Hallo zusammen!
Nachdem ich mich schon einige Zeit hier im Forum aktiv bemühe gerade den Verlassenen den ersten Schritt nach der Trennung zu vereinfachen, möchte ich einen Erste-Hilfe-Thread erstellen, der es hoffentlich allen etwas leichter macht.
Warum nur?
Man liest immer öfter und immer wieder darüber, dass Menschen von einem Tag auf den anderen verlassen werden, ohne dass es irgendwelche Anzeichen für Probleme innerhalb der Beziehung gab.
Grundsätzlich lässt sich der Antrieb, weshalb der Partner die Trennung ausgesprochen hat, nicht pauschal beantworten. Aber es gibt unterschiedliche Ansatzpunkte, die in verschiedenen Beiträgen hier im Forum immer wieder thematisiert wurden:
- Es sind keine Gefühle mehr da
- Man sieht kein gemeinsames Bild in x-Jahren
- Die Gefühle reichen nicht
- Man passt nicht zusammen
- Es gibt evtl. schon jemand neuen
In den ersten vier Fällen ist der Auslöser vielfältig und ist so gut wie nicht erklärbar. Dennoch habe ich viele verschiedene Themen gelesen in denen die Gründe nach etlichen Beiträgen ganz gut herausgearbeitet wurden:
Fremdeinflüsse
Ja, es gibt tatsächlich Fremdeinflüsse. Wenn sich der Trenner unwohl in seiner Haut fühlt, wird er sich irgendwann dem besten Freund oder der besten Freundin oder der Familie anvertrauen und mit denen darüber reden, dass die Beziehung gerade nicht so gut läuft bzw. man unsicher ist, ob es noch das richtige ist. Dies führt unweigerlich dazu, dass das Thema in diesem Kreise immer und immer wieder thematisiert wird. In regelmäßigen Abständen wird immer wieder gefragt, wie es denn jetzt geht, ob es besser ist, oder eher schlechter. Das lässt in den meisten Fällen kaum wieder Ruhe einkehren, sondern sorgt eher für noch größeren Druck. Derjenige, der sich mit der Trennung beschäftigt, wird immer wieder damit konfrontiert, dass ja eigentlich was fehlt. Meistens ist es ja so, dass die eingeweihte Vertrauensperson dem Trenner sehr nahe steht. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Person dann sowas sagt wie jetzt reiß dich mal zusammen, du hast den Jackpot zu Hause. Es fallen eher Aussagen wie so richtig habt ihr eh nicht gepasst - eben weil diese nahe stehende Person ihn ja aus seinem Gefühlsdrama lösen oder ihm einfach nur blinde Bestätigung zukommen lassen will. Damit ist dann das Ende schon fast besiegelt. Daran ändert man nichts mehr.
Abschwächung oder Verlust der Fokussierung
In anderen Fällen war es so, dass man das gemeinsame Bild oder die Gefühle füreinander nicht mehr sieht. Das kann dadurch entstehen, dass andere auftretende Lebensereignisse die Gefühle in den Schatten stellen. Die Gründe können vielfältig sein: Jobverlust, Todesfall, neuer Job, Krankheitsfälle etc. Wenn das so ist, will der Zweifler Gewissheit und vertraut sich möglicherweise Freunden/Freundinnen an (siehe Fremdeinflüsse). Die unausweichliche Folge ist meistens die Trennung.
Bindungsängste
Außerdem gibt es die Fälle von Bindungsängsten. Weshalb diese entstehen, lässt sich auch nicht wirklich pauschalisieren, aber einer der am meisten genannten Gründe war eine zuvor erlebte toxische Beziehung. Die Person geht eine neue Beziehung ein und verspricht einem das blaue vom Himmel. Alles ist wundervoll und jeden Tag wird einem die Liebe gestanden. Man ist der Traummann/die Traumfrau. Man bucht Urlaube, plant den Bau eines Hauses und auch über Hochzeit und Nachwuchs wurde im Laufe der Zeit gesprochen. Irgendwann kommt der ganz große Knall und die Trennung wird vier Wochen vor dem gemeinsamen Urlaub ausgesprochen.
