Lieber Balu85!
Was du und deine Frau gerade durchmachen tut mir unendlich leid. Und es erinnert mich an meine eigene Geschichte und die meines Mannes. Um es kurz zu machen, ich war in der Situation deiner Frau.
Ich möchte dir hiermit Mut machen! Ihr bekommt es bestimmt wieder hin, zumal die Affäre deiner Frau im Vergleich zu meiner eher harmlos war. Dennoch verstehe ich, das sie dich belastet. Und ich möchte an dich appelieren, noch viel mehr Mut, Geduld und Durchhaltevermögen an den Tag zu legen. Die Affäre deiner Frau war ja nur ein Symptom. Die Ursachen für eure Probleme liegen, wie du schon richtig gesagt hast, viel tiefer. Das erledigt sich leider nicht von heute auf morgen und auch nicht innerhalb weniger Monate. Dazu braucht es Jahre!
Aber nun zu meiner bzw. unserer Geschichte. Ich bin eine Frau in den mittleren Jahren inzwischen. Mein Mann ist 5 Jahre älter. Wir lernten uns kennen, als ich gerade 19 und er 24 war. Wir waren für den anderen jeweils der erste richtige Partner. Unsere Anfangszeit war wunderschön. Wir waren beide zum ersten mal richtig verliebt. Freunde hatten uns zusammen gebracht, denn wir galten wohl beide als hoffnungslose Fälle. Wir waren beide schüchtern und unsicher. Vor allem im Umgang mit dem anderen Geschlecht. Ich war sehr streng erzogen worden und fühlte mich als Frau sehr unsicher und unwohl in meinem eigenen Körper. Meinem Mann erging es da wohl ähnlich.
Schon bald nach unserem Kennenlernen machten meine Eltern uns das Leben schwer. Sie lehnten meinen Mann rigoros ab. Ich durfte ihn nicht mit nach Hause bringen und ich geriet unter erheblichen Druck. Das alles bewältigten wir, trafen uns dennoch bei ihm weiter. Ich machte meinen Abschluss, ging in die lehre und mein Mann brachte sein Studium zu Ende. Bald danach zogen wir zusammen. Gegen den Willen meiner Eltern, die mir aber, da ich volljährig war, nichts mehr zu sagen hatten.
In den ersten Jahren genossen wir unser Leben zusammen sehr. Wir waren jung und endlich unabhängig. Wenn auch meine familiäre Situation mir schwer zu schaffen machte. Meine Familie hatte sich zwar inzwischen mit meinem Partner abgefunden, aber sie gingen auf Distanz und zeigten mir bei jeder Gelegenheit deutlich was sie von mir und ihm hielten. Das prägte uns nachhaltig.
Dennoch waren wir glücklich. Wir kauften ein Haus, beschlossen zu heiraten und ich wurde schwanger. Ich hatte mir schon lange ein Kind gewünscht. Mein Mann war da eher zurückhaltend aber auch er freute sich und wurde ein wunderbarer Vater. Leider war unser Sohn nicht ganz gesund. Er brauchte viele Operationen und ich gab meinen Job auf, um ganz für ihn da sein zu können. Somit rutschten wir in eine typische und tückische Einverdienersituation. Das Geld wurde knapp und die Belastungen durch das Haus waren enorm. Mein Mann trug die Verantwortung für unsere Finanzen und ich trug die Verantwortung für den Haushalt und unser Kind. Soweit so gut bzw. so schlecht!
Wir drifteten ohne es zu merken auseinander dadurch. Und insgeheim fing ich an, an unserer Ehe zu zweifeln. Ich war überlastet durch die alleinige Verantwortung für unser Kind. Ich blieb im Krankenhaus und auch danach 24/7 präsent. Unterstützung durch Großeltern gab es nicht. Mein Mann regelte den Rest. Durch meine eigene Belastung konnte ich seinen Anteil aber nicht mehr sehen und nicht mehr würdigen. Ich fühlte mich allein. Meine Familie fehlte mir . Meine Isolation wurde unerträglich. Ich wurde dick und fühlte mich zunehmend unerotisch. Als Frau nicht mehr sichtbar, unglücklich und einsam.
Ich wünschte mir dennoch ein zweites Kind. Aber mein Mann lehnte das ab. Er fühlte sich so schon belastet genug und konnte und wollte noch mehr Verantwortung nicht übernehmen. Ich fühlte mich auch in meinem Kinderwunsch nicht gesehen, und allein gelassen von ihm.
