Hallo,
ich bin depressiv und habe mich leider von meiner Liebe vor kurzem durch diese Krankheit trennen müssen. Vielleicht hilft es dir ja die Ansicht von der kranken Seite zu hören:
Diese Emotionslosigkeit, die durch Depression entsteht, ist zumindest bei mir das gewesen, was mich völlig aus der Bahn geworfen hat - ohne, dass ich es anfangs bemerkt habe. Wenn man tatsächlich anfängt zu realisieren, dass man nicht mehr fühlt und die Person, die man liebt, nicht mehr richtig wahrnimmt, bekommt man Angst. Sowohl vor der Situation als auch vor sich selber. Schließlich müsste man doch fühlen, wenn der Partner oder die Partnerin weint oder sichtlich leidet. Aber da war nichts, schlicht und einfach nur Leere. (Diese Leere ist nicht vergleichbar mit in Gedankenleere sein. Es ist viel mehr wie ein schalldichter Glaskasten in dem man sich befindet, der einen keine Gedanken oder Träume haben lässt, sondern viel mehr einen irgendwie im ganzen Geschehen ohne jegliche Anwesenheit und Emotion sitzen lässt - man ist da, aber weder in der eigenen Innenwelt, noch in der Außenwelt auch nur ansatzweise anwesend.)
Das bedeutet nicht, dass es einem egal ist, wenn der Partner oder die Partnerin weint bzw leidet, es bedeutet nur, dass man es weder fühlt noch zum Ausdruck bringen kann. So kommt es z.T. leicht zu dem Eindruck, dass die Bedeutung der Person nicht mehr vorhanden ist und das ist das Fatale bei der ganzen Sache. Missverständlicherweise kommt der Eindruck, als ob die depressive Person nicht mehr lieben würde - tut sie aber, sie fühlt es nur nicht. Und durch das Fehlen des Fühlens der eigenen Gefühle, glaubt die depressive Person irgendwann selber, dass sie nicht mehr fühlt und liebt - auch da war ich schon. Und erst jetzt weiß ich, dass dieser Glaube bzw. Gedanke einfach nur so falsch war.
Die Tatsache, dass er dich quasi von sich stößt mit dem Satz du sollst ohne ihn glücklich werden, zeigt, dass du ihm unglaublich wichtig bist und er sich nicht zutraut dich lieben zu können, weil er schon viel zu lange nicht mehr richtig gefühlt hat. Es ist derselbe Grundgedanke den ich hatte, als ich meine Freundin von mir wegstoßen habe, indem ich mich von ihr trennte. Sie war da, vom Anfang der Depression bis zur schwierigsten Phase (und sie hätte es mit mir auch weiter durchgestanden, wenn ich nicht Schluss gemacht hätte). Sie hat mich unterstützt, zu mir gestanden, Geduld mit mir gehabt, mich geliebt und war schlichtweg zu 150% für mich da. Egal ob ich emotionslos war, keine Ambition hatte Therapien anzufangen oder sonstiges. Sie nahm sich Zeit, hat sich mit der gesamten Materie beschäftigt, mir Krankenhäuser im Internet gezeigt, Behandlungen, Verfahren, etc. Ganz ehrlich: ich glaube nicht, dass ich noch diesen Kommentar hier schreiben könnte, wäre sie damals nicht gewesen.
Natürlich kommt nun der entscheidende Punkt: warum haben wir uns voneinander getrennt? Kurz bevor ich ins Krankenhaus ging, habe ich beschlossen die Beziehung zu beenden. Sie wollte sich nicht trennen, ich schon. Ich begründete die Trennung damit, dass ich sehe wie sehr sie leidet und ich das nicht weiter mit ansehen kann. Meine Krankheit überlastet sie und sie sieht und bemerkt es nicht einmal, weil sie so sehr bei der Sache ist und so ambitioniert mich aus dieser Krankheit rauszuholen. Ich kam mir so egoistisch vor, dass ich das nicht weiter zulassen konnte. Auch wenn sie bis zur letzten Sekunde dagegen war, trennten wir uns und ich ging für 10 Wochen ins Krankenhaus, um meine Depression behandeln zu lassen. Nun der entscheidende Punkt: nachdem ich zurück war, trafen wir uns auf einen Drink und ich sah sie das erste Mal nach knapp drei Monaten wieder. Sie lächelte, wie ich sie schon lange nicht mehr lächeln gesehen habe. Und sie sagte mir, dass ich damals Recht hatte und die Trennung das Richtige war. Sie hatte nie bemerkt wie sehr sie das alles gestresst hatte und sie hat erst jetzt einsehen können, dass sie nicht Schuld an meiner Krankheit sei. Bis dahin wusste ich nie, dass sie sich schuldig fühlte, weil mir das nie in den Sinn gekommen wäre. Aber tatsächlich fühlte sie sich all die Zeit über schuldig - kaum auszudenken wie sie sich die ganze Zeit gefühlt haben muss.... es tut mir so leid. Zumindest war der Abend die Bestätigung für mich, dass es richtig war sich zu trennen.
