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Verbogen bis kurz vorm Zerbrechen

Ema
Zitat von YsaTyto:

Und ich glaube, die Motivation weiter zu machen, irgend etwas in dieser Geisterbahnfahrt zu genießen oder etwas positives abzugewinnen, bedeutet auch, sich diesem Horror noch nicht ganz aussetzen zu wollen, so paradox es klingt. Beendet sie die Beziehung, ist sie zwar raus aus der Geisterbahn, aber muss auch fühlen, dass es wirklich eine war und nicht etwa nur ein Kinderspiel, bei dem sich alle als Geister verkleiden, danach die Masken abreißen und sich in die Arme nehmen.


Nach meiner eigenen Erfahrung triffst du den Nagel mit diesen Worten echt auf den Kopf, Ysa.

Als ich hier im Forum aufgeschlagen bin, war es ja wegen einer ganz ähnlichen Geschichte.
Allerdings habe ich nicht so lange mitgemacht. Nur etwa sieben Monate.


Ich wusste in mir selbst irgendwie, dass ich das beenden muss, um mich zu retten. Aber ich hatte gleichzeitig so ein Gefühl, dass der Schmerz, den ich während der Affäre schon in Ansätzen empfunden habe, irrsinnig werden wird, wenn ich es beende. Es war wie so eine Vorahnung. Eine Gewissheit fast.
Allein beim Gedanken daran schlotterten mir schon die Knie.

Und so kam es dann auch. Ich durchlebte die schlimmsten psychischen Schmerzen meines Lebens. Hinzu kamen noch körperliche Schmerzen (Nervenschmerzen, ausgelöst durch einen Wurf beim Aikido, einen Tag, nachdem ich es beendet hatte), die sehr real waren, die aber so richtig niemand erklären oder behandeln konnte. Psychosomatisch also.

Es war buchstäblich die Hölle. Ich habe monatelang all meine Kraft ausschließlich dafür gebraucht, diese psychischen und physischen Schmerzen irgendwie zu ertragen. Ich war zu nichts anderem mehr fähig.
Ich verstehe daher jeden, der davor Angst hat und diese Kraft (noch) nicht aufbringt.

Ich wusste für mich, tief in mir, dass ich da durch muss. Dass es für mich keine Option ist, die weniger starken Schmerzen während der Affäre zu ertragen, deren Ende aber dafür nicht abzusehen ist.
Ich wollte diesen letzten Rest Selbstbestimmung.

Heute denke ich, dieser Schmerz hatte nur sekundär mit dem Affärentypen zu tun.
Er hat ihn ausgelöst. An die Oberfläche geholt. Aus der Tiefe meiner Seele geholt, wo er jahrzehntelang gefangen war.
Ich wusste nichts von diesem Schmerz. Hatte keine Ahnung, dass er in mir sitzt.

Aber dann - nach der Trennung - war er nicht mehr zu ignorieren. Er kam mit unglaublicher Macht.
Heute denke ich, dass ich in diesen Monaten die Tränen aus Jahrzehnten geweint habe.
Es waren ganz andere - lange vor ihm - die diesen Schmerz in mir verursacht hatten. Und ich hatte es vergessen.
Ich hatte es tatsächlich vergessen.

Da war ein starker, tiefer Kummer in mir, schon mein ganzes Leben, den ich nie gespürt hatte und von dem ich nichts ahnte.

Er ist zum Teil - manchmal - immer noch da. Er ist jetzt nicht weg.
Aber ich habe keine Angst mehr vor ihm.

Das war - so denke ich - der Weg, den ich gehen musste.
Ich kenne mich selbst jetzt ein ganzes Stück besser.

Heute bin ich diesem Menschen fast dankbar. Er hat etwas in mir ausgegraben, an das ich selbst nicht herankam. Von dessen Existenz ich nicht einmal etwas ahnte.