Fakt ist: diese Menschen haben ein Nähe-Distanz Problem. Je enger und ernsthafter diese Beziehung wird, desto schlimmer wird es dann für sie. Plötzlich sehen sie keine Zukunft mehr in x-Jahren. Das Haus mit Hund und die geplanten drei Kinder ergeben kein Bild mehr. Die Gefühle sind da, aber es reicht nicht.
Menschen mit Bindungsängsten, müssen erstmal ein Detoxing durchführen und der Sache auf den Grund gehen, weshalb es dazu gekommen ist. Das kann ein paar Jahre dauern, die aber oft nicht genommen werden, da ja neben dem Nähe-Problem, das Distanz-Problem besteht. Alleine sein wollen sie ja auch nicht. Also wird der Tinder-Abreissblock gestartet, statt sich mit dem Grundproblem auseinanderzusetzen.
Soll es das schon gewesen sein?
Der nächste Grund für eine plötzliche Trennung ohne Vorwarnung. Der Trenner zweifelt an der Liebe oder der Beziehung als Ganzes, weil er evtl. das Gefühl hat, doch noch etwas zu verpassen. Vielleicht gibt es ja einen Partner der viel besser ist, als das, was man hat. Zweifel machen sich weiter breit, man gerät in ein Gedankenkarussel und sieht plötzlich eher die Dinge, die einen stören anstatt sich auf die wesentlichen, positiven Eigenschaften des Partners zu konzentrieren. Nämlich die, die dafür gesorgt haben, sich auf diese Beziehung einzulassen. Diese Dinge geraten in den Hintergrund und werden ignoriert. Die Folge ist ebenfalls die Trennung. Auch da kann man nichts tun und man wird davon überfahren.
Meine persönliche Meinung ist, dass dies die Folge der Tinder's dieser Welt ist. Es ist so einfach, durch 100 Frauen oder Männer pro Tag zu swipen. Man sieht, was für ein riesiger Markt da draußen vorhanden ist. Alle stehen MIT BEIDEN BEINEN IM LEBEN!, sind auf jeden Fall Multimilliardäre und leben 6 Monate pro Jahr in Dubai, und die anderen 6 in Florida. Die Garagen quellen über vor Sportwagen. Sixpacks und Mädchen in knappen Bikinis wohin man nur schaut.
Die Konsequenz ist ein daraus resultierende Wegwerfgesellschaft. Wenn es mit Yvonne nicht läuft, fliegt die neue Ivonne bei Tinder ein.
Es gibt da wen neues
Wenn eine dritte Person ins Spiel gekommen ist, ist es am schmerzhaftesten. Man fühlt sich ersetzt, ausgetauscht und ganz fürchterlich verraten und verkauft. Beide Seiten sind dennoch verständlich: wenn sich jemand plötzlich in einen anderen verliebt oder Gefühle entwickelt, war die alte Beziehung leider schon am Ende. Es fehlt was, was nicht erkannt wurde. Das klingt hart, ist aber so.
Erste Hilfe
In allen genannten Fällen gilt das gleiche. Man kann diese Trennung nicht mehr verhindern, wenn sie einmal ausgesprochen ist. Die Person, die sie ausgesprochen hat, hat darüber lange nachgedacht, denn auch wenn die Gründe teilweise überstürzt klingen, ist eine Trennung nie leicht. Man hat eine gewisse Zeit miteinander verbracht und die Person von der man sich trennen will mal geliebt, oder tut es noch. Man will sie nicht verletzen. Die Trennung auszusprechen kostet so fürchterlich viel Kraft, vor allem bei den oben genannten vier Gründen (keine Gefühle, kein Bild in x-Jahren etc.). Wenn die Beziehung dann auch noch wirklich harmonisch verlief, ist es nochmal schwieriger. Man kann als Trenner nicht mal wütend auf den Partner sein, weil er einen mies behandelt hat. Man trennt sich von jemandem, von dem man weiß, dass er einen liebt. Und diesem Menschen muss man sagen, dass man es selbst nicht mehr tut, oder zweifelt oder was auch immer. Deswegen: die Trennung kostet dem Trenner enorm viel Energie. Daher ist sie NICHT verhandelbar.
