Hey @Lessi ,
mein erster Impuls war ebenfalls: WTF, er geht eine offene Beziehung ein, und dann regt er sich auf, weil die beiden es im Auto gemacht haben?
Aber ich denke, man müsste eine Schicht tiefer schauen.
Mir scheint, dass dein Autsch-Moment immer dann kommt, wenn sie etwas mit ihm teilt, was sie nicht mit dir teilt, kann das sein? Wenn du das so bestätigen kannst, dann würde ich dir noch mehr dazu schreiben.
Die andere Frage ist, warum es denn überhaupt Regeln braucht.
In meinen Augen sind es drei Punkte, von denen zwei wiederum nicht wirklich haltbar sind.
1. Um ein paar Gefahren auszuschließen, was aber eigentlich schon der gesunde Menschenverstand einem sagen sollte. z.B. Regeln bezüglich safer S..
2. Weil man Angst hat, verletzt zu werden, bzw. sich das ganze doch nicht so ganz traut
3. Weil man doch nicht so ganz vertraut
Regeln aus der ersten Kategorie sind absolut sinnvoll.
zu 2. ist zu sagen, dass jegliche Beziehung, und schon gleich gar Beziehungen abseits der ausgetretenen Pfade, das Risiko bergen, verletzt zu werden. Und wenn sie nicht irgendetwas wirklich böswilliges tut, kann sie dich nur verletzen, wenn du dort Schmerzpunkte oder Trigger hast. Manche Schmerzpunkte kann man bearbeiten, manche Schmerzpunkte machen es eher weniger ratsam, eine offene Beziehung einzugehen. In ganz wenigen Fällen wird es möglich sein, den Partner zu bitten auf den einen oder anderen Schmerzpunkt Rücksicht zu nehmen. Aber so etwas wie: Kein S. im Auto als Regel festzuschreiben, wird beinahe naturgesetzlich dazu führen, dass solche, vom anderen dann als nicht nachvollziehbar empfundene Regeln dann gebrochen werden.
Was du tun kannst, ist, deine Autsch-Momente wirklich zu kennen, und im besten Fall zu bearbeiten. Oder aushalten zu lernen. Schließlich gibt es auch ganz viel persönliche Freiheit, Schmerzpunkte abzubauen.
zu 3. Vertrauen ist total wichtig. Vertrauen ist aber das Gegenteil, wie Regeln aufstellen und kontrollieren. Und Vertrauen und Ehrlichkeit sind halt nicht möglich, wenn einer der Partner Ehrlichkeit nicht aushält. In deinem Fall war es ja tatsächlich sehr schwer für dich, als du das mit dem Auto rausgefunden hast. Und was Gato sehr richtig bemerkt hat, Vertrauen kann auch nur zwischen zwei grundsätzlich wirklich freien Menschen passieren.
Ein etwas anderer Aspekt ist, dass wir Regeln aufstellen, weil wir mit der Unsicherheit nicht umgehen können, und gegen die Machtlosigkeit gegensteuern wollen. Hier hilft es, sich klar zu machen, dass es eigentlich immer und Überall wesentlich mehr Unsicherheit als Sicherheit gibt. Und hier hilft wieder nur Vertrauen, und der Kreis schließt sich.
Noch ein Wort zum Vertrauen: Das Vertrauen in den Partner ist das eine. Das andere, mindestens genauso wichtige ist, wie so oft im Leben aber hier auf Level 10 das Vertrauen in sich selber. Dass man mit dem Schmerz, der aufkommen WIRD schon klarkommen wird. Dass man im schlimmsten Fall sogar mit einer Trennung wird umgehen können. Dass nichts von all dem dich in deinem Selbst zerstören kann. Wenn du das nicht für dich bejaen kannst, dann würde ich auch sehr von einer offenen Beziehung abraten.
Gut, was wären jetzt die nächsten Schritte, wenn du mich fragst:
Punkt eins, die nüchternen Fakten von dem zu trennen, was dich in deinem Kopf f!ckt: Sie hatte im Auto S., was du gebeten hattest, zu unterlassen. Und sich hat sich nicht getraut, es dir zu sagen, weil sie wußte, du kannst nicht so gut damit umgehen. (Und dann hat sie sich in den Freund verliebt, womit du aber angeblich sogar umgehen könntest...)
Klingt jetzt vermutlich nicht ganz so furchtbar, wie dein Schmerzkörper gerade schreit?
Wenn du mich fragst, ist es dein Job, deinen Schmerzkörper anzuschauen, und dann auf Basis der Fakten zu entscheiden, wie es mit der Beziehung weitergeht.
Übrigens, ein Fakt, den ich sehr postitv auslegen würde: Sie wäre jederzeit bereit gewesen, dir den Chatverlauf zu zeigen, und hat ihn dir auch in der Krisensituation bereitwillig gezeigt.
Punkt zwei: Falls du auf Basis dieser Fakten, und mit der Bereitschaft, an deinem Schmerzkörper zu arbeiten, die Beziehung fortsetzen willst, dann geh in ganz viele Gespräche, hol dir ehrliche Antworten, geh aus deiner Vorwurfshaltung raus. Am besten, was hier auch schon geraten wurde, mit einer dritten Person am Tisch.
Von ihrer Seite aus wäre natürlich noch zu klären, inwieweit die Depression, die hier noch überhaupt nicht genug Raum bekommen hat, in ihre emotionale Affaire (ich finde das Konzept sehr fragwürdig, aber das ist wieder ein anderes Thema) reingespielt hat.
Punkt drei: ich habe mir fest vorgenommen, mir keinen Gespielen zu nehmen, der in festen Händen ist, und dessen Partner nichts weiß und nicht eingewilligt hat. Das wirft schon einen großen Schatten über das ganze Konstrukt. Wenn das auf einer ethisch sinnvollen Basis funktionieren soll, dann sollten alle Beteiligten sich schon auch ethisch verhalten, wenn du mich fragst.
So, meine 5ct zur Sache, ich hoffe, du kannst was damit anfangen.
14.12.2022 14:57 •
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