Liebe Sternschnuppe,
Ich hoffe, es geht dir inzwischen besser. Deine Geschichte erinnert mich sehr an meinen Mann und mich vor 11 Jahren. Inzwischen ist unsere Situation eine völlig andere, damals aber war ich ebenfalls Knall auf Fall fremdverliebt und leider entstand daraus eine Affäre, die ich zum Anlass nahm, mich von meinem Mann zu trennen. Kaum getrennt aber, verließ mich der AM und es folgte ein Albtraum aus Depression, Existenzangst und Leid.
Ich bin dann zurück zu meinem Mann und wir schafften es, unsere Ehe wieder zu beleben. Leider nur vorübergehend, denn inzwischen ist mein Mann schwer krank und pflegebedürftig.
Meine Affäre damals war eigentlich ein Ausdruck meiner ungestillten Bedürfnisse, die ich leider in meiner Ehe, ähnlich wie du, nie erfüllt bekam. Leidenschaft und Romantik sind für meinen Mann Bücher mit mehr als sieben Siegeln. Anders der AM, der sehr charmant und lebensfroh war. Er brachte eine Seite in mir zum Schwingen, von der ich nicht mal wusste, dass ich sie habe.
Ähnlich wie du, bin ich sehr streng erzogen worden. Liebe, Lust und Leidenschaft waren meinen Eltern ein Gräuel. Für sie zählten Disziplin, Leistung und Ordnung. Und obwohl mein Mann alles das verkörperte, lehnte sie ihn von Anfang an ab. So kam es zum Zerwürfnis zwischen mir und meiner Familie, denn meine Entscheidung damals stand fest. Ich wollte meinen Mann und ein Leben mit ihm und nach wie vor denke ich, dass das die richtige Entscheidung war.
Wir haben drei wunderbare Kinder zusammen, wir haben ein Haus mit Garten und hatten nie finanzielle Probleme. Zwar war unser Lebensstil sehr bescheiden, wir hatten nie große Ansprüche an Urlaube oder Luxus aber wir waren zufrieden. Nur die Romantik und die Leidenschaft blieben eben auf der Strecke und obwohl mein Mann ein guter Liebhaber war, konnte er in mir nie dieses Feuer entfachen, wie der AM es schaffte.
Er war mein Arbeitskollege damals und ich erinnere mich noch gut, wie ich jede Faser seines Körpers begehrte. Wie ich seinen Geruch genussvoll inhalierte, wenn er in meiner Nähe war und dass mich jede seiner Berührungen wie ein Stromschlag durchfuhr. So etwas kannte ich nicht, hatte ich nie zuvor erlebt und hielt es ehrlich gesagt unmöglich, dass so etwas existiert.
Leider erwies er sich im Bett aber als schlechter und sehr egoistischer Liebhaber. Trotzdem tat ich alles, um ihm zu gefallen und je mehr er sich entzog, desto mehr versuchte ich, ihn noch einmal für mich zu gewinnen. Das gelang mir auch, doch irgendwann war endgültig Schluss. Ich war nie die einzige Frau, die er datete und irgendwann erfuhr ich, dass es da eine gab, die er schon lange liebte und die er schließlich für sich gewinnen konnte.
Da war ich gerade frisch getrennt und eine Welt brach für mich zusammen. Völlig am Boden holte mein Mann mich zurück.
Die Aufarbeitung dieser Affäre dauerte Jahre. Eigentlich dauert sie noch immer an, auch wenn die Umstände sich inzwischen radikal geändert haben. Ich bin nun 60 Jahre alt. Damals war ich Ende 40. Und noch immer überkommt mich manchmal die Sehnsucht, noch einmal diese berauschende Verliebtheit von damals zu spüren. Noch einmal diese Leidenschaft zu erleben, die sich auf nichts gründete als auf meine eigene Sehnsucht.
Die Ereignisse von damals habe sich in meine Erinnerung eingebrannt. Auch wenn ich meine Leidenschaft wohl nie wieder ausleben werde, bin ich zwar immer noch ein wenig reumütig für das, was ich meiner Familie antat. Aber ich bin auch froh für mich selbst, das wenigstens ein mal erlebt zu haben. Ich weiß jetzt, dass ich eine leidenschaftliche Frau bin und das S. mehr sein kann als eine eheliche Pflichtübung. Dafür bin ich dankbar.
Eines weiß ich aber auch, nämlich dass man auf diesen Empfindungen kein Leben aufbauen kann. Das wäre wohl auch zu viel verlangt. Verliebtheit, Leidenschaft und Begehren sind leider nur punktuell erlebbar. Genauso wie Glück. Sie sind leider nicht von Dauer und daher nicht verlässlich. Viel wichtiger ist da die Zufriedenheit, die Geborgenheit und Sicherheit, die mein Mann mir bot. Darauf konnte ich bauen, selbst nach meiner Affäre. Und auch dafür bin ich zutiefst dankbar.
Ich durfte beides erleben und das macht mich glücklich. Auch wenn das Leid und der Liebeskummer nach der Affäre mich fast aufgefressen hätten. Ich hege keinen Groll mehr gegen meinen AM und ich hoffe, es geht ihm gut. Eines wäre aber unmöglich gewesen nach all dem, nämlich eine Freundschaft mit ihm. Ich meide ihn seither wie der Teufel das Weihwasser. Ich weiß, er hätte immer noch Macht über mich, würde ich ihm nochmal begegnen. Er ist mein Kryptonit-Mensch. Und daher bin ich froh, dass wir uns nie wieder über den Weg laufen werden.
Dir wünsche ich jedenfalls, dass du alles gut überstehst, dass du deine Ehe und deine Familie jetzt zwar anders aber auch voller Dankbarkeit und ein bisschen mehr Weisheit sehen kannst. Sei dir sicher, dass was du für deinen Mann empfindest, ist Liebe. Liebe ist wie ein ruhiger, träger Fluss, der dein Boot trägt und sicher ans Ziel bringt. Die Verliebtheit für deinen AM ist dagegen ein reißender Strom mit Untiefen, Strudeln und Strömungen, die du niemals heil überstehen würdest. Ihr beide nicht. Daher ist es gut, wenn du ihn nicht mehr siehst. Sei nicht traurig, wenn er sich nicht mehr meldet. Er tut das richtige - auch für dich.
Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen.
LG Shedia
23.05.2024 08:30 •
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