Liebe Ina-33,
ich überzeichne jetzt mal etwas bewusst, damit deutlich wird was ich meine, bzw. was mir hier aufgefallen ist:
Ich lese dich als eine Frau, die
unbedingt gern in einer Beziehung wäre. Warum denke ich das?
- Du bist mit dem Nachbarn zusammen, weil er dich eines Abends überraschend geküsst hat (nicht: weil du schon lange vorher in ihn verliebt warst). Das liest sich, als hättest du quasi jeden genommen, der signalisiert dass er dich will. Übrigens finde auch ich das eher übergriffig als romantisch. Es liest sich, als hätte er da spontan Lust auf S. gehabt und würde sich nun in einer Beziehung wiederfinden.
- Der Status Beziehung ist dir so wichtig, dass du das Einmonatige (!) begehst. Als ich das las, musste ich erstmal nach deinem Alter schauen. Sowas verorte ich ehrlich gesagt höchstens noch in die Pubertät, liebe Ina-33. Wäre mein Partner mir mit sowas gekommen, hätte ich mich davon eher abgeschreckt als geehrt gefühlt. Es hat für Mittdreißiger schon etwas sehr übertriebenes, klammeriges an sich.
- Du hast feste Vorstellungen davon, was in einer Beziehung passieren soll, willst nach nur einem Monat schon Gespräche führen über Dinge die dir nicht gefallen bzw. nicht genug deinen Status (in einer Beziehung) unterstreichen. Anstatt dich zu freuen, dass du ihn an den Wochenenden mit tollen Unternehmungen für dich hast, und auch noch oft unter der Woche abends - was aus meiner Sicht verdammt viel ist für so eine frische Beziehung!
- Du selbst scheinst kein erfülltes eigenes Leben (mehr) zu haben, und erwartest von deinem frischen Freund nun dass er dir nicht nur die Wochenenden, sondern auch noch unter der Woche die Zeit vertreibt - so könnte es zumindest auf deinen Freund wirken. Mir als Außenstehende kommt es schon so vor. Es wirkt als wüsstest du nichts mit dir anzufangen, wenn er nicht bei dir ist. Sowas kann für den anderen sehr schnell sehr vereinnahmend wirken und das ist höchst abträglich für dessen romantische Gefühle. Und es wirkt von deiner Seite her sehr unselbständig.
Apropos romantische Gefühle, die vermisse ich in deiner Schilderung auch ein wenig. Übrigens von beiden Seiten. Besonders verliebt wirkt weder er noch du, eher wie ich es anfangs schrieb könnte man vermuten, dass er in dir eher eine FPlus-Gelegenheit sah und du direkt die Gelegenheit, in einer Beziehung zu landen, beim Schopfe ergriffen hast.
Zitat von Ina-33: Ich habe ihm gesagt, dass ich unter der Woche auch mal gern einen Nachmittag mit ihm verbringen möchte und ich das Gefühl habe, dass wenn ich nicht dabei bin vergisst er mich.
Solche Aussagen - nach so kurzer Beziehungszeit - sind dicke flauschige Kopfkissen, mit denen man die Gefühle des anderen recht zuverlässig ersticken kann, es sei denn dieser ist ebenfalls vom eher klammernden Typus.
Zitat von Ina-33: Er hat mich verstanden, als ich ihm meine Bedürfnisse und Empfindungen mitgeteilt habe, zumindest hat er das gesagt
Was soll er auch sonst sagen, wenn eine Frau ihm nach so kurzer Zeit schon mit schwerwiegenden Bedürfnis- und Empfindungsdiskussionen kommt?
Zitat von Ina-33: Es macht mich traurig, wütend, ich bin verletzt, enttäuscht und fühle mich gedemütigt.
Ächz, liebe Ina-33. Du überfrachtest diese zarte Pflanze eurer Beziehung doch völlig, wenn das jetzt schon solche extremen Gefühlszustände in dir auslöst solltest du dich daraus zurückziehen und dich selbst um deine Bedürfnisse kümmern. Für dein Gefühlsleben bist du zuständig, nicht er. Dafür, dich während der Zeit, in der ihr euch nicht seht, zu bespaßen, bist ebenfalls du zuständig.
Du erwartest leider viel zu viel von ihm und er scheint nicht so der Typ zu sein, der klar kommunizieren kann was er eigentlich will oder nicht will, und löst das dann durch scheinbare Zustimmung, aber dann Vermeidung und Aussitzen durch die Hintertür. Passiv-aggressiv nennt man sowas auch. Seine Unverschämtheiten, dich zu vergessen und zuhause sitzend auf ihn warten zu lassen, sprechen doch Bände - er respektiert dich nicht und bemüht sich nicht um dein Wohlwollen, wozu auch, er weiß doch dass du eh auf ihn wartest, nörgelnd zwar, aber jederzeit verfügbar für ihn.
