Also gut, da kann ich jetzt doch nicht stillbleiben.
Wenn Du, lieber Benjamin, Trost darin finden kannst, dass andere Ähnliches erleben müssen: bitteschön, hier die Eckpunkte jener Geschichte, die vor genau sechs Wochen mein Leben zerstört hat.
Ich (am 28. August 30 geworden) und sie (22) waren bis - eben - vor genau sechs Wochen ein Paar, für zwei Jahre und fast vier Monate. Es war wunderschön (aber immer dran denken: ich kann nur aus meiner Perspektive sprechen) mit ihr, schöner als in jeder der drei längeren Beziehung meines Lebens davor. Der Altersunterschied? Ich habe ihn in all der Zeit niemals bemerkt.
Was auch an unserer ähnlichen Situation lag: Wir haben uns beim Studium kennengelernt, sind beide im siebten Semester, sind beide damit beschäftigt, den Bachelor zum Abschluss zu bringen und (bei mir: wieder) auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ich fand es spannend, dass sie und ich das zusammen erleben dürf ... durften.
Ein wichtiger Unterschied zu Deiner Situation, Dominik: Mir macht mein Studium eigentlich sehr viel Spaß. Oder soll ich jetzt doch sagen: machte? Durch die veränderte Situation bin ich nämlich nicht nur in den letzten Wochen unfähig gewesen, wie geplant meine Hausarbeit zu schreiben, sondern denke derzeit eigentlich auch nur: Ich will raus aus dieser Welt, die mich die ganze Zeit an sie denken lässt! Und andererseits: Aber schaffe ich es jetzt überhaupt so bald wie geplant, dieses Studium zu beenden? Ein Bachelor-Studium ist eine arbeitsaufwändige Angelegenheit, und oft drohte ich am Druck (den ich mir zugegebenermaßen auch selbst machte) zu zergehen - doch dann war immer sie da (war auch ich immer für sie da ... ich kann es nur hoffen, fürchte aber, ich habe es das eine oder andere Mal tüchtig in den Sand gesetzt ... ). Immer.
Aber bleiben wir beim zentralen Thema. Sie hat, soviel dürfte ja schon klar sein, Schluss gemacht. Und sie hat es eines anderen wegen getan. Er hat mir geschmeichelt., Es wäre unfair Dir gegenüber, so weiter zu machen, solange ich mit meinen Gefühlen nicht im Reinen bin., Ich ... wollte nicht, dass das passiert.
Bei uns war es so, dass ich aus einem kurzen Urlaub (habe ihn bei Freunden verbracht) zurückkam, und der 'letzte Abend davor' verlief ebenfalls normal (so war zumindest an dem Abend selbst noch meine Wahrnehmung) abzüglich S. (ich wollte, merkte aber schnell, dass es ihr umgekehrt nicht so ging; bin jemand, der da dann nicht drängt, es gibt ja schließlich viele schöne Dinge, die man als Paar zu zweit tun kann, und bei ihr waren die Optionen tatsächlich immer sehr breit gefächert).
Als 'es' dann am darauffolgenden Tag passierte, war ich vollkommen unvorbereitet. Aus den Nachrichten, die wir während meiner Abwesenheit austauschten, und aus den Gesprächen, die wir führten, darunter ein fast dreistündiges Telefonat noch am Sonntag davor, konnte ich nicht im Entferntesten schließen, was mich da wie der Schlag treffen würde. Die Konsequenz: Die Person, die ich noch immer innig liebe (von der ich nach wie vor, wider alle skeptischen Bemerkungen vonseiten meiner Freunde, sage, dass sie alle Liebe dieser Welt verdient), hat mich mit einem Schlag beinahe vernichtet.