Was er heute tut, weiß ich nicht.
Ich wünsche ihm Glück.
Ich hege keinen Groll gegen ihn.
Er hatte keine Ahnung, was er da in mir ausgelöst hat.
Aber es war gut für mich, auch wenn es erstmal irrsinnig wehgetan hat.

23.02.2019 21:36 • x 10 #421


P
Zitat von DieGute:
Das ist einfach nur eine kranke Beziehung.
Wenn es jemanden gut tut, sein Partner zu betrügen. Wie bitte?
Ganz ehrlich. Bei solchen Beziehungen bekomme ich es mit der Angst zu tun.
Und würde wegrennen.
Lass die beiden ihr Ding machen. Aber lass Dich nicht von Beiden benutzen. Und das tun sie
Nur mit dir können sie ihr Ding durchziehen.
Das fühlt sich für mich sehr beängstigend an. So als Außenstehende.


So viele treffende und gute Rückmeldungen. Ihr seid so klasse!
Dazu möchte ich einen nochmal bestärken.
Dieser Beitrag muss einfach nochmal auf der Zunge zergehen. Sehr treffend!

23.02.2019 23:03 • x 2 #422


A


Verbogen bis kurz vorm Zerbrechen

x 3


Y
@Ema

wie hast Du es geschafft, in diesen Monaten Deinen Alltag zu bewältigen? Zu leben?

Ja, vielleicht ist der Ursprungsschmerz immer ein anderer. . ., aber ich meinte dennoch mit diesem Bild auch genau den aktuellen Beziehungshorror. Kann das gar nicht anders beschreiben, als ich es tat.
Ich glaube, solange man zwischendurch auch das Gesicht gestreichelt bekommt, wird all das noch etwas von schönen Gefühlen ausgeglichen, auch wenn man permanent neu verletzt wird.

Und mir ist vor Jahren das gleiche wie Dir geschehen. Positive Folge: ich fürchte mich nicht mehr vor meinen Schmerzen, hab sie aber natürlich nicht gern!
Was mich allerdings irritiert ist, dass ich schon zuvor Bäche in Thera wegen meiner Kindheit geweint hatte, sowie wütend herum gekickt habe usw. Ich kann nicht wie Du sagen, dass mir dieses Beziehungserlebnis die Augen für vorher unbewusste Schmerzen geöffnet hat. Oder ich habe noch immer nicht kappiert, was auch gut möglich ist.
Es ist eher ernüchternd für mich: so viel Therapie mit all den durchlebtenn Gefühlen und immer noch in der Beziehungstinte?
Und ich finde es absolut sinnvoll, keinen Groll gegen ihn zu haben. Das ist vielleicht auch eine Folge, wenn man wirklich losgelassen hat? Geht mir auch so. Ich kann gut loslassen und verzeihen.
Aber dankbar bin ich nicht weil es etliche Menschen gibt, die sich in so einer Situation das Leben nehmen. Nicht alle wachsen daran. Daran ist der Partner nicht allein schuld, zumal da wohl immer noch viel tiefer liegende Gründe mit hinein spielen, aber wenn ein empathieloser Mensch es hinnehmen würde, dass sein Partner zugrunde geht, dann kann ich auch dann nicht dankbbar sein, wenn ich persönlich stärker daraus hervor gegangen bin.
Ich habe im Bekanntenkreis mitbekommen, wie sich 2 Frauen in so einer Situation umbrachten. Klar kann man dann immer sagen, sie waren schon vorher traumatisiert usw., aber manchmal kommen einfach viele Dinge zusammen, dass ein Mensch allen Lebensmut verliert. Vielleicht hat er zugleich gerade noch einen Todsfall zu beklagen oder was auch immer. Und dann kann es passieren, dass ein empathieloser Partner einem den Rest gibt.
Darum von meiner Seite eher keine Dankbarkeit

23.02.2019 23:06 • x 5 #423


E
Wegen dem, was manche hier beschreiben Ursprungsschmerz - und dass das alles schon vor der Affäre da war usw - in meiner Geschichte (ähnlich wie die der TE) ging es mir ähnlich.