Zitat von Ina-33: Aber irgendwas ist doch da kaputt?!
Ja - du willst so sehr in einer Beziehung sein, dass du dafür einen Partner erwählt hast der offensichtlich nicht besonders gut zu deinen Vorstellungen und Bedürfnissen passt und anstatt mal entspannt zu schauen, wohin das vielleicht führen kann - oder auch nicht - torpedierst du das Kennenlernen jetzt schon mit Klammern, Diskussionen und deiner offensichtlichen Begierde, dich in eine emotionale Abhängigkeit zu einem Mann zu stürzen. Womit ich zu meinem Rat an dich komme:
Guck mal viel weniger auf ihn, und viel mehr auf dich selbst. Bleib da stehen und renn ihm nicht (innerlich) hinterher. Wenn er was will, soll er kommen. Du musst dann wohl lernen auszuhalten und zu akzeptieren, wenn er weniger will als du. Was aber auch bedeutet, dass du ggf. die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen zulassen können musst, nämlich dass ihr vielleicht in wesentlichen Punkten nicht gut zueinander passt.
Zitat von Ina-33: Ich habe lediglich gesagt, dass ich nicht abends 21 Uhr auf Abruf für ihn bereit stehen möchte. Ich möchte dass wir uns verabreden, wie das Paare machen und unter der Woche auch mal einen Nachmittag verbringen
Willst du erreichen, dass dein Freund dich mehr respektiert (und damit auch stärkere Gefühle für dich entwickelt), musst du vor allem erstmal eine Person sein, die respektabel ist. Das setzt voraus, dass DU SELBST dich respektierst und bereit bist, klare Grenzen zu ziehen.
Also nicht Probleme diskutieren, über deine Verletzungen schwadronieren die sein Verhalten dir angeblich zufügen usw. Sondern die Dinge, die du dir wünschst, freundlich aber zugleich konsequent umsetzen. Und wenn er nicht mitzieht, ihm nicht hinterherjammern, sondern dich (freundlich und entspannt) von ihm abwenden. Du willst dass er gern, zuverlässig und freudig zu dir kommt? Dann muss er erfahren, dass du eine erwachsene, eigenständige Person bist die nicht schon wie ein Hündchen hinter der Tür darauf wartet, dass er endlich zu ihr nach Hause kommt!
Er vergisst die Zeit und kommt nicht wie vereinbart um 20 Uhr? Dann bleibt die Tür eben zu, weil DU natürlich nicht auf ihn wartest und nun andere Pläne für den Abend hast (z. B. mit einer Freundin telefonieren, deine Lieblingsserie gucken, dein Hobby pflegen, spontan mit wem anders ausgehen). Das kannst du gänzlich unzickig, sondern sehr freundlich und mit leichtem Bedauern kommunizieren und ihn auf einen anderen Tag vertrösten (nach dem ER dann gerne fragen darf).
Du möchtest einen Nachmittag in der Woche mit ihm verbringen? Mach einen konkreten Termin mit ihm aus. Und gib ihm dafür mal einen anderen Abend komplett frei: Schatz, diese Woche kann ich Dienstag und Donnerstag leider gar nicht, wollen wir uns dafür Mittwoch schon nach Feierabend mit einem Picknick in den Park setzen?
Und verhalte dich bitte auch deinerseits mit mehr Respekt: akzeptiere auch ihn. Er ist, wie er ist. Wenn du meinst, eine Beziehung ausgerechnet mit ihm führen zu müssen, dann führe sie auch mit
ihm. Die Frage ist nicht, wie weit er sich für dich ändern kann, sondern die Frage ist, ob du mit ihm, so wie er ist - in JEDER Hinsicht, nicht nur im Guten - eine Beziehung führen möchtest. Sprich, frage dich, ob du eine Beziehung mit einem Mann führen möchtest, der dich irgendwann mal beim Filmabend geküsst hat, dir werktags eher aus dem Weg geht und offenbar ein A*koholproblem zu haben scheint. Oder ob du mit dem nicht vielleicht doch lieber wieder eine entspannte Freundschaft führen möchtest, anstatt eine von deinen Erwartungen und Bedürfnissen überfrachtete Beziehung führen zu müssen.
Genau dazu ist übrigens die Anfangszeit einer jeden Beziehung gedacht: herauszufinden, ob man passt. Oft passt es nämlich gar nicht so gut, und man geht wieder auseinander. Das ist etwas ganz Normales und diese Möglichkeit solltest du nicht ausschließen.