Und die Belastungen nahmen noch zu. Meine Eltern wurden krank und starben kurz hintereinander ohne das es zu einer wirklichen Versöhnung kam. Ich wurde krank und musste mich einer OP unterziehen, die eine weitere Familienplanung unmöglich machte.
Unser Kind aber wuchs heran, meisterte die Schule mit meiner Unterstützung und war zu diesem Zeitpunkt wohl das, was uns noch zusammen hielt. Endlich waren alle seine Operationen erledigt und er war zwar gezeichnet aber gesund. Und dann kam die Pubertät....
Ich versuchte, mir einen neuen Lebensinhalt zu suchen, da unser Sohn nicht mehr bereit war, mir diesen zu liefern. Damit war ich natürlich total einverstanden. Ich wusste ja, das das so genau richtig war. Aber ich litt noch mehr, da ich ja jetzt mich nicht nur hässlich und ungeliebt von meinem Mann fühlte sondern auch noch nicht mehr gebraucht von meinem Sohn.
Ich machte eine kurze Umschulung, fand danach problemlos einen Job und ging darin auf. Mein Mann aber hatte Schwierigkeiten, sich damit zu arrangieren und meuterte bei jeder Veränderung, die meine Berufstätigkeit mit sich brachte. Ich empfand ihn und unsere Ehe zunehmend als Belastung. Liebe fühlte ich da schon längst nicht mehr. Er nervte!
Tja und dann kam es, wie es kommen musste. Ich lernte einen netten Mann kennen, der so ganz anders schien, als mein Mann. Er war fürsorglich, flirtete mit mir und gab mir mein Selbstvertrauen zurück. Ich lebte auf, nahm problemlos ab und fühlte mich endlich wieder gesehen und attraktiv. Wir begannen eine kurze Affäre und ich war davon besessen, ihn ganz für mich zu gewinnen.
Sehr schnell erzählte ich meinem Mann alles, suchte mir eine Wohnung und zog aus. Ich blieb aber ganz in der Nähe meiner Familie, denn ich wollte ja weiterhin für unseren Sohn da sein. Dieser blieb selbstverständlich bei seinem Papa und in unserem Haus. Er war 14. Ein kritisches Alter und wir wollten ihm keine zusätzlichen Veränderungen zumuten.
Just in dem Moment, wo ich auszog, zog sich aber mein Freund wieder zurück. Meine Konsequenz hatte ihn überfordert. Er wollte keine Beziehung sondern nur ein kleines Affärchen. Das hatte er zwar nie anders kommuniziert, in meinem Enthusiasmus hatte ich das aber nicht wahrhaben wollen bzw. verdrängt.
Als er ging, fiel mein Kartenhaus erneut zusammen. Aber sowas von! Ich wurde krank, brach unter der Last zusammen und war ein einziges Häufchen Elend.
Darin erkannte mein Mann seine Chance. Er holte mich zurück und kaputt, wie ich war, ließ ich es geschehen. Froh, wieder zu Hause und geborgen zu sein, brach ich beinahe vollends zusammen.
Ich wurde schwer depressiv, war nicht mehr in der Lage zu arbeiten, zu funktionieren, geschweige denn irgendetwas zu fühlen. Nur eins fühlte ich, und das war Schmerz und Entäuschung über meinen Freund, der mir zuerst soviel Hoffnung gegeben hatte und mich dann so grausam hatte fallen lassen.
Alle Energie, die mir trotz der Depression noch blieb, brauchte ich, um zu Hause meine Maske für meinen Mann aufzusetzen, damit er meinen Liebeskummer nicht spürte. Und meinen Freund wollte ich so nicht davon kommen lassen. Ich begann ihn zu stalken. Ich schrieb ihm täglich zig Nachrichten, machte ihm Geschenke, passte ihn zu Hause ab. Kurzum ich drehte völlig durch.
Das einzige, was ich heute noch positiv zu meinem Freund zu sagen habe ist, er zeigte mich nie an. Er las geduldig meine Nachrichten, beantwortete sie aber stetig und konsequent hielt er mich von sich fern.
Mein Mann aber holte mich zu sich heran, war fast ständig präsent und kontrollierte mich wann immer und wo immer er konnte. Ich brauchte sehr viel kriminelle Energie um ihn zumindest soweit zu täuschen, das er mich nicht wieder achtkantig raus warf. Und es gelang mir, obwohl ich sagen muss, ich hätte es mehr als verdient.
