@whynot60
Zitat von whynot60: dieses Nachsetzen, das dient ja nur dazu, um dem Hirn vielleicht einmal andere Nahrung zu geben
Ich nehme jetzt einen letzten Anlauf und hoffe, daß meine Gedanken Dich diesmal erreichen und verstanden werden.
Dieser Thread ist Betrogenen gewidmet, deren Festbeziehungs- oder Ehepartner sich eine oder mehrere Affären geleistet hat, obwohl es keine explizit getroffene Vereinbarung gab, daß die Beziehung diesbezüglich offen ist und es demzufolge auch keine Spielregeln dafür gibt, auf die man sich dafür verständigt hat.
Ich betone ausdrücklich, daß es hier um
Affären geht und nicht nur darum, daß jemand nach x Jahren Festbeziehung oder Ehe einmal ein ONS unterlaufen ist - und danach nie wieder. Natürlich ist auch das keine Bagatelle, aber es sollte lösbarer sein als ein Affärenszenario. Denn dessen Dimension ist erheblich größer.
Es geht hier in diesem Thread um Szenarien, wo jemand zum Beispiel über Monate und Jahre hinweg zuhause
so tat als sei alles in bester Ordnung, während die AußenpartnerIn(nen) erzählt bekam(en), die Hauptbeziehung sei schwerkrank oder gar behindert - ein Verlassen werde sie nicht überleben. Sowas würden die gemeinsamen Kinder niemals verzeihen und der Rest der Familie auch nicht. Oder - besonders schlimm - um Fälle, wo jemand beruflich regelmässig an einem anderen Ort weilt und dort ein
Doppelleben führt, ohne der Freundin gegenüber auch nur erwähnt zu haben, daß er längst fest gebunden ist. Oder um solche, wo jemand sich jahrelang auf Datingbörsen gezielt immer neue Bettabenteuer sucht, weil er meint sich so selbst bestätigen zu müssen -
trotz liebevollem Umgangs daheim.
Oder oder oder... es gibt sicher noch eine Menge anders gelagerter Beispiele. In jedem Fall geht es um Szenarien, wo die Hauptbeziehung nicht mal ahnt, daß da etwas schwer im Argen ist, während ihr Partner das Problem munter für sich persönlich löst - wohlwissend, daß er so gegen eine fundamentale Vereinbarung verstößt, auf die er sich mit Aufnahme der Beziehung eingelassen hat: Exklusivität.
Die Heimlichkeit hat ja einen handfesten Grund. Die wählt der Betrüger ja ganz bewußt, weil er (in vielen Fällen vermutlich zu Recht) befürchtet verlassen zu werden, falls er die Hauptbeziehung an einen Tisch bittet, um sie über sein wie auch immer geartetes Dilemma aufzuklären und sich mit ihr gemeinsam auf einen Umgang damit zu verständigen.
In vielen Fällen dürfte letzterer nämlich darauf hinauslaufen, daß die Hauptbeziehung ihn klipp und klar vor die Wahl stellt:
Entweder Deine Affäre(n), oder ich. Aber für eine offene Beziehung / Ehe stand und stehe ich nicht zur Verfügung. Das war Dir von Anfang an bekannt. Also entscheide Du Dich - hier und jetzt. Ansonsten bin ich diejenige, die weg ist - auch hier und jetzt. Offenheit hätte also erhebliche Konsequenzen: Entweder er gibt tatsächlich seiner Affäre den Laufpass und verliert damit ein wichtiges Ventil zur Regulierung wie auch immer gearteter Bedürfnisse, die in seiner Hauptbeziehung nicht gedeckt werden, oder er tut es nicht und seine Hauptbeziehung fliegt ihm um die Ohren, was mit Blick auf die Düsseldorfer Tabelle, Hypothkeken, Wohnsituation etc. natürlich einiges an Aufwand mit sich bringt.
Und so entscheidet der Betrüger sich ganz bewußt zur Heimlichkeit - wohlwissend, daß er seiner Hauptbeziehung damit ein Lebensmodell
aufnötigt, das sie wissentlich und freiwillig so nie akzeptieren würde: eine offene Beziehung nämlich. Vermutlich hätte sie sich im Wissen um diesen Anspruch von vornherein überhaupt nicht auf ihn eingelassen. Sie lebt also mit einem Trugbild zusammen - für ihn, wie er ganzheitlich ist, hätte sie sich gar nicht erst interessiert.
Das Manöver riskiert zudem alle möglichen Konsequenzen:
- Zeit und Aufwand, die der Betrüger in die Affäre statt in die Hauptbeziehung investiert
- Übertragen von Krankheiten und Infektionen (trotz Verhüterlis, die aber in Affären auch gern weggelassen werden)
- Zeugung außerehelicher Kinder (= zusätzliche Kosten und Erbanspruchsteller)
- Unfrieden im Freundeskreis, wenn die Hauptbeziehung jemals rausfindet, daß alle Bescheid wußten, nur sie nicht
.... und und und...
