Zitat von Wolfstanz: Es ist schlicht mißbräuchlich, eine Trösterbegegnung auszunutzen.
Also so genau weiß ich über die hier in Frage stehende Trösterbegegnung nicht Bescheid. Heißt, die genauen Einzelheiten kenne ich nicht. Inwieweit der Tröster der TE seine Zuneigung samt Kuss geradezu aufgenötigt hat und sie in einem hilflosen und mehr oder weniger unzurechnungsfähigen Zustand war, dass man hier einen frechen Übergriff, das Ausnützen einer Situation bzw. eines Zustandes, also letztlich eine psychische Gewalttat annehmen muss, kann ich nicht sagen, da ich nicht dabei war.
Gewirkt hat es auf mich nicht so. Zumal die TE durch diesen Missbrauch offenbar ja sogar eine Verliebtheit davongetragen hat.
Ich frage mich aber gerade, wie es wäre, wenn die Geschlechter vertauscht wären. Also dass nicht so ein hilfloses Frauchen dieser missbräuchlichen, als Trösterei getarnten Annäherung zum Opfer gefallen wäre, sondern ein trostbedürftiger gestandener Mann der S. Attacke durch eine Frau in der Rolle der Trösterin.
Ob auch dann quasi von Missbrauch, mindestens Ausnützung einer Situation massiver seelischer und noch mehr moralischer Schwäche die Rede wäre.
Oder wie fiele das werte Urteil aus, wäre die Getröstete ungebunden?
Im Übrigen und zwischendurch: Es kommt durchaus auch vor, dass sich aus einem Therapeuten-Patienten-Verhältnis eine Beziehung ergibt. Manchmal kommt auch vor, was nach den Konventionen nicht vorkommen darf. Sollte es sogar um eine womöglich große Liebe gehen, so kann ich nur sagen: Gut so! Das wirkliche Leben setzt sich bisweilen gegen jede Art von Wahnsinn durch. (Pfarrer und Pfarrersköchin ist auch so ein klassischer Fall - bei dem mir bekannten sind die beiden noch heute, 30 Jahre nach dem Skandal, zusammen.)
Jedenfalls meine ich, ein Freund, eine Freundin sind keine Therapeuten und fallen daher aus diesem Kodex mysterius ohnehin heraus.
Des Weiteren kommt mir in den Sinn: So weit ich weiß, neigen zumindest manche Frauen dazu, zur Zeit des Eisprungs in eine überhitztere Stimmung zu geraten und dann zugänglicher zu werden.
Auch das letztlich eine Ausnahmesituation mit eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit und Urteilskraft.
Wenn sich nun ein Mann an eine solche gerade aufgekribbelte Frau heranmacht (ohne von den verstandeseinschränkenden und moraldestabilisierenden Umständen zu wissen) oder auch sie sich an ihn: Dann muss nach dieser Logik ja auch hier ein Missbrauch vorliegen, das Ausnützen eines instabilen Zustandes. Selbst dann, wenn die Frau, die offenbar grundsätzlich unmündig ist und nie so recht weiß, was sie da eigentlich tut, die treibende Kraft dahinter ist.
In beiden Fällen liegen jedenfalls Bedürftigkeiten vor, die von einem Mann ausgenützt werden.
Wenn man das alles konsequent zu Ende denkt, läuft letztlich immer alles auf einen Missbrauch, auf ein Ausnützen hinaus. (Man muss nur tief genug graben.) Allein, wenn sich eine Frau verliebt - dann ist sie ja zu so manchem bereit, und der Mann nützt diesen Umstand für sein Vergnügen aus.
Oder erst die diversen Muster, die sich in der Kindheit eingeprägt haben: Allesamt tragen das Potential in sich, von irgendwelchen Halunken und Halunkinnen schamlos für das eigene Vergnügen ausgenützt zu werden. Da hat jemand meinetwegen nur die Sehnsucht nach ein bisschen mentaler Zuwendung, und schon steckt er mit einem anderen zusammen und zahlt den bitteren Preis für dieses an sich harmlose Bedürfnis.
Wir leben nun einmal in einer bösen, abartigen, hinterhältigen Welt, und es bleibt nichts, als sich mit eisernen Prinzipien und festen Dogmen im Hintergrund gegen all diese Widerlichkeiten des Lebens zu verteidigen, die da immer wieder so süßlich herangeschwappt kommen, und vor allem gegen die Verführung durch die Reize, die einem dieses Leben immer wieder mal so vor die Nase hält.
Da kann man nur willensmächtig standhaft bleiben, um nicht in Teufels Kochtopf zu landen.