Ich hatte so eine unbeschreibliche Wut und einen so enormen Schmerz wegen diesem Mann und wegen dieser Geschichte (sah teilweise auch keinen Lebenssinn mehr), dass ich mich manchmal frage, ob es wirklich nur an der Affäre liegt.

Aber woran denn dann?
Was sind das denn für alte Schmerzen bzw was waren diese bei EUCH?

23.02.2019 23:24 • x 3 #424


Y
Ich denke, wenn man extrem lange oder wiederholt an etwas destruktivem festhält, dann wird es vermutlich Ursachen in der Kindheit haben.

Ansonsten denke ich, dass man auch sukzessive in etwas hinein geraten kann. Aber auch heraus!
Hab mich gerade mit einer Frau darüber unterhalten. Bis sie ca. 33. war nur Pech in der Liebe. Nix destruktives, aber null Erfüllung. Ewiges Sehnen nach einem vergebenem Mann und solche Dinge. Und mit 33. super Partner gefunden und seit bald 1O Jahren läuft die Beziehung gut. Manchmal wohl auch einfach Zufall. Bis 33. hätte man ihr vielleicht einen in der Kindheit unerreichbaren Vater diagnostiziert

23.02.2019 23:38 • x 3 #425


Ema
Zitat von YsaTyto:
. ., aber ich meinte dennoch mit diesem Bild auch genau den aktuellen Beziehungshorror. Kann das gar nicht anders beschreiben, als ich es tat. Ich glaube, solange man zwischendurch auch das Gesicht gestreichelt bekommt, wird all das noch etwas von schönen Gefühlen ausgeglichen, auch wenn man permanent neu verletzt wird.


Ja, da hast du recht.
Es ist nicht nur der Ursprungsschmerz.
War es bei mir auch nicht.
Ich habe auch um diesen Menschen geweint. Um diese Liebe. Sehr sogar.
Und dein Bild, dass man vieles hinnimmt, solange man zwischendurch auch das Gesicht gestreichelt bekommt, das trifft es in meinen Augen schon wieder ganz wunderbar.

Aber ich denke eben jetzt - ich weiß es - dass ich nicht nur um diese Liebe geweint habe.
Der Schmerz um ihn war echt. Aber der tiefe Schmerz, der gleichzeitig an die Oberfläche kam, der ist auch verdammt echt. Und ich wusste wirklich rein gar nichts davon. Viele Jahrzehnte nicht.

Und ja: Dankbarkeit ist sicher das falsche Wort.
Er wusste ja gar nicht, was er tut und was er auslöst. Weder im Guten, noch im Schlechten. Es war keine Absicht von ihm. Insofern ist Dankbarkeit das falsche Wort.

Sagen wir, ich bin insgesamt dankbar, dass ich jetzt viel mehr Zugang zu meinen Gefühlen habe.
Diesen Zugang hatte ich nämlich tatsächlich nur eingeschränkt.
Ich denke, ich habe in meinem Leben davor unbewusst alles getan, um bestimmte Gefühle nicht fühlen zu müssen. Eben genau deshalb, damit ich diesen tiefen Kummer in mir nicht wahrnehmen musste.
Das bedeutete aber auch, insgesamt sehr eingeschränkt in meiner Gefühlswelt zu sein. Und vor allem bedeutete es, dass Gefühle wie Schmerz und Trauer - aber auch Angst - bei mir ständig von anderen Gefühlen, vor allem von Wut, überlagert waren.
Das war mir überhaupt nicht bewusst.
Diese Wut hatte Vorteile.
Sie hat mich davor bewahrt, zusammenzubrechen.
Aber sie hatte eben auch starke Nachteile. Vor allem den, dass ich selbst nicht wusste, was wirklich in mir steckt.

Kennst du den:

I sat with my anger long enough until she told me, her true name was grief.


Das trifft auf mich genau zu.