Sie und ich, wir wissen auch, dass da immer noch diese gewisse Beziehung im Herzen ist. Daher verstehe ich was du mit dem Satz meinst. Wir haben es auch nochmal versucht, aber es stellte sich heraus, dass die alten Muster wieder zum Vorschein kamen und sie wieder anfing zu leiden. Dieses Mal (vor einer Woche) entschieden wir uns dafür den Kontakt vollständig abzubrechen, nach dem Motto wenn sich die Wege wirklich nochmal kreuzen sollen, dann wird es auch passieren. Heute bereue ich vieles, dass ich nicht mehr auf ihre Gefühle geachtet habe, nicht mehr Energie in das Zusammenhalten anstatt das Auseinanderhalten investiert habe, aus Sorge, ich würde sie mit runterziehen. Aber es ging nicht anders, damals konnte ich all das nicht, weil ich nicht fähig war zu Fühlen oder Reue vorauszusehen. Sie fehlt mir und ich hasse die Krankheit dafür, dass sie mir meine Liebe genommen hat. Umso mehr werde ich zukünftig versuchen schnellstmöglich gesund zu werden, um dann die nächste Kreuzung zu finden, wo sich unsere Wege vielleicht schneiden werden.
Um deine letzten beiden Fragen (aus meiner Sicht) zu beantworten:
Es ist möglich wieder eine Beziehung zu haben, ich glaube da ganz fest dran. Während meines Aufenthalts im Krankenhaus habe ich viele Patienten kennengelernt, deren Partnerschaft diese schwierige Phase überstehen. Genauso habe ich welche kennengelernt, die sich in einer schweren depressiven Phase verliebt und eine Partnerschaft angefangen haben. Ich gehöre leider zu jenen, die sich getrennt haben, aber das soll dich nicht entmutigen! Denn ich weiß, dass sobald ich gesund bin, ich den Sprint meines Lebens hinlegen werde, um sie bei der nächsten oder übernächsten Kreuzung einzuholen.
Wenn du dich stark, wirklich stark genug fühlst, um für ihn da sein zu können, mit viel Geduld und Kraft, dann versuch es ruhig. Aber unterschätze nicht die Energie, die es kosten wird! Ich persönlich denke der Grad der Anstrengung ist für die depressive Person und den Partner bzw die Partnerin gleichermaßen oder zumindest ansatzweise gleichmäßig hoch. Der einzige Unterschied besteht für mich nur darin, dass die depressive Person keine Wahl hat und sich dem Ganzen stellen muss im Gegensatz zur gesunden Person.
Es ist im übrigen auch in Ordnung einzufordern, dass er dir an guten Tag auch zeigt, dass er es als schön empfindet dich da zu haben und dankbar ist. Dankbarkeit ist etwas, was ich damals oftmals vergessen habe zu zeigen. An guten Tagen sind wir Depris auch offen für Gespräche und etwas sanft formulierte Kritik;) es ist aber auch genauso in Ordnung wenn du sagst, dass du die Energie gerade nicht hast und eine Pause oder etwas Abstand brauchst. Fühl dich nicht dazu verpflichtet ihm durch diese schwere Phase beistehen zu müssen! Du trägst weder Verantwortung noch Schuld. Er wird es verstehen und solange du ihm deutlich machst, dass du nicht aus seiner Welt komplett verschwinden wirst, wird er das auch sicherlich ohne großartige Schwierigkeiten akzeptieren können - Kommunikation ist das Wichtigste bei der ganzen Sache. Denn sollte es dir wirklich irgendwann mal zu viel werden, ist es wichtig, dass du ihm kommunizierst, dass es an der Krankheit und nicht an ihm liegt.
Ich hoffe ich konnte dir damit irgendwie helfen...
LG
Panda