Die Trennung verlief, wenn man so will, in zwei Phasen: die erste war das persönliche Gespräch, in dem es noch Ich fürchte, einen riesigen Fehler zu machen! hieß. Die zweite war ein telefonischer Anruf am Mittag des Folgetages (solange offenbar waren ich und unsere Beziehung es Wert, über diese Sache einmal genauer nachzudenken), in dem mir der Gnadenstoß verpasst wurde (so drückte ich es aus). Es gehe um ihn, ich hätte aber nichts falsch gemacht (das stimmt nicht, das weiß sie, das weiß ich; ich habe ständig, immer wieder Dinge falsch gemacht - war mir aber, wie ich wirklich hoffe, auch nie zu schade, mich zu entschuldigen respektive es anderweitig wieder gut zu machen, wenn ich meinen Fehler selbst bemerkt habe oder von ihr auf ihn hingewiesen wurde), vorher lief ja da auch nichts, aber sie kann jetzt nicht mehr anders.
Ich fürchte, dass wenn ich Dir das sage, Du mich nie wieder sehen willst.
Nun, wer möchte hier eigentlich wen nicht mehr sehen?
Dominik, weißt Du, was im Nachhinein betrachtet fies ist? Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob sie auch geweint hat bei dem (nichttelefonischen) Gespräch. Am Telefon jedenfalls hat sie das nicht. Ich habe sie, wohlgemerkt, als eine der warmherzigsten und empathischsten Menschen meines Lebens kennenlernen dürfen.
Was außerdem fies ist: Nur etwa drei Wochen zuvor kam sie auf mich zu, um mir zu berichten, dass - nennen wir ihn - 'dieser andere Typ in dieser Geschichte' ihr gestanden hätte, dass er in sie verliebt sei. Ich denke, ich kann von mir behaupten, dass ich auf diese recht unerwartete Nachricht einigermaßen fair reagiert habe: Sagte ihr, dass ich natürlich kein Besitzrecht auf sie habe, dass ich sie allerdings wirklich liebe und dass dies natürlich die beste Gelegenheit wäre, mir zu sagen, falls sie in irgendeiner Weise unzufrieden mit unserer Beziehun oder mit mir ist. Außerdem fand ich es wichtig, ihr zu zeigen, dass ich es als großen Vertrauensbeweis erachte, dass sie mir von dieser Angelegenheit ohne große Umschweife erzählt. Wie dem auch sei, Ergebnis des Gesprächs war: a) unsere Beziehung ist für uns beide eine tolle Sache; b) wir lieben uns; c) sie würde zu ihm hingehen, um ihm 'abzusagen'.
Letzteres musste sie dann einige Tage später noch einmal tun, weil der andere Typ in dieser Geschichte offenbar trotzdem nicht aufhörte, um sie zu werben. Zu ihm nur soviel: Er kannte mich, ich kannte ihn. Ich hatte ihn schon als Gast bei mir zuhause empfangen, war immer freundlich zu ihm, habe ihm ganz am Anfang eine kleine Gefälligkeit getan, ich war mit ihr bei ihm, um das WM-Endspiel zu sehen, hatte mich ganz normal mit ihm über manches unterhalten. Er musste gewusst haben, dass er da eine recht harmonische Beziehung vor sich hat. Und dieser Eindruck des 'recht Harmonischen', nein, des, was mich betrifft, 'zu hundert Prozent Harmonischen' war es denn auch, was mich nicht präventiv eingreifen ließ. Ich wollte ihr beweisen, wie sehr ich ihr vertraute und darauf vertraute, dass der andere Typ in dieser Geschichte keine Gefahr darstellte, solange ihrer Meinung nach mit uns beiden alles fein wäre. Ich erlaubte ihr ausdrücklich, auch weiterhin etwas mit ihm zu unternehmen, wenn sie das wollte.
Ja - ich weiß es schon: ich bin unglaublich naiv (gewesen). Vielleicht auch grenzenlos blind und dumm.
