Zitat von Dauerverliebt: Wie in aller Welt kann man da auf die Idee verfallen, dass das Verhalten singulär auf den anderen bezogen ist?
Tja ne.
Ich habe eine Theorie, die aber, bevor es wieder losgeht, keine Rechtfertigung ist noch sich hier irgendjemand an mir als Stellvertreter abarbeiten muß, um mir zu beweisen, wie unschlüssig das Ganze ist!
Kennst Du den Satz von der Eheschließung? Frauen hoffen, daß sich der Mann danach verändert; Männer hoffen, daß ihre Frauen sich danach niemals ändern?
Kennst Du zudem diese immer wiederkehrende Beiträge im Forum, in denen Männer glauben, diese könnten BLerinnen oder nennen wir sie verhaltenskreative Frauen retten oder Frauen bei offensichtlich schwer gestörten Männern bleiben, in der Hoffnung, diese würden sich ändern?
Worauf ich hinaus will, wir alle, auch Du und ich, sind getrieben von gewissen Fehlannahmen über unsere Wirkungsmöglichkeiten.
Kriege, Unfälle, Krankheiten passieren immer den anderen. Wir wissen natürlich, daß dies nicht logisch ist, wir kennen die Statistik, aber dennoch blendet unser Gehirn dies oft genug aus. Zunächst ist das auch gut so, weil das ein Schutzmechanismus unserer Psyche ist. Kein Mensch bleibt irgendwie handlungsfähig, wenn er ständig Robotergleich alle tatsächlichen Risiken in der gesamten Logik bei jeder kleinen Bewegung kalkulieren müsste. Jeder einzelne von uns würde wahnsinnig werden, siehe allgemeine Angststörungspatienten, wenn wir dies täten.
Wir halten fest, mir passiert das aber nicht ist ein völlig gesunder Gedanke unserer Psyche.
Im Anschluss daran wirken individuelle Mechanismen.
Menschen haben nicht immer besonders gesunde Muster. Nimm zB trauma re-enactment, also das manche Menschen immer wieder eine gewisse Situation herbeiführen, um diese endlich zu einem guten Ende zu bringen, sich dabei aber immer nur in der Wiederholung einer für sie meist in der Kindheit liegenden traumatischen Situation befinden (siehe auch Daddy issues oder eben die Vorstellung, daß der ebenfalls (!) gebundene Affärenpartner das gleiche erlebt, wie man selbst und sich daher natürlich für einen entscheidet und die Situation nur so ist, weil die nicht wissenden Ehepartner so gemein/herablassend/unfähig/blind etc sind).
An der Stelle wäre es halt schon sehr gescheit, zu differenzieren, ob Du eine Situation bewertest, in der beide gebunden sind oder nur einer, denn die Rechtfertigung für die offensichtliche kognitive Dissonanz ist eine andere.
Wenn beide gebunden sind, kommst Du immer in eine ich habe eine Affäre, weil der legitime Ehepartner dies, jenes oder anderes getan hat (resentment) Argumentation und der darauf folgenden Annahme, dass der neue erstens das gleiche erlebt!* Danach wird die vermeintliche Rechtfertigung (ich konnte nicht anders blub) auf den anderen übertragen und damit natürlich auch der Schluss möglich wird, hätte dieser/diese mich und ich ihn/sie zum Ehepartner wären wir nicht in der Situation, ergo mir passiert das nicht.
*Überleg mal, Trennungsschmerz entsteht zu großen Teilen aus der Erkenntnis, daß einer von beiden sehr, sehr schmerzlich erkennen muß, daß, was er für eine gemeinsame Vorstellung gehalten hat, eben nur eine einseitige war.
Wenn nur einer gebunden ist, ist es ein bißchen anders. Nehmen wir an, der nicht gebundene Teil weiß um die Gebundenheit des anderen. Dann findest Du hier sehr oft den Satz, ich habe das bzw ihn/sie am Anfang gar nicht Ernst genommen. Da sind wir bei dem, was ich heute Vormittag schrieb, Beschränkungen können erleichternd oder freiheitsfördernd sein. Das will jetzt keiner hören, aber in vielen Fällen sind diese ungebundenen Affärenmenschen auf die eine oder andere Art jedenfalls in dem Moment nicht frei. Selbstverständlich sehen auch diese sich nach Liebe, Zuneigung und Zweisamkeit, aber sie können sich in dem Moment entweder nicht vollständig auf einen nicht vergebenen Menschen einlassen oder sie haben den Eindruck, daß keine nicht vergebenen Menschen zur Verfügung stehen. Auch da wieder gilt es zu differenzieren.
Schließlich und endlich landen dann alle aber in einer sunken cost fallacy. Der/die vergebene, der/die in der Hauptbeziehung verbleibt. Der/die nicht Vergebene, der/die ewig weiter glaubt, der andere würde sich schon noch trennen etc.
Also unterm Strich: Wir glauben, das schlechte passiert immer den anderen, aber nicht einem selbst. Wir überschätzen zudem eklatant unsere Wirkungsmöglichkeiten. Und schließlich fallen wir alle auf die eine oder andere Art und Weise der sunken cost fallacy zum Opfer.
Und all das ist natürlich eine sehr verkürzte Darstellung, aber es wäre mE es absolut wert, darüber offen zu plaudern, tun wir aber nicht, weil es ständig mit irgendwelchen mit Verlaub aber sinnlosen Moraldiskussionen und Empörungsnummern zugekleistert wird.
Affären beruhen letztlich auf den gleichen Mechanismen, die eben auch in Beziehungen und ansonsten allgemein wirken.
Wenn Du fragts, wieso eine Affäre nicht daran denkt, daß diese doch genau vor Augen geführt bekommt, wie amoralisch sich der vermeintlich Geliebte doch verhält, mußt Du eben mit gleicher Logik fragen, wieso eigentlich Menschen heiraten bzw ohne Ehevertrag heiraten, wenn sie doch jeden Tag aufs Neue vorgeführt bekommen, daß Ehen nicht halten.
Der Unterschied ist, das eine halten wir für Verurteilens wert während wir das andere als erstrebenswert klassifizieren.