Mit letzter Kraft suchte ich mir eine Therapeutin. Und ich muss sagen, das war die beste Entscheidung meines Lebens. Diese Frau hörte mir zu, ohne mich zu verurteilen. Sie gab mir meine Würde zurück, die ich längst über Bord geschmissen hatte. Sie verbot mir, mit meinem Mann zu schlafen, was ich vorher aus Pflichtgefühl und aus Angst, ihn und somit meine Lebensgrundlage zu verlieren, zugelassen hatte. Ich schlief mit ihm stets bemüht, das er mein Gesicht nicht sehen konnte. Und manchmal konnte ich die Tränen dabei nicht zurück halten. Ich fühlte mich benutzt und schmutzig. Schäbig und schlecht, wie eine Straßenp.
Dieses Verbot meiner Therapeutin, mich dadurch jedesmal erneut zu traumatisieren, brachte zum ersten mal Erleichterung. Auch mit meinem Mann sprach sie darüber und er akzeptierte es.
Was er durchgemacht hat, mag ich mir heute nicht mehr vorstellen. Es muss unglaublich hart gewesen sein. Er wusste ja alles, was mit meinem Freund vorgefallen war. Ich hatte es ihm ungefragt in allen Details erzählt. Er selbst hätte nie danach gefragt. Wahrscheinlich wünschte ich mir sogar, das er mich raus schmeißt, damit ich endlich meine verdiente Strafe bekomme. Er aber hielt an mir fest. Und er war entschlossen mir zu verzeihen, was ich mir selbst nicht verzeihen konnte und wollte. Er ertrug meinen Liebeskummer und meine Lügen. Was ihn dazu trieb? Er liebte mich! Damals und heute und die ganze Zeit. Und ich muss sagen, diese Liebe hielt mich am Leben. Ein Leben, das ich damals nur allzu gern beendet hätte.
Inzwischen sind Jahre vergangen. Ich bin wieder gesund! Ich bin schon lange durch meine Wechseljahre durch, die aufgrund meiner Operation und den notwendigen Nachbehandlungen schon mit 35 einsetzten. Ich bin immernoch etwas pummelig aber das stört mich heute nicht mehr. Ich habe endlich Frieden geschossen mit meinem Körper. Und ich habe Frieden geschlossen mit meinen verstorbenen Eltern. Nur zur restlichen Verwandtschaft halte ich weiter Distanz, da das Gift von damals immernoch wirkt. Davon habe ich gelernt, mich abzugrenzen und mich, meinen Mann und unsere Familie zu schützen.
Unser Sohn ist inzwischen erwachsen und ein wunderbarer Mann geworden. Er wohnt leider etwas weiter weg. Aber er brauchte wohl diese Distanz von uns und vor allem von mir, um sich selbst entfalten zu können. Ich bin beruflich wieder glücklich und endlich angekommen auf einer Stelle, die mir und meinen Fähigkeiten entspricht.
Und mein Mann? Ja den liebe ich, genau so stark wie damals, als wir uns kennen lernten. Vielleicht sogar noch sehr viel mehr. Ich bin heute überzeugt, das ich ihn immer geliebt habe und das das der Grund war, warum wir wieder zusammen gekommen und geblieben sind. Es wäre sicher leichter gewesen, zu gehen. Für ihn und vielleicht auch für mich. Aber was hätten wir dann? Was wären wir dann? Darüber möchte ich nicht nachdenken, denn das was wir jetzt haben, ist so viel mehr. Es ist so wertvoll und einzigartig, dass sich alle Kämpfe gelohnt haben.
Ich bin durch ihn und mit ihm gesund geworden. Meine Medizin war seine Liebe. Nicht mehr und nicht weniger!
Und heute schlafe ich wieder sehr sehr gerne mit ihm. Und endlich fühle ich mich dabei schön, begehrt, geliebt und sinnlich.
Die Affäre war nur ein Symptom. Sie war der Auslöser für die schwerste Krise meines und unseres Lebens. Der Mann, der das alles ins Rollen brachte, es hätte jeder sein können. Ihm geht es heute, wie ich vor kurzem erfahren habe, nicht gut. Auch ihm bin ich in gewisser Weise dankbar, für alles, was er mit mir durchgemacht und erduldet hat. Ich weiß, dass ich nicht der Grund für seine heutigen Probleme bin. Auch ich war nur ein Symptom für die Probleme, die er mit sich und seinem Leben bis heute hat. Ich wünsche ihm, das er da irgendwann heil durchkommt. Mehr gibt es für mich dazu nicht mehr zu sagen.
Dir wünsche ich, das du an der Liebe zu deiner Frau festhalten kannst. Dazu brauchst du Kraft und einen unglaublichen Willen. Das einzige woraus du deine Kraft schöpfen kannst, ist deine Liebe zu ihr. Ich wünsche dir, das sie reicht!
Alles Gute!