Zitat von Lessi: Die Komplexität menschlicher Bindungen im Wechselspiel emotionaler Verstrickungen.
Ich überlege gerade, was mir dabei geholfen hat:
Erstens: meine tiefe Überzeugung, dass es die meisten Menschen in meinem Umfeld schon gut mit mir meinen. Sie sind aber eigenständige Wesen, die aufgrund von Motiven, die ich bei weiten nicht immer verstehe, so handeln wie sie handeln, und dafür gute Gründe haben werden. Und wenn das gerade mit meinen Wünschen oder Bedürfnissen kollidiert, dann ist das halt so, aber sicher keine Böse Absicht. Das hilft mir wirklich ungemein, mich wider auf mich und das Problem zu fokusieren, wenn mein verletztes Ich scheit: Den Ar. will ich nieeeee wieder sehen!
Je weniger ich das Verhalten des anderen auf mich beziehe, sondern als Menschlich, passiert! einordnen kann, desto besser geht es mir.
Für mich ist das die Basis von Vertrauen und auch von Verzeihen.
Ich weiß nicht, inwieweit mir diese Einstellung geschenkt wurde, oder inwieweit man sie sich erarbeiten kann. Aber bis zu einem Gewissen Grad ist die Brille, durch die wir die Realität sehen, eine Entscheidung. Und wie hier schon öfter richtig geschrieben wurde: Es fängt mit einer bewussten Entscheidung für die Beziehung und für das Vertrauen an.
Zweitens: Ich mache mir in solchen Situationen immer klar, dass Konflikte unausweichlich sind. Dass jeder, der mir ausreichend nahe kommt, gelegentlich auch auf meine Trigger latschen wird. Dass das mal mehr mal weniger weh tun wird, aber schon vorbei gehen wird. In deinem Fall finde ich es total mutig, dass ihr beide euch getraut habt, Beziehung abseits der ausgetretenen Pfade zu probieren. Aber dass das zu Verwicklungen führen würde, war doch eigentlich klar oder? Oder wie mein Exmann sagte: Ob wir in einem Jahr zu dritt im Bett liegen, oder getrennt sind, wer weiß das schon. Kluger Mann. Oder eben auch wie du schreibst: Um genau das. Die Komplexität menschlicher Bindungen im Wechselspiel emotionaler Verstrickungen.
Drittens: Trigger bearbeiten. Sich klar machen, dass sie da sind, wie sie genau ausschauen, im besten Fall, woher sie kommen. Glaubenssätze finden und hinterfragen. Und dafür sorgen, möglichst oft in Situationen zu kommen, wo es entweder für den anderen einfach ist, meine Bedürfnisse zu erfüllen, oder ich selber für meine Bedürfnisse sorgen kann. In deinem Fall denke ich mir, du hattest ja schon so eine Ahnung, dass es im Auto passieren würde, sonst hättest du ja deinen Freund nicht mehrmals gebeten. Du hast also ein sehr gutes Bauchgefühl, nimm dir vor, das nächste Mal darauf zu hören.
Viertens: Dich selber mehr ernst nehmen, dich selber und deine Bedürfnisse besser kennenlernen, üben, vielleicht erst mal in Kleinigkeiten, mehr zu dem zu stehen, was du willst. Damit diese Selbsterfüllende Prophezeihung: Meine Gefühle zählen eh nicht! abbaust.
Also auch ernst nehmen, dass dich das gerade sehr verletzt hat, und das nicht mit Gewalt wegmachen wollen. Sie wird nicht allzuoft die richtige Ansprechpartnerin dafür sein, aber nimm dir die Zeit, bevor du versuchst, das Band wieder zu stärken.
Erst zu dir kommen, erst verstehen und annehmen, was das mit dir gemacht hat und warum, erst Selbstfürsorge, und dann wieder an der Beziehung arbeiten.
Fünftens: Im speziellen Fall von dem blöden Auto könntest du versuchen, dich zu desensibilisieren. Stell dir bewußt vor, wie es die beiden in Auto gemacht haben (so ein BJ im Auto hat ja auch irgendwie was würdeloses, findest du nicht?). Schau dir wie ein Beobachter oder Forscher an, welche Gefühle dabei aufsteigen, schreib das auf, schreib genau Wort für Wort deinen inneren Dialog dazu auf, nimm dir wirklich zeit dafür.
Und wenn du das eine Weile gemacht hast, dann schau ihnen wieder in Gedanken zu, und gib ihnen im Nachhinein dein Ok dazu, oder versöhne dich auf andere Weise mit den Bildern, die du siehst. Aber lass dir wirklich Zeit mit diesem Schritt. Erst verstehen, was genau in dir vorgeht, wo genau dein Punkt ist.
Und sechstens, weil es die Seherin gerade so schön geschrieben hat: Immer wieder auch das große Bild anschauen. Wenn es jetzt gerade nicht läuft, macht das ja die ganzen Zeiten, wo es gut gelaufen ist, nicht zur Lüge. Und macht auch jetzt Situationen nicht zur Lüge, wo sie dir ganz klar entgegenkommt. Z.B. mit dem harten Cut gegen den Freund, und mit dem Herzeigen des Handys ohne zu Zögern.
Siebtens: Oft sind es in der Rückschau gerade die Krisen, an denen Beziehungen fast zerbrechen, aber eben nur fast, die die Beziehung letztlich gestärkt haben. Weil man im Alltag, und ohne dazu gezwungen zu sein, praktisch nie wieder so tief in Verbindung miteinander geht, sich genau anschaut, was hat man, was kommt zu kurz, was wäre zu ändern.
So, hoffe, du kannst was damit Anfangen.
LG von der Drachin