Und ja, du hast recht: Manche Menschen bringen sich in so einer Situation um.
Weil sie es eben nicht aushalten.

Sagen wir also so: Ich bin nicht wirklich IHM dankbar.
Aber ich bin letztlich dankbar, dass es so gekommen ist.

24.02.2019 09:22 • x 5 #426


E
@Ema
Darf ich fragen, was bei dir dahintersteckte? Welcher Schmerz war es denn, der bei dir an die Oberfläche kam?

24.02.2019 09:25 • #427


Ortrere
Wenn ich hier virtuell einen Kniefall hinlegen könnte, dann jetzt! Ihr seid so wunderbar, so liebenswert, so hilfreich, so engagiert, ich könnte weinen vor Dankbarkeit!
Aus jedem Eurer Beiträge nehme ich etwas mit und knüpfe in meinem Kopf am Rettungsseil. Ein paar Schlaufen habe ich jetzt gerade wieder fertig.
Zitat von EchtJetzt:

Nein,ist es nicht.Du nimmst es wahr und auch dir werden irgendwann die Rechtfertigungen ausgehen.Nimm es weiter wahr und schaue es dir interessiert an,anstatt es negativ zu bewerten.

Zitat von DieGute:
Das finde ich auch. Schau es dir an. Als ob die Ortrere eine Freundin von Dir wäre. Mit etwas Abstand. Aus einem anderen Blickfeld. Sichtweise ändern. Sieh Dir das Ganze mal als Außenstehende an. Beobachte Dich, beobachte ihn,

Das habe ich diese Woche begonnen. Und letzte Nacht sehr lange gemacht. Ich erzähle es gleich, möchte aber erst auf Eure wunderbaren Anstöße eingehen....
Zitat von Isely:
Warum fragt man nicht gleich zu Anfang, ob der Typ gebunden ist ?...., war ich eigentlich ab Tag 1 ständig mit dem jeweiligen Mann verbunden, ob Treffen zu allen Uhrzeiten, auch zu Unzeiten, zig Telefonate am Tag, auch zu allen Zeiten. Da merke ich doch ruck zuck, ob es da nicht doch noch eine Ehefrau gibt.

Liebe Isely, wir sind da völlig d'accord: wir waren permanent zusammen, haben jede Minute freie Zeit zusammen verbracht, er hat nach ca. 2 Monaten quasi bei mir gewohnt, wir waren im Urlaub, haben Millionen Nachrichten in den Stunden dazwischen geschickt...ich wäre im ersten halben Jahr NIEMALS auf den Gedanken gekommen, dass er ein Doppelleben führt. Und danach fing es ganz, ganz langsam an, dass es Tage gab, wo er plötzlich nicht so erreichbar oder verfügbar war. Falls ich das noch nicht erzählt habe, es ist noch eine perverse Krönung! Seine LG war nämlich im KH, die Schönheits-OP war nicht gut gegangen und sie war monatelang in Reha und Nachbehandlung. Es ist zum Brechen, oder?!
Zitat von Hanne123:
Pass, pass, pass auf Dich auf ...

Mit Euch zusammen klappt das sehr viel besser, als ich das ja ganz offenbar alleine kann. So oft, seitdem ich hier aufgeschlagen bin, habe ich gedacht: hätte ich dieses Forum nicht vor 3, 2 oder wenigstens einem Jahr finden können?
Zitat von YsaTyto:
ja, das ist ein wesentlicher Punkt. Aber Ortrere schrieb ja, dass es ihr auch zuvor nicht gut ging. Das macht die Abösung viel schwieriger, denn sonst hätte sie die Gewissheit, dass es ihr auch wieder gut gehen kann. ....
Nimmt man das als betroffener alles ernst und erlebt es, ist es doch ein Albtraum. Und ich glaube, die Motivation weiter zu machen, irgend etwas in dieser Geisterbahnfahrt zu genießen oder etwas positives abzugewinnen, bedeutet auch, sich diesem Horror noch nicht ganz aussetzen zu wollen, so paradox es klingt.

