Zitat von wolkig: Mich interessiert aber einfach, wie es Paare geschafft haben, von der Vernunftebene wieder in eine emotionale und glückliche Beziehung zu kommen. Ob das wirklich funktionieren kann. Deshalb die Frage.
Wir haben es geschafft. Ich hatte vor 8 Jahren eine Affäre mit meinem damaligen Arbeitskollegen. Ich habe mich dann sehr schnell von meinem Mann getrennt, bin ausgezogen und der AM zog sich genau da reflexartig zurück. Er wollte eine vorrübergehende Affäre mit mir führen aber keine Beziehung. Leider hat er das so deutlich nie formuliert, sondern mir im Gegenteil Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft gemacht. Er war zu dem Zeitpunkt offizielle Singel, da seine Frau nach langer schwerer Krankheit verstorben war. Was ich nicht wusste, es gab schon eine potentielle neue Frau an seiner Seite, die aber das Trauerjahr abwarten wollte. Diese Zeit nutzte er u.a. für die Affäre mit mir. Alles das erfuhr ich erst viel später.
Als der AM sich von mir zurück zog, ging es mir sehr schlecht. Ich litt schon vor unserem Kennenlernen an einer schweren Depression, bekam Medikamente, war aber noch nicht in Therapie. Allein und frisch von meiner Familie getrennt, in meiner Bruchbude von Wohnung, brach ich zusammen. Mein Mann holte mich dann zurück. Ich kündigte die Arbeitsstelle, blieb aber noch eine Zeit lang mit dem AM über Whatsapp in Kontakt, um meine Wut an ihm auszulassen und die Dinge aufzuklären. Ich hatte inzwischen durch eine andere Kollegin von seiner Freundin in Lauerstellung erfahren und hatte dazu ein paar Fragen, die er konsequent unbeantwortet ließ. Also machte ich unsere Affäre an seinem Arbeitsplatz öffentlich, was ihm natürlich nicht gefiel. Erst nach einer ganzen Weile brach auch dieser Kontakt ab und ich mied alles und jeden, der in irgendeiner Form mit dem AM in Verbindung stand.
Das hätte ich sofort tun sollen, auf diese Wochen und Monate der Ambivalenz nach dem Scheitern der eigentlichen Affäre bin ich nicht stolz. Die hätte ich uns gerne erspart, wie so vieles andere auch.
Jedenfalls ging es mir dann sehr schlecht. Nur aufgrund der Medikamente funktionierte ich im Alltag noch halbwegs weiter und schaffte es sogar, mir eine neue Arbeit zu suchen. Jedoch ging ich echt auf dem Zahnfleisch. Ich beantragte dann endlich eine Therapie, in die auch mein Mann mit eingebunden wurde. Meine Therapeutin ermutigte mich, alles an Kritik an meinem Mann auf den Tisch zu packen. Meinem Mann machte sie klar, dass es ein weiter so nicht geben kann. Es musste sich etwas ändern in unserer Ehe. Und tatsächlich änderte sich eine Menge. Wir hatten bis dahin ein sehr traditionelles Rollenmuster gelebt. Ich war lange als Hausfrau zu Hause geblieben während mein Mann seine Karriere machte. Die Stelle, bei der ich auf den AM traf, war meine erste nach 15 Jahren und in einem völlig neuen Beruf. Die Umschulung hatte ich mir selbst finanzieren müssen, da ich als Hausfrau und Ehefrau eines gut verdienenden Mannes keinerlei öffentliche Förderung bekam. Da ich kurz zuvor ein bisschen geerbt hatte, war es mir möglich, alles selbst zu bezahlen. Mein Mann hat es nie unterstützt.
Diese Einstellung änderte er grundlegend. Er hatte begriffen, dass er mich nicht mehr zurück in den goldenen Käfig sperren kann. Er half mir mit den Kindern und der Hausarbeit und zeigte sich in Bezug auf die Affäre gesprächsbereit. Es folgten lange quälende Gespräche, in der auch intime Probleme endlich mal ausgesprochen wurden. Dennoch blieb ich gefühlsmäßig noch viel zu lange unbeteiligt. Ich akzeptierte aber, dass es so zunächst mal aus Vernunftgründen am besten für alle wäre, besonders für unsere Kinder.
Es ging mir auch aufgrund der Therapie zunehmend besser und wir begannen wieder mit gemeinsamen Aktivitäten, wie Kino, Theater und sogar tanzen gehen. Meine Gefühle änderte sich langsam, blieben jedoch eher freundschaftlich.
Dann kam Corona. Eine nochmal sehr harte Zeit. Ein Kind zog aus, mein Mann arbeitete 24/7 im Home Office und ich halbtags auf der neuen Stelle. Dort war ich sehr belastet, obwohl nur wenige Stunden am Tag und musste nebenher wieder vieles stemmen. Doch mein Konfliktverhalten hatte sich auch durch die Therapie stark verändert. Ich schluckte nichts, aber auch gar nichts mehr runter, sondern legte die Karten sofort und immer offen auf den Tisch. Mein Mann und ich stritten wie die Kesselflicker. Doch anstatt eine neue Krise zu verursachen, kam dadurch meine verschwunden geglaubte Libido wieder zu Tage. Also stritten wir und versöhnten uns abwechselnd und plötzlich war der S. zurück in unserem Leben. Mein Mann war dadurch zunächst ein bisschen überfordert, fügte sich dem jedoch verwundert und machte mit. Doch auch da hatte sich vieles verändert, was wohl unserem fortgeschrittenen Alter geschuldet ist. Doch wir machten das beste daraus und genossen es auch in dieser neuen veränderten Form ohne abenteuerliche Stellungen und Kama..
Und heute kann ich sagen, ja ich liebe meinen Mann wieder aufrichtig und von Herzen und er mich. Es war ein langer Weg und er hat uns viel abverlangt. Die Liebe, wie ich sie heute spüre hat auch nichts mit der aufregenden frischen Verliebtheit der Affärenzeit zu tun. Sie ist eher ein ruhiges, tiefes warmes Gefühl. Aber ich bin mir sicher, dass es Liebe ist. Der Schlüssel war in der Rückschau immer die Akzeptanz der Situation und der Gefühle, wie sie gerade waren. Nichts erzwingen wollen aber eben dran bleiben und ein Detail nach dem anderen besprechen und aushandeln. Das war anstrengend aber sehr gewinnbringend. Ich wünschte nur, das alles wäre ohne die Affäre möglich gewesen. Sie war der Paukenschlag, der alles ins Rollen brachte. Wir hatten riesiges Glück, dass es nicht nach hinten los ging. Und dafür bin ich dankbar.
Ich hoffe, ich konnte dir mit meinem Bericht ein bisschen helfen. Ich wünsche dir alles Gute liebe @wolkig und dass du dich richtig entscheidest.