Warum hat er/sie denn nicht mal was gesagt?
Die Antwort ist gemein, aber leicht: was soll er/sie denn auch sagen? Er/sie zweifelt an den Gefühlen oder hat eine(n) neue(n). Das könnt IHR als Verlassene nicht heilen. Ihr könnt nicht sagen: aber ich lieb dich doch. Dadurch ändert der Trenner seine Meinung nicht. Ihr könnt in diesem Fall überhaupt nicht helfen oder noch was verhindern. Die Gefühle müssen vom Trenner selbstständig wieder gefunden werden.
Was also tun?
In allen Fällen gibt es nur eine sinnvolle Lösung:
- die totale Kontaktsperre bzw. Kontaktabbruch
Jedes hinterher laufen, jede WhatsApp, jeder Anruf, jedes Social-Media Stalken macht euren seelischen Zustand nur schlechter. Wenn ihr schreibt und nicht die Antwort bekommt die ihr erwartet, macht euch das traurig. Ihr hinterfragt jedes einzelne Wort. Versucht zwischen den Zeilen zu lesen. Jedes neue Profilbild oder WhatsApp Status startet ein Gedankenkarussel (er/sie sieht so glücklich aus, hat er/sie mich denn schon vergessen?). Von daher: lasst es!
Es ist an dem Trenner sich zu finden und sich bei euch zu melden, wenn er es möchte. Jedes hinterherrennen macht euch bedürftig und treibt den Ex-Partner nur noch weiter von euch weg (achtet auf euer Selbstwertgefühl). Dieser wird erstmal die neu gewonnene Freiheit genießen. Der hat lange darüber nachgedacht, ob die Trennung richtige wäre. Irgendwann zieht man es dann durch und erstmal fällt ein Stein vom Herzen. Man ist erleichtert und euphorisch. Das sieht man auch dann in den ganzen Social-Media Accounts (Party, betrinken, tanzen). Daher: Finger weg! Deaktiviert den NewsFeed wenn ihr nicht blocken/löschen wollt. Aber vermeidet jeden noch so kleinen Blick.
Bei Kindern ist das ganze natürlich etwas komplizierter. Aber auch da gibt es Mittel und Wege die Betreuung und Absprachen digital per Nachricht zu regeln.
Vermeidet emotionale Ausbrüche durch Telefongespräche und Diskussionen über das warum/weshalb. Nutzt lieber die Chatplattformen.
Verarbeitet die Trennung für euch. Tut Dinge, die ihr immer mal tun wolltet aber der Partner nicht wollte. Wichtig ist: tut alles was ihr tut für euch, nicht für euren Ex. Fangt also nicht mit russischem Ausdruckstanz mit sechs blinden Mönchen bei Vollmond an. Vermeidet ihn eifersüchtig zu machen, und zeigt stattdessen Größe, in dem ihr euch weiterentwickelt.
Sport ist wunderbar um sich auszupowern und auf andere Gedanken zu kommen. Ihr müsst den Hintern hochkriegen und die Wohnung verlassen. Sport, frische Luft schüttet Glückshormone aus. Das sind die, die euch jetzt fehlen. Also: ab nach draußen, ins Schwimmbad in die Sauna oder was auch immer.
Können die Gefühle denn einfach so weg sein?
Nein, das glaube ich nicht. Allerdings ist das abhängig von etlichen Faktoren.