Für mich klingt das nicht paradox. Es ist eine sehr alte Erfahrung, manifestiert im bekannten Spruch Pest oder Cholera. Menschen entscheiden sich für das (vermeintlich) kleinere Übel. Und wenn an diesem Übel auch noch Momente der Befriedigung hängen, wird es noch schwerer. Und wenn dann das (vermeintlich) größere Übel aus bisheriger Erfahrung unbekannt ist, oder an eine fürchterliche Verletzung aus gar nicht so langer Zeit vorher erinnert, dann drehst Du Dich im Kreis. Also ich.
Zitat von YsaTyto:
Ich glaube, solange man zwischendurch auch das Gesicht gestreichelt bekommt, wird all das noch etwas von schönen Gefühlen ausgeglichen, auch wenn man permanent neu verletzt wird.

Das ist das Grundproblem. Dem ich mich letzte Nacht ein kleines bisschen genähert habe. Nachher mehr dazu. Erst einmal bin ich zutiefst betroffen von @Ema :
Zitat von Ema:
Da war ein starker, tiefer Kummer in mir, schon mein ganzes Leben, den ich nie gespürt hatte und von dem ich nichts ahnte.

Zitat von Ema:
Heute denke ich, dieser Schmerz hatte nur sekundär mit dem Affärentypen zu tun.
Er hat ihn ausgelöst. An die Oberfläche geholt. Aus der Tiefe meiner Seele geholt, wo er jahrzehntelang gefangen war.
Ich wusste nichts von diesem Schmerz. Hatte keine Ahnung, dass er in mir sitzt.


Ema, ich glaube, Du hast gerade einen sehr tief in mir sitzenden Punkt angekratzt. Ich friere am Rücken, seit ich Deinen Beitrag gelesen habe und irgend etwas in mir weint.

Ich erzähle später von gestern/heute, denn zusammen mit dieser Beschreibung bekommt so manches eine neue Bedeutung. Danke

24.02.2019 09:27 • x 4 #428


E
@Ortrere

Zitat:
Es ist zum Brechen, oder?!

Oh ja, und wie! Bekomme da schon wieder leichte Wut.
Ich hoffe so sehr, dass du dich vollständig von ihm befreien kannst und er das bekommt, was er verdient!

24.02.2019 09:32 • x 1 #429


R
Zitat von Ortrere:
Wenn ich hier virtuell einen Kniefall hinlegen könnte, dann jetzt! Ihr seid so wunderbar, so liebenswert, so hilfreich, so engagiert, ich könnte weinen vor Dankbarkeit!
Aus jedem Eurer Beiträge nehme ich etwas mit und knüpfe in meinem Kopf am Rettungsseil. Ein paar Schlaufen habe ich jetzt gerade wieder fertig.


Das habe ich diese Woche begonnen. Und letzte Nacht sehr lange gemacht. Ich erzähle es gleich, möchte aber erst auf Eure wunderbaren Anstöße eingehen....

Liebe Isely, wir sind da völlig d'accord: wir waren permanent zusammen, haben jede Minute freie Zeit zusammen verbracht, er hat nach ca. 2 Monaten quasi bei mir gewohnt, wir waren im Urlaub, haben Millionen Nachrichten in den Stunden dazwischen geschickt...ich wäre im ersten halben Jahr NIEMALS auf den Gedanken gekommen, dass er ein Doppelleben führt. Und danach fing es ganz, ganz langsam an, dass es Tage gab, wo er plötzlich nicht so erreichbar oder verfügbar war. Falls ich das noch nicht erzählt habe, es ist noch eine perverse Krönung! Seine LG war nämlich im KH, die Schönheits-OP war nicht gut gegangen und sie war monatelang in Reha und Nachbehandlung. Es ist zum Brechen, oder?!

