Zitat von Genussmensch: Wenn man die Partnerin als vertrauenswürdig betrachtet, an ihre Loyalität glaubt, sie liebt, um es vereinfacht auszudrücken, sein letztes Hemd für sie geben würde, dann handelt es sich nicht um Besitzdenken.
Zitat von Blanca: An diesem Punkt stimme ich zu. Also daß es hier um ein bestimmtes Bild geht, das man sich von einer (geliebten) Person gemacht hat. Und das nun völlig zerschrammt am Boden liegt und darum bettelt, doch bittschön wieder in den Rahmen da oben an der Wand reinzudürfen.
Zitat von Wurstmopped: Vertrautheit beruht auf dem Bild, was wir uns von dem geliebten Partner zeichnen.
So wie wir ihn wahrnehmen oder gerne wahrnehmen wollen. Das muss jedoch nicht der Realität entsprechen.
Zitat von Wurstmopped: Ich achte jetzt darauf, dass ich meiner Partnerin kein Denkmal mehr baue und Vertrautheit nur bis zu einem gewissen Maß zulasse. Ich möchte keine Frau an meiner Seite, mit der ich fast symbiotisch zusammen lebe.
Ich stimme @Genussmensch weiterhin darin zu, daß Vertrauen nicht notwendigerweise mit
Besitzdenken zu tun hat. Auch die von Dir geschilderte Vertrautheit nicht.
Ehe, Familie, gemeinsamer Immobilienbesitz etc. - das sind schon rechtlich sehr weitreichende Schritte, bei denen von vornherein klar ist, daß man sie nicht wieder so einfach wird rückabwickeln können, sollte das Beziehungsschiff irgendwann mal nachhaltig aus dem Ruder laufen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß jemand mit gesundem Menschenverstand sich auf sowas einläßt,
ohne daß eine Menge Vertrauen im Spiel ist. Da könnte man sein Glück ja auch gleich in der Spielhalle versuchen.
Natürlich ist es wichtig, daß man innerhalb einer Beziehung auf Augenhöhe miteinander kommuniziert und auch Konflikte gesund ausstreiten kann. Dazu gehört für mich übrigens auch, daß man nicht gleich beim ersten Problem alles in Frage stellt und mit Trennung droht.
Mindestens genauso erforderlich ist aber IMO, daß man sich über wesentliche Rahmenbedingungen nachhaltig (ohne faule Kompromisse) geeinigt hat, bevor man sowas wie einen gemeinsamen Mietvertrag oder gar eine Ehe auch nur in Erwägung zieht.
Und da kommen wir nun zur gegenseitigen Wahrnehmung. Du differenzierst da oben nämlich was ganz wichtiges: Man muß den Partner auch ganzheitlich wahrnehmen
wollen, statt den Blick abzuwenden von allem, was an dem Bild kratzen könnte, das wir uns von ihm gezimmert haben.
Meist gibt es eben doch das eine oder andere kleine Zeichen, doch wir schenken dem nicht genug Beachtung, sei es weil die betreffenden Anlässe (noch) überschaubar sind und wir sie daher nicht weiter ernst nehmen, sei es aus Konfliktscheu, gepaart mit Verlustangst, oder - und das ist IMO die schlimmste Variante - weil wir hoffen, daß der andere sich schon noch ändern werde. Hinzu kommt so eine Art Urvertrauen, daß ein uns so dermaßen nahestehender Mensch doch gar nicht anders wollen könne, als ehrlich mit uns umzugehen - wo wir doch von vornherein klipp und klar gesagt haben, was uns wirklich wichtig an einer Beziehung ist.
Das ist dann ein Punkt, den man als Betrogener bei sich selbst beleuchten könnte. Bei mir schließen sich rückblickend auch Jahrzehnte später da immer noch Kreise, inzwischen natürlich mit stark abnehmender Tendenz.
Allerdings - und da bin ich jetzt doch wieder mehr bei @Genussmensch - ausgerechnet einem angehenden Beziehungs- oder gar Ehepartner bewußt Aspekte vorzuenthalten, von denen man genau weiß, daß der damit nicht umgehen kann oder jemals wird: Das ist eine Form von arglistiger Täuschung, die auch ich nur ächten kann. Dies insbesondere dann, wenn man obendrein noch so fahrlässig ist, sich dabei erwischen zu lassen.
Das Verheimlichen solcher Aspekte mag funktionieren, wenn es um etwas geht, das zeitlich längst zurückliegt, keine Wiederholungs- und ebensowenig die Gefahr eines nachträglichen Herausfindens besteht. Um ein Beispiel zu geben: Wer als junger Mensch mal einen Schwangerschaftsabbruch hat machen lassen und nun mit Mitte 40 einen praktizierenden Katholiken kennenlernt, muß IMO nicht ausgerechnet dort mit dieser Information hausieren gehen. Nachdem es bei dem einen Mal geblieben und mittlerweile wohl auch die Familienplanung abgeschlossen ist, wüßte ich beim besten Willen nicht, warum man ihm nicht das Bild lassen sollte, das er sich von einem macht - zumal wenn das Thema eh nie auf den Tisch des Hauses kommt.
Andersrum kannte ich mal jemand, der seine Verlobung sofort auflöste, nachdem die Holde ihm irgendwann eben so einen Abbruch gebeichtet hatte. Der Mann hatte eine äußerst traurige Kindheit als Halbwaise mit böser Stiefmutter hinter sich und kam überhaupt nicht damit klar, daß irgendwer (!) ein werdendes Leben in sich so sehr ablehnt, daß er es absaugen läßt. Muß man nicht verstehen, war aber nun mal sein reales Empfinden und insofern damit auch nur konsequent.
Was schließen wir also daraus?
Wer allzu klar und konsequent durchs Leben marschiert, muß leider damit rechnen belogen zu werden.
Wer allzu klar und transparent durchs Leben marschiert, muß leider damit rechnen abgelehnt zu werden.
IMO liegt die Lösung meist darin, eine faire und angemessene Mitte zu finden.
Womit sich natürlich die Frage stellt, was denn nun fair und angemessen sei.
Nachdem Vater Staat sich aus solchen Fragen tunlichst heraushält, ist das gesetzlich ungeregelt.
Letztlich liegt es also im persönlichen Ermessen jedes Einzelnen, wo die eigene Mitte ist.
Womit sich der Kreis schließt: Man muß darauf vertrauen, daß das Bild halbwegs stimmt, daß man sich vom anderen gemacht hat.
Ein Bild, an dem nicht nur man selbst mit bewußtem Übersehen, sondern auch der andere mit bewußtem Verschweigen gewisser Kratzer gemeinsam herummalen.
Zitat von Genussmensch: Warum sie ausgerechnet jetzt, wo alles gut lief, *beep*, das kapiere ich nicht.
Weil es aus ihrer Sicht eben nicht so gut lief und sie Dir das nicht offen vermitteln konnte oder wollte - warum auch immer.