Alles kann, nichts muß - es stehen genug solcher Geschichten im Forum.
Fakt ist: Hier schreiben Betrogene, denen das so oder so ähnlich widerfahren ist.
Fakt ist auch: Diesen Betrogenen ist gerade, als habe ihnen jemand den Boden unter den Füßen weggerissen, einen Dolch mitten ins Herz gerammt und obendrein noch eine Bombe auf ihren Kopf geworfen und das gleichzeitig.
So fühlt es sich nämlich an und auch wenn es nur psychisch ist: Das spürt man auch körperlich, angefangen mit schlaflos durchweinten Nächten bis hin zu anhaltenden Magen- und Darmbeschwerden, etc. Rein wirkungstechnisch kommt der Betrug insofern einer Körperverletzung gleich. Auch wenn dies nicht die erklärte Absicht des Betrügers war - fahrlässig in Kauf genommen hat er das. Ich bin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die Einzige, die allein darin schon einen Beleg für mangelnde Liebe und Fürsorge sieht.
Natürlich stellt sich nach dem Auffliegen die Frage, wie es soweit kommen konnte. Und da treten nun gewisse Vertreter auf den Plan, deren erste Idee es ist, das Kind sofort munter mit dem Bad auszuschütten:
- Wozu überhaupt Exklusivität?
- Wie kann man nur etwas vereinbaren, das sich auf Dauer eh nicht durchziehen läßt - wie man ja jetzt sieht?
- Ehen sind doch per sé einfach nur bescheuert...
Andere wiederum begeben sich gleich als erstes auf die Suche nach Anteilen des Betrogenen:
- Warum konnte Dein Partner nicht mit Dir darüber reden, daß er die Ehe öffnen will?
- Warum hast Du nichts bemerkt davon, daß er es dann doch getan hat?
- Warum hast Du nach der Geburt nicht mehr abgespeckt?
- Warum hast Du soviel gearbeitet oder dies oder das gemacht?
- Warum hast Du nicht gespürt, daß es ihm nicht mehr wirklich gut geht?
- Warum hast Du ihm abgekauft, daß er so oft Überstunden machen muß?
- Warum hast Du nicht darauf bestanden, daß er sich endlich mal einen Job in Eurer Stadt sucht?
- usw. usf.
Alles schön und nett - aber nichts, was Betrogenen gleich als erstes um die Ohren gehauen gehört, denn sonst liest sich das wie Vorwürfe. Geprügelt fühlen sie sich aber auch so bereits mehr als genug und vor allem kommen diese Fragen völlig unpassend gegenüber solchen, deren Betrüger daheim stets den glücklichen Partner markiert hat - wobei er das oft nicht mal schauspielern mußte, weil er sich tatsächlich wohlfühlte dort.
Je nach Lebenslage fällt das Aufbauen eines Doppellebens relativ leicht und ist ohne gezielte Kontrolle schwer nachweisbar. Gerade Menschen, die ihren Partner sehr lieben und ihm insofern auch weitreichend vertrauen fehlt aber das Mißtrauen, ihrem eigenen Partner hinterherzuspionieren oder ihm gar eine Detektei hinterherzuschicken. Schon da beißt die Katze sich also gehörig in den *beep*.
Und überhaupt: Letztlich laufen solche Fragen ja stets auf eins hinaus: Dem Betrogenen eine Mitverantwortung am Betrug zuzuweisen. Zumindest wirken sie so, als hätte er eben doch ahnen oder mitbekommen müssen, oder als hätte er eben doch auch mal kontrollieren sollen, statt blind zu vertrauen - auch und gerade weil alles seit Jahren so auffällig gut zu laufen schien.
Böse und mit anderen Worten gesagt: Ein wenig mehr Paranoia hätte dem Betrogenen sicher nicht geschadet. Also warum hat er die nicht entwickelt, sondern es doch tatsächlich gewagt, sich sicher in der eigenen Festbeziehung oder Ehe zu fühlen? Sowas aber auch....
So beginnt die Diskussion sich also weg vom Betrüger und rund um den Betrogenen zu drehen. Daß es der Betrüger war und bleibt, der den ganzen Schlamassel überhaupt erst veranstaltet hat, spielt so auf einmal keine Rolle mehr. Nein, der Betrug war ja nur ein Symptom für was ganz anderes: Nämlich daß der Betrogene falschen Glaubenssätzen erlegen und überhaupt vom Klammeraffen gepudert war, sich geborgen in seiner Partnerschaft bzw. Ehe zu glauben und seiner besseren Hälfte das gute Wetter abzukaufen, das sie darin machte.
Und dann wird der Bogen noch enger gespannt: Nicht wegen des Betrugs fühlt der Betrogene sich so beschissen, sondern weil
er es nicht schafft, sich von seinen Glaubenssätzen loszusagen, sein Naturell zu ignorieren, sich locker zu machen und den S. als metaphysisches Ereignis zu sehen, statt als intim(st)es Erlebnis mit einer anderen Person. Und überhaupt, warum tut
er sich überhaupt so leid? Gibt doch weitaus schlimmere Katastrophen im Leben - denk mal lieber an all die Leute, denen der Arzt eine Krebsdiagnose gestellt hat. Das sind mal echte Probleme, also geh
Du uns doch nicht mit Deinem emotionalen Beziehungsgedöns auf die Nerven - laß Dich scheiden oder öffne halt Deine Ehe und gut ist.
