die Tür und wer betritt den Saal?. Er! Unbeschreiblich, was das in mir auslöste. Herzklopfen, höhere Atemfrequenz, Schwitzhändchen, mein gesamter Körper war in Aufruhr. Körper und Geist waren in höchster Alarmbereitschaft und ich hatte nur den einen Wunsch, aus dem Saal zu laufen. Aber das ging natürlich nicht, es wäre viel zu auffällig gewesen, und so blieb ich ruhig sitzen, was schon eine Qual war, weil der Körper auf Bewegung programmiert ist, wenn er Stress verspürt.
Ich atmete ruhig weiter, so bald es möglich war und die Symptome flauten ab. Ich war irritiert, denn ich hatte ihn so lange nicht mehr gesehen und war der Meinung, dass ich darüber hinweg war. Aber das persönliche Wiedersehen brachte mich wirklich aus dem Gleichgewicht. Zumal auch hier diese seltsame Gedankenübertragung stattfand. Ich frage einen unbeteiligten Dritten nach ihm und er kommt rein. Gerade so, als ob mir das Schicksal einen Streich spielen wollte.
Beim Vortragsende verließ BV das feindliche Terrain umgehend. Ich grinste in mich hinein, ihm war es sicher nicht besser gegangen. Ich hatte ab und an vorsichtig zum ihm hingelinst und da sah ich es wieder, sein maskenhaftes Gesicht, das nichts und mir doch alles verriet. Und dann noch seine Flucht aus dem Raum. Natürlich hatte er mich gesehen, das war gar nicht anders möglich und auch ihn hatte es überrascht und betroffen gemacht..
Später sah ich ihn nochmals auf dem Gang laufen , er mich aber nicht. Ich betrachtete ihn und dachte mir, dieses seltsam schlenkerige Gangwerk, hatte mir das wirklich gefallen? Hatte es mich damals angesprochen? Offenbar.
Und dann sah ich ihn nochmals in der Firmenausstellung. Ich stand an einem Stehtisch mit einer Firmenvertreterin nahe beim Ausgang und wir lachten gerade laut über irgend etwas. Wer nähert sich dem Ausgang? Er. Pech für ihn, er hatte mich zu spät gesehen, da wäre ein Umikehren gar zu offensichtlich gewesen. Er trottete vorbei mit seinem seltsamen Gangwerk, hatte wieder seinen maskenhaften Gesichtsausdruck und grüßte freudlos. Ich grüßte natürlich zurück, aber lachend, weil ich ja gerade mit der Frau lachte.
Zufrieden dachte ich mir, geht doch. Siehst Du wohl, ich stehe hier und lache und Du trottest allein und unfroh hier rum. Das tat mir seeeeehr gut und ich gönnte es mir auch. Ich hatte genug mit ihm mitgemacht, da gönne ich mir doch mal eine kleine boshafte Freude, die keinem weh tut. Ihm vielleicht ein wenig, aber das soll mir recht seiin.
Ich treffe ihn ja jetzt jährlich, aber immer unabsichtlich und es löst mittlerweile gar nichts mehr in mir aus. Ich sage Hallo und gehe weiter. Auf Smalltalk mit ihm habe ich keine Lust, dafür gibt es nettere Kontakte als diesen Ritter von der traurigen Gestalt. Was hatte ich nur an ihm gefunden? Aber ich bekomme nicht mal mehr Herzklopfen. Er war eine Episode in meinem Leben, aus der ich aber hinterher sehr viel lernte - über mich.
Was ich Dir damit sagen will, es vergeht irgendwann, Keiner gerät nach Jahren immer wieder aus dem Gleichgewicht, wenn er einen einstmals geliebten Menschen wiedersieht.
Die Begeisterung für diese selbständige Frau wird sich verflüchtigen, aber dafür musst Du Geduld haben. Und eines Tages siehst Du sie dann und merkst, es passiert gar nichts mehr in Dir. Rechne mit Monaten, in denen es besser wird.
Fremdverliebtheit passiert, aber sie vergeht auch wieder. Und es ist ja auch viel Projektion dabei, weil Du offenbar tief beeindruckt von dieser Frau bist. Sie imponiert Dir, wie sie ihr Leben lebt und auf die Reihe bringt. Aber auch in ihrem Leben gibt es Schattenseiten, von denen Du nichts weißt und die Du nicht siehst.
Zitat von Funkenline: Manchmal kann man so eine Situation auch entzaubern, indem man die Gefühle offen legt. Das will aber gut überlegt sein.
Sehe ich auch so. Darüber zu sprechen, kann entlasten und relatvieren. Aber man sollte gut überlegen, wem man das erzählt. Muss es die Ehefrau sein, die dann enttäuscht ist, eine Trennung wittert oder den Partner mit Argusaugen überwacht und bei jeder kleinen Abweichung misstrauisch wird? Es gäbe vielleicht auch andere, neutrale Adressaten, die nicht emotional verwickelt sind.
Diese Ironie des Schicksals scheint es tatsächlich zu geben. Unglaubllich und wenn es dann passiert, wenn man gar nicht damit rechnet, überflutet es einen.
Kurz nachdem er sich getrennt hatte, war ich in einem Lokal mit ein paar Freundinnen. Ich ging dorthin obwohl ich innerlich natürlich voller Schmerz über den Verlust dieses einzigartigen und unverzichtbaren Menschen war und weil ich mir dachte, ein wenig Ablenkung täte mir gut. Keine von denen wusste, dass ich einen heftigen Liebeskummer habe. Und worauf fiel mein Blick? Auf ein offensichtlich frisch verliebtes Pärchen, das am Thresen saß. Sie lachten, kicherten und konnten kaum die Hände bei sich behalten. Ich saß da und fühlte Tränen aufsteigen, die ich hinunter schluckte. Musste das jetzt sein? Die Trennung gerade zwei Wochen her und jetzt will ich mich ablenken und muss dann so was sehen, was die Traurigkeit und Sehnsucht erst Recht wieder aktivierte? Ich wäre dort gerne gesessen, mit ihm, der mich nicht mehr wollte, aber die Realität sah anders aus.
Leider kannst Du jetzt keine neue SIM-Karte in Deine Seele einlegen, sodass es Dir nichts mehr ausmacht. Alles im Leben will durchlebt werden und Abkürzungen gibt es nicht. Ich habe jedenfalls noch keine gefunden.