Mit Euch zusammen klappt das sehr viel besser, als ich das ja ganz offenbar alleine kann. So oft, seitdem ich hier aufgeschlagen bin, habe ich gedacht: hätte ich dieses Forum nicht vor 3, 2 oder wenigstens einem Jahr finden können?

Für mich klingt das nicht paradox. Es ist eine sehr alte Erfahrung, manifestiert im bekannten Spruch Pest oder Cholera. Menschen entscheiden sich für das (vermeintlich) kleinere Übel. Und wenn an diesem Übel auch noch Momente der Befriedigung hängen, wird es noch schwerer. Und wenn dann das (vermeintlich) größere Übel aus bisheriger Erfahrung unbekannt ist, oder an eine fürchterliche Verletzung aus gar nicht so langer Zeit vorher erinnert, dann drehst Du Dich im Kreis. Also ich.

Das ist das Grundproblem. Dem ich mich letzte Nacht ein kleines bisschen genähert habe. Nachher mehr dazu. Erst einmal bin ich zutiefst betroffen von @Ema :



Ema, ich glaube, Du hast gerade einen sehr tief in mir sitzenden Punkt angekratzt. Ich friere am Rücken, seit ich Deinen Beitrag gelesen habe und irgend etwas in mir weint.

Ich erzähle später von gestern/heute, denn zusammen mit dieser Beschreibung bekommt so manches eine neue Bedeutung. Danke


Mir ging es beim Lesen genauso. Danke Ema!

24.02.2019 09:34 • x 3 #430


E
Ja, wirklich interessant, @ema.

Mein AM war die Zielscheibe meines inneren Schmerzes. :O
Nur wie findet man raus, was das für ein Schmerz in einem ist?!

24.02.2019 09:37 • #431


Hallatar
Zitat von Ema:

Ja, da hast du recht.
Es ist nicht nur der Ursprungsschmerz.
War es bei mir auch nicht.
Ich habe auch um diesen Menschen geweint. Um diese Liebe. Sehr sogar.
Und dein Bild, dass man vieles hinnimmt, solange man zwischendurch auch das Gesicht gestreichelt bekommt, das trifft es in meinen Augen schon wieder ganz wunderbar.

Aber ich denke eben jetzt - ich weiß es - dass ich nicht nur um diese Liebe geweint habe.
Der Schmerz um ihn war echt. Aber der tiefe Schmerz, der gleichzeitig an die Oberfläche kam, der ist auch verdammt echt. Und ich wusste wirklich rein gar nichts davon. Viele Jahrzehnte nicht.

Und ja: Dankbarkeit ist sicher das falsche Wort.
Er wusste ja gar nicht, was er tut und was er auslöst. Weder im Guten, noch im Schlechten. Es war keine Absicht von ihm. Insofern ist Dankbarkeit das falsche Wort.

Sagen wir, ich bin insgesamt dankbar, dass ich jetzt viel mehr Zugang zu meinen Gefühlen habe.
Diesen Zugang hatte ich nämlich tatsächlich nur eingeschränkt.
Ich denke, ich habe in meinem Leben davor unbewusst alles getan, um bestimmte Gefühle nicht fühlen zu müssen. Eben genau deshalb, damit ich diesen tiefen Kummer in mir nicht wahrnehmen musste.
Das bedeutete aber auch, insgesamt sehr eingeschränkt in meiner Gefühlswelt zu sein. Und vor allem bedeutete es, dass Gefühle wie Schmerz und Trauer - aber auch Angst - bei mir ständig von anderen Gefühlen, vor allem von Wut, überlagert waren.
Das war mir überhaupt nicht bewusst.
Diese Wut hatte Vorteile.
Sie hat mich davor bewahrt, zusammenzubrechen.
Aber sie hatte eben auch starke Nachteile. Vor allem den, dass ich selbst nicht wusste, was wirklich in mir steckt.

Kennst du den:

I sat with my anger long enough until she told me, her true name was grief.


Das trifft auf mich genau zu.