Gefühle können verschwinden wenn:
- die ganze Beziehung immer hoch explosiv war
- ständig Drama
- durch Untreue
- ein ganz schrecklicher Rosenkrieg herrschte.
Wenn man sich respektvoll, ohne große Streitereien getrennt hat, und wenn die Beziehung an sich auch immer harmonisch, und auf Augenhöhe verlief, man die gleichen Werte geteilt hat, glaube ich, dass die Gefühle bleiben können. Zwar nicht in diesem Ausmaß wie sie innerhalb einer Beziehung sind, aber ich schätze, die können erneut entfacht werden und das gleiche Maß erreichen wie zuvor, wenn man das wirklich will. Dafür ist aber eine gute Zeitspanne von einige Monaten notwendig.
Selbstverständlich kochen die Gemüter im Rahmen einer Trennung auch mal über. Das wird, sofern es im Rahmen ist, auch letztendlich nicht für die komplette Entgleisung sorgen. Schlechte Erinnerungen werden eh irgendwann ausgeblendet (sofern sie nicht zu schlecht sind - Thema Untreue, Gewalt).
Ex-Zurück Strategie?
Das ist Unfug. Vergesst es einfach und vermeidet Hoffnung in irgendwelche strategischen Ratgeber im Internet zu setzen. Spart euch das Geld dafür und geht lieber in die Sauna oder zur Mass..
Ex-Zurück sollte man nicht als Strategie verstehen, sondern als würde man einen neuen Partner kennenlernen. Das dauert teilweise Monate oder auch Jahre. Akzeptiert die Trennung und baut euch euer neues Single-Leben. Die Ex-Zurück-Strategen beweihräuchern sich ja in erster Linie damit, eine wundervolle Planung entwickelt zu haben, die einem so richtig dabei hilft seinen Ex zurück zu erobern. Das ist alles *beep*.
Gefühle sind nicht verhandelbar. Aber man kann dafür Sorgen, dass man als Verlassener nicht in Ungnade fällt, weil man klammert, bedürftig wirkt, stalked oder nur noch nervt. Der Trenner will wie gesagt seine Ruhe. Deswegen hat er sich getrennt.
Wenn er euch liebt oder seine Gefühle neu entdeckt, wird er sich melden. Darauf warten wir aber natürlich NICHT.
Soll ich einen Brief schreiben?
Klar, warum nicht. Es ist eine gute Idee, einen Brief zu verfassen in dem man seine Gefühle zusammenfasst. Das bringt die Gedanken zu Papier und der Kopf wird freier.
Aber soll ich den denn auch abschicken?
Ja und nein: wenn ihr einen Brief schreibt, der die Beziehung nochmal reflektieren lässt, weg von jeglichen Vorwürfen ist, nicht bedürftig wirkt, kann man ihn auch abschicken. Aber das ist wirklich ein recht schmaler Grat, den man gehen muss. Ich würde einen Brief über ein paar Wochen (2-4 oder mehr) schreiben und immer wieder neu lesen, korrigieren. Dann kann man ihn auch absenden.
Zu welchem Zeitpunkt soll ich ihn absenden?
Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt. Ihr wisst nicht wie der Partner sich gerade fühlt. Aber: die Frage ist auch irrelevant. Enthält der Brief einen respektvollen Ton, rekapituliert auf liebevolle Weise die Beziehung, den Umgang, die gemeinsamen Werte, kann man ihn immer absenden. Auch nach zwei Wochen. Papier ist geduldig. Möglicherweise liest er/sie ihn und legt ihn erstmal weg. Dennoch arbeitet etwas im Unterbewusstsein. Das soll nicht manipulativ klingen, sondern die Konsequenzen aufzeigen.
Ist der Brief voller Vorwürfe, Anschuldigungen wird auch das arbeiten. Daher: Augen auf bei der Wortwahl und Ausdrucksweise.
Seht darin allerdings NICHT einen Ex-Zurück Versuch sondern einen würdevollen Abschluss der Beziehung!
07.11.2021 14:55 •
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