Ähem.... geht's noch?
Das soll jetzt der first level Support bzw. die Hilfe sein, die man sich als frisch betrogener Hauptbeziehungspartner hier - in einem Forum für Trennungsschmerzen - erwarten darf? Ansonsten ist man eine naives Dummerchen, das sich lieber in Selbstmitleid ergeht als den Betrug emotional zu verarbeiten - weil es wohl am Ende gar Gefallen an seiner Opferrolle entwickelt hat?
Ernsthaft?
So kam mir das in diesem Thread zuletzt vor - nicht nur bei Deinen Beiträgen. Wobei ich keine Absicht unterstelle, daß den Betrogenen hier gezielt weh getan werden sollte. Vermutlich dachten Du und die Betreffenden tatsächlich, es sei hilfreich, wenn Betrogene ihre Glaubenssätze hinterfragen und so nicht nur zu alternativen, sondern auch nachhaltigen Ansätzen finden. Aber die Art wie das rüberkam... naja.
Irgendwie mußte ich beim Durchlesen sofort an Coachings denken, wo keiner die Arbeitslast als solche hinterfragt, sondern dem unter ihr erstickenden Arbeitnehmer penetrant unterstellt wird, er habe nicht genug für seine Resilienz getan, um sie zu bewältigen - egal wieviele Schippen ihm da draufgelegt werden. Nichts gegen gute Eigenorganisation und Zeitmanagement, aber wenn regelmäßig ganze Arbeitsplätze eingespart und die Tätigkeiten dann munter auf die verbliebenen KollegInnen verteilt werden,
kann diese Rechnung irgendwann rein logisch nicht mehr aufgehen - es sei denn, die ausgeschiedenen KollegInnen hätten zuvor nichts geleistet oder es kommt zu technischen Rationalisierungen. Denn mehr als 10 Stunden hat ein gesetzmäßiger Arbeitstag nun mal nicht.
Na jedenfalls empfinde ich Resilienztrainings vor diesem Hintergrund als höchst einseitig, was Ursachenbewältigung betrifft - um es mal diplomatisch auszudrücken. Einen ganz ähnlichen Eindruck gewann ich dann aber auch von der Art, wie hier mit Betrogenen umgegangen bzw. in deren Richtung argumentiert worden ist:
Jemand der in diesem Thread als frisch Betrogener andockt, der ist doch erst mal tief verletzt und bleibt das auch erst mal eine ganze Zeit. Da ist meines Erachtens nicht nur Mitgefühl angesagt, was seine emotionale Lage betrifft, sondern schon um seines Re-Empowerment willen auch Solidarität, was den Betrug angeht. Aber ganz sicher nicht, letzteren zu relativieren oder gleich ganz zu zerreden von wegen sowas wie Betrug
könne es in Liebesdingen doch gar nicht geben. Das Ganze mit einer Vehemenz, als handle es sich um eine allgemeine Wahrheit. Das grenzt ja schon an Gaslighting - also mir fällt da nichts mehr zu ein.
Der Betrug geht doch in dem Moment los, wo ein Hauptbeziehungspartner sich wie oben geschildert zur Heimlichkeit entschließt und dem Betrogenen so bewußt und in voller Absicht jede Chance versagt, sich auch selbst für oder gegen eine Fortsetzung der Beziehung in offener Form zu entscheiden. Schlimmer noch: Wohlwissend daß der Betrogene vermutlich letzteres täte, unterschreibt man noch Immobiienkaufverträge mit ihm oder zeugt womöglich gemeinsame Kinder, damit er so tief in der Falle sitzt wie irgend möglich, falls das Ganze dann doch mal auffliegt - und sich umso schlechter trennen kann.
Wenn soviel Perfidie und Infamie
nicht das Hauptproblem hinter dem ganzen Affärengedöns sind, sondern stattdessen mit aller Kraft auf dem Betrogenen rumgehackt wird, von wegen das Problem seien die Ehe als solche und seine Glaubensgrundsätze gewesen und wenn er die nicht ändere, dann sei er auch künftig nicht resilient genug oder schlicht nicht geschaffen für die wahre Liebe.... also dann weiß ich es auch nicht mehr.
So und nicht anders kam das zuletzt bei mir an. Das empfinde ich als anmaßend und werde nun auch keine weiteren Erläuterungen mehr abgeben dazu. Denn eigentlich sollte ein rücksichtsvoll-empathischer Umgang mit (potentiell) frisch Betrogenen in einem Trennungsforum selbstverständlich sein und speziell für diesen Thread hier dachte ich, das schon im Eröffnungsbeitrag klar genug gemacht zu haben...