Zitat von Blanca: Findest Du nicht, daß das eine Entscheidung ist, die Du selbst zu treffen hast?
Genau, keiner kann Anika ihre Entscheidung abnehmen.
Ich habe nur gesagt, dass die Konstellationen jetzt schon nicht vielversprechend sind. Natürlich kann man die Beziehung weiterführen, aber dann müssten wohl beide daran arbeiten. Er mehr Rücksichtnahme und partnerschaftliches Verhalten zeigen (fraglich, ob er das kann und überhaupt will, denn er scheint sehr eingefahren in seinen Ansichten und Verhaltensweisen zu sein) und Anika müsste ingesamt sicherer werden und unabhängiger von seiner Resonanz. Das sind tiefgreifende Änderungen die sicher nicht kurzfristig ablaufen können. Denn wie wird man mal eben unabhängier und selbstständiger in seiner Lebensführung, wenn der Fokus voll auf den Partner gerichtet ist und dieser genau diesen Mangel ausgleichen sollte.
Das alles erinnert mich sehr stark an eine Beziehung die ich mal hatte und die natürlich nichts werden konnte. Ich war eine Gefangene meiner Ängste, meiner Eifersucht auf seine Lebensführung und meiner Enttäuschungen und er machte was er wollte ohne mich überhaupt auch nur ansatzweise einzubinden.
Einmal war ich am WE da und ich sah eine Konzertkarte für ein Musikfestival. Es war natürlich nur eine Karte und ich registrierte traurig dass er mich nicht gefragt hatte, sondern für sich entschied und fertig. Hätte er mich gefragt, hätte die Gefahr bestanden dass ich fröhlich oh ja gerne gesagt hätte und genau das wollte er nicht. Er wollte seine Ruhe, sein Ding machen und allein auf diese Veranstaltung fahren. Es verletzte mich, aber damit musste ich allein klar kommen.
Stattdessen spielte ich wieder die Unbekümmerte: Ah, Du fährst aufs Melt!
Er grummelnd: Ja (In Gedanken vermutlich: das nächste Mal räum ich solche Karten lieber gleich weg)
Ich: Naja, vielleicht fahre ich nächstes Jahr mal mit ... (In mir ein Funke Hoffnung auf eine positve Aussage, von der ich vorher wusste, dass sie ausbleiben würde).
Er: Öööh, hmmm, müssen wir mal sehen.
Und solche Situationen gab es oft. Ich wollte die Hauptrolle, fühlte mich aber nur als Statist. Damit konnte ich nicht umgehen weil sich meine Enttäuschungen wiederholten. Immer wieder fühlte ich Zurücksetzung, die ich nicht aussprach.
Und allein das war ja schon verlogen, denn ich traute mich nicht so was zu artikulieren. Auch, weil ich damit die nächste enttäuschende Äußerung von ihm hervorgerufen hätte.
Ich war das ängstliche Anhängsel, das ihn glorifizierte, sich emotional voll an ihn hängte, aber keine Chance hatte und er war der Selbstbestimmte, der sein Leben in Eigenregie plante und führte und das auch musste, weil er sich vor meinem Wunsch nach Nähe schützen musste.
Anfangs war es manchmal, aber es verstärkte sich immer mehr und das Machtgefälle verschärfte sich. Und solche Beziehungen, wo der eine kalt gestellt wird und der andere einfach nur SEIN Leben führen möchte, gedeihen nicht.
Aber da durchzugehen und das zu ertragen oder auch nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Ich wäre während der Beziehung unfähig gewesen, mich irgendwie zu ändern. Zwar sagte ich mir: Du müsstest unabhänger werden, selbstbestimmer agieren, aber ich wusste nicht wie ich das hätte bewerkstelligen sollen. Denn meine Ängste waren tief eingepflanzt.
Ich bin heute noch froh dass diese Beziehung mich nicht noch länger quälte, wobei auch meine Quälerei eine freie Entscheidung von mir war.
Lieber leiden als lösen, war meine Devise. Die Trennung erledigte dann er und damit tat er mir rückblickend sogar einen großen Gefallen, denn es wäre nie was aus uns geworden.
Ich brauchte das Scheitern, die Enttäuschung und die Tränen hinterher, damit ich irgendwann kapierte, was mit mir eigentlich los war. Das war lehrreich für mich, weil ich heute viel weniger ängstlich bin. Ich habe die Ängste in mir als Verletzungen aus der Kindheit identifiziert und durch die Beschäftigung damit erkannte ich sie und konnte viel besser damit umgehen, eben weil sie mir bekannt waren. Sie konnten mir dann weniger anhaben.
Es ist schwierig es zu erklären aber bevor man die Ängste nicht entlarvt, dirigieren sie einen. Es sind die mächtigen Kräfte aus dem Unterbewusstsein.