Hallo Forum,
ich hoffe meine Geschichte passt hier rein, obwohl meine Trennung schon so lange zurückliegt - der Punkt Loslassen hat mich angesprochen.
Kurz zu mir: Ich bin Ende zwanzig und seit knapp zwei Jahren in einer Beziehung. Das ganze hat sich sehr langsam entwickelt und es hat über ein Jahr gedauert, dass ich ernsthafte Gefühle für meinen Partner hatte. Ich war nie wirklich in ihn verknallt, aber wir lieben uns sehr und unsere Beziehung läuft sehr gut und harmonisch, was ich alles andere als gewohnt bin. Soweit ist akut also alles schön, wäre da nicht dieser eine Mann, der eine riesen Narbe in meinem Herzen hinterlassen hat.
Wir haben uns vor dreieinhalb Jahren kennengelernt. Wir haben uns schlaganfallsmäßig ineinander verliebt, mit Blitzen und Trommeln und Trompeten. Sowas habe ich noch nie erlebt. Ich dachte vorher schon einmal verknallt gewesen zu sein, aber das war eine völlig andere Dimension. Er war damals in einer Beziehung, wir haben uns also zusammengerissen (bzw. es versucht), sind uns aber permanent begegnet (wir wohnen sehr nah beieinander) und dieses Gefühl war die Hölle auf Erden. Es ist nie irgendetwas körperliches zwischen uns gelaufen. Ich wollte mich nicht auf einen vergebenen Mann einlassen und er hat versucht seine ohnehin kriselnde Beziehung zu klären.
Die Beziehung ist kurze Zeit später zerbrochen, seine damalige (und jetzige, dazu gleich mehr) Freundin hat ihm eine Affaire gebeichtet, woraufhin er sich getrennt hat.
Das schlimmste Timing seit Beginn der Zeitrechnung, aber einen Tag später stand er vor meiner Haustür. Es war sofort alles klar, die Erleichterung war auf beiden Seiten unfassbar und es hat sich angefühlt, als würde ich nachhause kommen. Es folgten ein paar wunderschöne und glückliche Monate. Noch nie habe ich mich so verstanden, geliebt, geborgen und glücklich gefühlt. Und dann brach meine persönliche Hölle los.
Er wurde schwer depressiv. Er hat in kürzester Zeit sehr viel abgenommen, konnte nicht mehr schlafen, sah aus wie eine wandelnde Leiche und hat sich komplett zurückgezogen. Ich hatte in der Vergangenheit selbst mit Depressionen zu kämpfen und befand mich zum Zeitpunkt unserer Beziehung in den letzten Zügen einer langwierigen Therapie. Ihm ging es hundeelend, er hat seinen eigenen Zustand nicht verstanden und ist immer tiefer in der Depression versunken. Ich fühlte mich coabhängig. Am Tiefpunkt hatte ich eine Panikattacke, weil er mich versetzt hatte und ich ihn nicht erreichen konnte. Ich hatte unendliche Angst davor, dass er sich etwas antun könnte und war völlig machtlos. Mir ging es sehr schlecht und nach vier Monaten habe ich mich aus Selbstschutz von ihm getrennt, weil ich den Zustand nicht mehr ertragen konnte und er keine psychologische Hilfe in Anspruch nehmen wollte.
Die Trennung und die Zeit danach war furchtbar, es hat über ein Jahr gedauert, bis ich wieder sowas wie Freude empfunden habe. Ich habe alles versucht, um meine Gefühle für ihn loszuwerden, es hat nicht geholfen. Ich habe versucht jeden Kontakt zu vermeiden (was sehr schwierig war, weil wir sehr viele Überschneidungen in Puncto Freizeitgestaltung haben und so nah beieinander wohnen). Ich habe angefangen am Wochenende zu arbeiten, damit wir uns nicht über den Weg laufen können, habe aufgehört auszugehen, damit wir uns nicht ständig begegnen und ganz viele Alltagsgewohnheiten geändert, damit es irgendwann weniger schlimm wird.
Irgendwann habe ich über einen Bekannten mitbekommen, dass er wieder mit seiner Exfreundin (die mit der Affaire) zusammengekommen ist. Da ist eine Welt für mich zusammengebrochen. Auch wenn zum Zeitpunkt der Trennung alles chancenlos schien war immer ein Funke Hoffnung in mir, dass wir wieder zueinander fänden, wenn es ihm wieder besser geht.
Danach ist ein Knoten geplatzt, ich fing wieder an auszugehen und habe meinen jetzigen Freund kennengelernt.
Lange Rede, kurzer Sinn -
Die Hoffnung ist nicht auszurotten und die Gefühle haben sich nicht einen Deut geändert - und das nach fast drei Jahren. Ich habe alle Emotionen durch, Wut, Hass, Trauer, Verzweiflung, nur die verdammte Liebe lässt sich nicht vertreiben.
Ich habe ungeheure Schuldgefühle meinem Freund gegenüber und habe Angst, dass meine Gefühle für meinen Ex meine Beziehung gefährden.
Mein Freund ist ein eher ruhiger Typ, hundertprozentig verlässlich und völlig undramatisch. Er ist verständnisvoll, liebevoll und ehrlich. Er verkörpert alles, was ich in meiner vergangenen Beziehung am Ende schmerzlich vermisst habe.
Ich kann einfach nicht loslassen! Ich habe meine Ex-Beziehung bzw. die chaotische Trennung, die wesentlich langwieriger war als die Beziehung selbst bis ins kleinste in meiner Therapie auseinandergenommen, ich führe eine glückliche Beziehung mit einem Mann den ich liebe und ich denke fast jeden Tag an meine letzte Beziehung zurück. Was ist da los? Bin ich ein Liebeskummer-Hardliner? Sabotiere ich mich unterbewusst selbst? Vermisse ich den Mann, oder nur das Gefühl?
Alles Fragen, die ich mir seit Jahren stelle und die keiner meiner Freunde mehr hören kann
Dieses Wochenende sind wir uns seit langem mal wieder kurz begegnet und heute ging es mir so elend, dass ich eine Verabredung mit meinem Freund abgesagt habe, weil ich ihn nicht mit meiner Laune quälen wollte.
Danke fürs Lesen dieses schonungslos langen Romans. Ich freue mich über Meinungen aller Art, gerade hat es schon unwahrscheinlich gut getan diese Geschichte mal loszuwerden.
07.11.2016 02:59 •
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