Aber wie soll ich automatisch das Schlechteste über andere 'Typen' denken, wenn ich selbst niemals ... ach, machen wir es ganz konkret: Als ich sie kennenlernte und mein Interesse an ihr bekundete, erfuhr ich irgendwann, dass sie einen Freund hat - und habe mich damals zurückgezogen, was für mich primär eine Frage des Anstands ist. Erst als ich einige Monate später wiederum erfuhr, dass diese Beziehung beendet war, habe ich mich wieder um sie bemüht ...
Aber nun. Ich denke, ich sollte mal zu einem Ende kommen und zum Schluss (ergänzend) mein Dilemma in Stichpunkten umreißen:
- Die letzten sechs Wochen waren die schlimmsten, die ich je in meinem Leben durchmachen musste; auf eine solche Weise hat noch keine meiner Beziehungen geendet.
- Ich liebe sie unvermindert. Anders kann ich mir diese echten(!) Schmerzen nicht erklären.
- Momentan sehe ich kein Ende des Leides. Zu wirklich jeder (un)passenden Gelegenheit schaffe ich es, unkontrolliert in Tränen auszubrechen.
- Die Frage nach dem Warum habe ich mir mittlerweile auf so viele verschiedene Weisen beantwortet, dass mir langsam die Ideen ausgehen bzw. ich mittlerweile am aussieben bin.
- Ich kann dabei leider nicht anders als die Fehler bei mir suchen; mein Selbsthass ist riesengroß geworden.
- Besonders schlimm ist die Angst, dass ich zuletzt ein wenig zu viel mit mir selbst beschäftigt war und ihr so die Gelegenheit gab, sich innerlich von mir zu entfernen (bzw. ihr das Gefühl gab, dass ich mich von ihr entfernt hatte).
- Mein Selbstwertgefühl daher? Welches Selbstwertgefühl?
- Freunde sind alles. Und Freunde sind echt. Und der letzte Beweis für das Gute in dieser Welt.
- Die Familie ist genauso alles.
- Sinnloser als das meine erschien mir ein Dasein selten.
- Von ihr habe ich seit dem letzten Telefonat nichts gehört und nichts gesehen (abgesehen von den Informationsschnipseln, die man bei Facebook findet und die einen fast um den Verstand bringen).
- Umgekehrt immerhin hat sie auch noch nichts von mir gehört. Keine Ahnung, wie ich das hingekriegt habe. Der mittlerweile fünfzehnseitige Brief, ich weiß nicht, ob ich ihn ihr je (in einer Kurzfassung) übergeben werde. Die vielen Ich-bin-kurz-davor-sie-anzurufen-Affekte, ich weiß nicht, wie ich sie habe unterdrücken können. Der Drang mit ihr zu reden, ich weiß nicht, wie ich ihn bisher jedesmal habe kanalisieren können. Aber dieses Sich-nicht-melden-sich-nicht-melden-sich!-nicht!-Melden! ist das Schwierigste auf der Welt.
- Kurzum: die Hölle auf Erden. Und alles wegen des (womöglich flüchtigen?) Gefühls des Frischverliebtseins oder wegen eines anderen P. oder wegen mehr oder besseren S. (respektive der Hoffnung auf einen solchen)? Sprich wegen des Gefühls des Abenteuers?
- Was bleibt, ist genauso die bohrende Frage: Habe ich in all der Zeit den Eindruck gemacht, als könne man mit mir über meine Fehler eben doch nicht reden? Bzw. wirkte ich eben doch wie jemand, der eben nicht dazulernt?
Die Ungewissheit ist unendlich, und das wird vorerst wohl so bleiben. Sie anzusprechen traue ich mich nicht (ich würde sie, denke ich, unnötig belästigen); sie zu sehen würde mich in einen Zustand versetzen, in dem ich kaum mehr ein verständliches Wort herausbrächte.
Kurzum: Dominik, nein, Du bist nicht allein.
Beileibe nicht.[/i]
22.10.2014 23:46 •
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