Und ja, du hast recht: Manche Menschen bringen sich in so einer Situation um.
Weil sie es eben nicht aushalten.

Sagen wir also so: Ich bin nicht wirklich IHM dankbar.
Aber ich bin letztlich dankbar, dass es so gekommen ist.


Das erste Mal, dass ich glaube, zu verstehen, warum Dinge bei mir so sind, wie sie sind. Danke. Dein Text hat mir gerade total weitergeholfen.

24.02.2019 09:43 • x 4 #432


Ema
Zitat von SweetSeduction:
@Ema
Darf ich fragen, was bei dir dahintersteckte? Welcher Schmerz war es denn, der bei dir an die Oberfläche kam?


Ach, das klingt so banal, wenn man es erzählt.

Da war zunächst eine Mutter, die mich nicht lieben konnte, obwohl sie es wollte.
Sie konnte es einfach nicht.
Sie hat mich, mein ganzes Wesen, meine ganze Art zu sein, zutiefst abgelehnt.
Das ist bis heute so.
Die Gründe dafür stecken natürlich in ihrer eigenen Geschichte.

Da war ein Vater, der mich zwar irgendwie schon geliebt hat, aber auf eine sehr verschrobene und falsche Art und dessen wahre Liebe der Alk. war. Der Alk. war halt sein Weg, seinen eigenen Schmerz nicht fühlen zu müssen.
Und alle, die er eigentlich geliebt hat, mussten als Preis für diese Liebe seine Gewalttätigkeit, seine Wutausbrüche, seine Unberechenbarkeit und noch einiges mehr ertragen.

Das Verrückte ist, dass ich mich zwar sehr wohl an einiges erinnern konnte, was sehr unschön war, aber die dazugehörigen Gefühle waren jahrzehntelang einfach weg.
Ich dachte so ungefähr: Jo, war halt so. Nicht so schön. Aber es gibt viel Schlimmeres. Ist ja vorbei.

Nee. War eben nicht vorbei. Es steckte tief in mir drin und ich wusste es nicht.

Und im Fall meiner Mutter wäre ich nicht einmal auf die Idee gekommen, dass die tatsächlich unfähig war mich zu lieben.
Diese Erkenntnis kam mir echt erst im Zusammenhang mit diesem Affärenschmerz.

Dabei ist es aus meiner jetzigen Sicht total offensichtlich:
Immer wieder Abwertungen. Was meinen Charakter betrifft, meine Persönlichkeit, mein Wesen. Immer wieder.
Sie hat auch mein Aussehen, meinen Körper abgewertet.
Aber es war mir einfach nicht bewusst.
Das klingt verrückt, ich weiß.

Ich habe das natürlich schon irgendwie zum Teil wahrgenommen und da war auch immer etwas, wogegen ich gekämpft habe. Ich habe mehrmals in meinem Leben den Kontakt zu ihr abgebrochen.
Aber mir war echt nicht bewusst, wie weh mir das alles tut.
Gespürt habe ich überwiegend Wut und Widerstand.

Jetzt ist es klarer. Viel, viel klarer.

24.02.2019 09:52 • x 4 #433


E
Wow.... sehr interessant ...
Das mit dem Abwerten kenne ich!
Dachte immer, naja so sind Mütter halt. Wollen nur das Beste für einen.. aber erfahre auch ständige Kritik.
Ok zu sein wie man ist - eher sehr fremd für mich.

24.02.2019 10:02 • x 2 #434


Hallatar
Zitat von Ema:
Aber mir war echt nicht bewusst, wie weh mir das alles tut.

Hast Du das jemals mit ihr besprochen? Oder sagst Du, es interessiert sie ohnehin nicht und kommt nicht bei ihr an? Ich frage, weil mir nicht ganz klar ist, ob das reine Wissen um diesen Ursprungsschmerz ausreicht oder ob man besser den Verursacher damit konfrontiert, um damit abschließen zu können.

24.02.2019 10:07 • #435


A


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