Wie immer ein wenig spät.
Lieber victim of love,
wobei victim of life vielleicht ja passender wäre. An einigen Stellen hat mich sehr berührt, was du geschrieben hast.
Zitat:Strike! - Und da sind wir wieder bei meinem wunden Punkt. Meiner absolut tiefempfundenen Unzufriedenheit mit mir selbst - angefangen bei Äußerlichkeiten bis zu der Überzeugung, dass alle anderen mir immer irgendwie überlegen sind. Ich bin der unumstrittene Weltmeister der Selbstabwertung und mein härtester Kritik. Selten ist was wirklich gut. Darum muss ich auch stets auf andere neidisch sein, die anscheinend diese Dinge besser können und mehr Glück im Leben haben - ich muss sie dafür leidenschaftlich hassen und abgrundtief verachten!
Es macht mir Angst - es macht mich vor allem mich wütend und aggressiv. Aber wohin mit all dem?
Anderes finde ich dann doch auch befremdlich. Ob das allerdings meinen Baustellen nicht eher zuzuordnen wäre, statt Deinen ist dann schon auch Frage. Es ist irre schwierig mit jemandem zu reden, der seine Antworten dann schon gefunden hat.
Dennoch ein Versuch:
Augenfällig finde ich, wie schnell Du eigentlich dann doch immer wieder von Dir selbst abrückst. Da wird viel zu den Themen Deiner Frau gesagt, was ich ein klitzekleines bißchen bedenklich finde, ob Du da nicht auch eins, zwei, fix Ihre Grenzen überschreitest? Oder jedenfalls dann doch auch wieder die Zeitgeist/Gesellschaftskritikvariante aufgemacht.
Der intellektuelle/psychologische Überbau, den Du zeichnest, ist beeindruckend, die Wortwahl gewaltig. Gar nicht so einfach an dieser Stelle nicht mehr im Trüben zu fischen und vielleicht doch auch beim Bodensatz anzukommen.
Bodensatz: Mann vom Fach, man denke an Deine Fortbildungskurse, mit einer ehemals Partnerschaft auf empfundener (!) Augenhöhe, welche nunmehr in ein fragwürdiges Mentorenverhältnis gekippt ist, schwärmt erst still und heimlich fremd, um sich dann wie ein 16jähriger zu offenbaren. Ergebnis: der Schwarm (welcher ja auch nicht ganz ohne scheint) zeigt sich überrascht, um dann „wertschätzend“ Des-Interesse zu bekunden.
Die Gewöhnlichkeit des Bodensatzes ist ja schon thematisiert wurden. Das Missverhältnis zu Deiner Verarbeitungsstrategie vielleicht aber noch nicht so ganz.
Es ist ja schön, wenn man ein Fremdschwärmen dazu benutzt, mal die eigene Festbeziehung unter die Lupe zu nehmen, oder eben auch dies so ein bissl zur erweiterten Auseinandersetzung mit der eigenen Thematik führt, aber die Heftigkeit mit der Du auf eine doch jetzt doch auch sehr normale Situation reagierst, die Heftigkeit die Du auf die zugegebenermaßen nicht ganz so produktiven Erstkommentare an den Tag legst, sprechen schon auch von intensiver Kränkung.
Diese Kränkung wird dann im nächsten Zug relativiert, zumindest auf das Objekt (bewußt kein Subjekt) Deiner Begierde. Da wird flugs aus einer Zurückweisung Deiner Avancen (was man bedenke Deinen Beziehungsstatus auch nicht unbedingt komplett verwunderlich ist) eine Situation stilisiert, in der der Schwarm vom Mensch zu reiner Projektionsfläche mutiert und weil das auch noch nicht ganz so reicht, muß dann noch das ganz große Nachdenken über die eigene Persönlichkeit her.
Dies wiederum aber auch nur so weit der eigene intellektuelle Überbau reicht.
Ich bin der unumstrittene Weltmeister der Selbstabwertung und mein härtester Kritik. Selten ist was wirklich gut. Darum muss ich auch stets auf andere neidisch sein,“
Nein, die Annahme geht fehl. Ja, Neid setzt Opferrolle voraus, aber bei gleichzeitigem Empfinden, daß man eigentlich diese nicht verdient hat, sondern etwas besseres (!). Die reine Opferhaltung glaubt, daß einem nicht mehr zusteht. Echte, reine Selbstabwertung, lässt zumeist nicht mal den Gedanken aufkommen, daß man etwas anderes verdient haben könnte. Deshalb führt die Selbstabwertung nicht direkt zum Neid. Da fehlt ein Zwischenschritt.
ich muss sie dafür leidenschaftlich hassen und abgrundtief verachten!
Es tut mir unendlich leid, daß Du Dich so fühlst. Und ich glaube dir, daß Du das so empfindest. Ich sage dir auch sicher nichts neues, wenn ich anmerke, daß das Ausmaß und die Intensität auf die von Dir empfundene Kränkung (andere haben mehr Glück) problematisch ist. Neid kann ja positiv empfunden auch große Triebfeder für eigene Veränderung sein. Verachtung dagegen ist zumeist Bewertung, um sich selbst wieder über andere erheben zu können. auch hier Re-Aktion auf empfundene Kränkung.
Genauso ist es mit Wut und Aggression. Du fragst „wohin mit all dem“. Neue Erkenntnisse der Psychologie verbunden mit der Neurologie (zum Einstieg Joachim Bauer „Schmerzgrenzen“) legen nahe, daß weder Wut noch Aggression Instinkte sind, sondern (und wieder) Reaktion auf empfundene vorherige Kränkungen, die natürlich auch nicht im gleichen realen Verhältnis entstehen müssen, sondern durch frühere Erfahrungen ausgelöst wurden.
So und an dieser Stelle komme ich darauf zurück mit welcher Selbstverständlichkeit, Du Dich zum Supervisor Deiner Frau stilisiert hast. Ich verstehe und erkenne an, daß Dir das missfällt, das hast Du betont. Was Du nicht einmal angesprochen hast, ist die eigene Befähigung. Irgendwo kam vor, daß Deine Frau wenig Rückhalt dahingehend an ihrer Arbeitsstelle erfährt. Ja auch das kommt vor, kein Einzelfall. Da wird dann der Partner auch mal zum Ansprechpartner für die eigenen beruflichen Schwierigkeiten. Natürlich lässt sich da auch die Vorgeschichte Deiner Frau mit hineinnehmen, aber Deine eigene Wahrnehmung als Supervision legt die Frage nach (zusätzlicher) Pathologisierung nahe.
Mag sein, daß ich mich irre, aber die Beziehungen zwischen Leuten vom Fach, die ich so kenne, würden weder solche Worte wählen noch in ein solches Abgrenzungswirrwarr tappen.
Schließlich und endlich, die Idee, daß die meisten Therapeuten Dich wohl ablehnen würden. Schau, ich kann das schlecht beurteilen, aber nachdenklich macht mich eine solche Geisteshaltung schon.
Schau, vielleicht bist Du ja gar kein so komplizierter Klient? Vielleicht aber ist Therapie jetzt in diesem Moment auch tatsächlich noch nicht das richtige für Dich?
Ich für meinen Teil kann Dir nur sagen, daß ein Leben ohne abgrundtiefen Selbsthass, Wut, Aggression, die allgegenwärtige Frage nach Kränkung und der daraus folgenden Passiv-Aggressivität möglich ist.
Und selbiges wünsche ich Dir von ganzem Herzen.