@Sonneninsel
Guten Morgen, liebe Sonneninsel, und vielen Dank für Deine intensive Auseinandersetzung mit meinem Thread und den Fragen zur Verarbeitung.
Selbstverständlich hast Du Recht und das eigene Genesen führt über die Kunst des Verzeihens. Das ist das Ziel. Auch meines.
Ich sehe natürlich sein Unvermögen, erwachsen und fair mit einer Trennung umzugehen. Manchmal tut er mir leid deswegen, denn er hat unter seinem Unvermögen gelitten. Heute weiß ich, dass er darunter litt. Damals wusste ich es nicht. Aber seine Unruhe und Schlaflosigkeit habe ich wahrgenommen und ihn sogar noch darin unterstützt, Ruhe zu finden. Wenn man sich das auf der Zunge zegehen lässt, wirkt die Annahme dieser Hilfe durch ihn, wie so viele Inanspruchnahmen von Hilfe in den vergangenen Wochen, einfach infam. Manchmal bin ich deswegen natürlich nach wie vor wütend. Aber meistens bin ich einfach fassungslos.
Warum ich so unfassbar stagniere, hat aus meiner Sicht zwei Gründe:
1. Einerseits habe ich mit ihm so für mich tief gehenden Erfahrungen gemacht, wie ich sie in meinem Leben noch nicht haben durfte.
2. Meine Tage gleichen sich seit der Trennung .. einer ist wie der andere. Die ärztliche Empfehlung ist, den Fuß so oft und lange wie möglich hoch zu legen. Eigentlich ihn möglichst ausschließlich hochzulegen. Das mache ich jetzt für die Zukunft und hoffe, dass es greift.
Meine Abwechslungen in den letzten knapp 7 Wochen bestanden in 2 Krankenhaustagen wegen der OP, gelegentlichen Besuchen von Freunden, Physiotherapie- und Arztterminen, täglichen Gängen um den Block, 1x Großeinkauf, 1 x Friseur, nächste Woche 1x Kosmetik und allem, was man so machen kann, wenn der eigene Kosmos aus einem Kissenberg, auf dem der Fuß liegt und dem Sofa besteht. Sprich: ich surfe, ich lese, ich schaue wenig TV, ich denke. Zum längeren Lesen oder Handarbeiten fehlt mir noch die Konzentration.
Beim zweiten Punkt bedingen sich auf schlechte Art zwei Dinge. Der Fuß heilt (nach meiner Theorie) schlechter, weil ich psychisch recht angeschlagen bin (nicht nur wegen der Trennung) und die seelische Verarbeitung wird durch die fehlende Abwechslung verlangsamt. Ich kann aber beides nicht erzwingen. Da hilft in erster Linie Geduld.
Trotz aller Flüche, die man hier lesen kann, achte ich den Mann, an dessen Seite ich war, für .. ja, einfach für sich. Dafür, dass er so war wie er war, bis er auf den anderen Weg einbog. Ich achte ihn für sein Sein, für alles was er einbrachte, wie er mich unterstützte, wie er meine Stärke zulassen und anerkennen konnte, wie er Partnerschaft und Beziehung definiert und gelebt hat usw.
Wenn Du bei mir liest, ich würde versuchen, bestimmte Dinge als Fakt anzunehmen und nicht in Frage zu stellen, dann ist das Teil der Verarbeitung. Das ist Teil des Verzeihens. Es heißt, dass ich die Zeit, die wir bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammen hatten, nicht in Frage stelle, obwohl es vielleicht Anlässe gäbe es zu tun. Ich verzichte bewusst darauf, diese Zeit zu sezieren. Es bedeutet, diese Zeit als die beste Zeit meines Lebens mit einem Mann zu verstehen, statt mich zu zermürben und mir damit zu schaden. Da sind wir also gar nicht auseinander.
Und ich sehe, dass er sich im Vergleich zu anderen - trotz der Schmerzen die daraus für mich entstanden sind - gar nicht SO schlecht geschlagen hat. Das macht meinen Schmerz nicht kleiner, aber es relativiert meinen Blick auf seinen Charakter. Er ist halt auch nur ein Mensch.
Mir hilft es, ihn trotz allem als einen wunderbaren Mann zu sehen. Ich sehe ihn - anders als Du Deinen ehemaligen Partner - nicht als eine Menschen, dem der erforderliche Erfahrungshorizont für ein anständiges Ende fehlte. Ganz im Gegenteil. Ich weiß ja, dass er diesen hat. Ich sehe ihn inzwischen als einen Menschen, der sich einer bestimmten Situation nicht gewachsen gefühlt und sich falsch verhalten hat. Menschen machen Fehler. Das ist nun mal so. Das muss man bei sich selber und anderen akzeptieren und verzeihen können.
Aber bei allem Bemühen dauert es nun mal so lange es dauert. Mein Leben hat der Situation zurzeit leider auch nicht viel entgegen zu setzen. Freunde treffen, Theater, Kino, Konzerte, Sportveranstaltungen, Spaziergänge, Kunst, Cocktails trinken, Ehrenamt etc. .. das ist halt gerade alles nicht drin. Weder im üblichen Umfang, noch womöglich in einem, der dazu beiträgt, die Lücke des Verlustes etwas aufzufangen.
Aber irgendwann ist diese Zeit auch vorbei.
Mich suchen in dieser Zeit die Erinnerungen heim. Sollen sie, denn das wird weniger werden, wenn wieder mehr andere Felder in meinem Leben besetzt sind.
Ich bin Zeit meines Lebens immer viel zu schnell, über meine Gefühle und Bedürfnisse hinweg gegangen, denn es musste ja weiter gehen und man hatte sich (Glaubensgrundsätze aus der Kindheit) den Erfordernissne des Alltags zu stellen und nicht zimperlich zu sein. Nicht umsonst bin ich vor Jahren im Burnout gelandet. Das mache ich dieses Mal bewusst anders, aber ich hoffe, den Absprung zu finden, wenn es denn Zeit ist.
Meine Highlights des Wochenendes werden (falls ich gut bin) im Fertigen der Steuerklärung, der Digtalisierung meiner Handschrift (will ich schon seit Tagen machen), der Lieferung eines neuen Staubsaugers und in ein paar Telefonaten mit Freunden bestehen.
Ich hoffe, bei Dir wird es am Wochenende etwas bunter. Danke für Deine Anteilnahme sagt
KBR
P.S. Ich glaube, ich habe letzte Nacht nicht vom ihm geträumt. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran. Aber das Aufwachen war trotzdem Mist.
04.03.2017 08:50 •
x 3 #99