Angst
Du bist nicht mehr meine Baustelle. Ich muss mir keine Sorgen mehr um Dich machen wegen Deines Alk. oder weil Du nicht zum Arzt gehst, wenn es nötig wäre.
G20 naht. Vieles von dem, was in der Presse erscheint, ist hoffentlich lediglich Panikmache. Doch vieles ist auch bereits wahr gewordener Horror. Es ist wahr, dass Radmuttern der Privatautos von Polizisten gelockert wurden, während sie im Dienst waren. Es iste wahr, dass Drohschreiben u.ä. eingehen. Es ist wahr, dass bei Razzien Materialien für den Bau von Molotowcocktails, Waffen und weiteres gefunden wurden. Es ist wahr, dass gestern der Bau unter Polizeiaufsicht mit dem Bau eines Protestcamps etwa 150 Meter Luftlinie von hier entfernt begonnen wurde.
Ich habe zu anderen Anlässen Videos von Auseinandersetzungen zwischen schw*arzem Block und Polizei gesehen, die nie in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gelangt sind. Wenn das, was auf diesen Bildern zu sehen ist, der Maßstab für mehrere Tausend gewaltbereite und vielleicht auch hochgekochte Polizisten ist, wird es in den nächsten 7 Tagen immer wieder kriegsähnliche Zustände auf Hamburgs Straßen geben.
Ich habe Dir neulich gewünscht, dass Du anlässlich dieser Tage Deine Komfortzone verlassen musst. Dabei dachte ich vor allem an Deinen gut geregelten 8,5-Stunden-Tag. Ich wollte, dass auch Du mal ins Schleudern gerätst und nicht weißt, womit Du beginnen sollst, weil es einfach viel zu viel ist. Denn natürlich gibt es den verletzten und boshaften Teil in mir immer noch. Das ist der Teil, der Dich leiden sehen will.
Als ich Dich kennenlernte, konnte ich mit Deinem Beruf gelassen umgehen, weil derartige Einsätze - wie sie für viele Tausend Polizisten anstehen - nicht mehr zu Deinem Alltag gehören. Aber ich habe mich gelegentlich gefragt, ob ich zu dieser Gelassenheit auch in der Lage gewesen wäre als junge Ehefrau und Mutter, wenn mein Partner immer wieder in erster Reihe gewaltbereiten Demonstranten gegenüber stehen muss. Ich habe die Belastbarkeit Deiner Exfrau und auch der vielen anderen Partnerinnen und Partner, Kinder und Eltern im Stillen bewundert. Für mich wäre das die Hölle gewesen. Doch nun, da Du in Zivil mit relativ geregelten Bürozeiten und in anderer Position bist, war es in dieser Hinsicht nicht schwer mit Deinem Beruf zurecht zu kommen.
Jetzt steuert Hamburg auf eine Ausnahmesituation zu und das erfordert Ausnahmen für Dich wie für alle anderen Einsatzkräfte.
Jetzt wünsche ich mir und vor allem Dir, dass Du in den anstehenden Tagen unversehrt bleibst. Ich habe Angst um Dich und ich vermag mir gar nicht vorzustellen, wie das wäre, wenn Du noch der Mann an meiner Seite wärst und wie es all den Einsatzkräften und den Familien der Einsatzkräfte geht.
Ich werde die Tage im HO arbeiten. Am Hauptdemotag werde ich auf dem Geburtstag sein, auf dem Du letztes Jahr einen Teil meiner Freunde kennenlerntest und wir zum ersten Mal zusammen als Paar auf so einer Veranstaltung waren.
Es wird nicht ausbleiben. Ich werde an Dich denken. Die Bilder von diesem Tag vor einem Jahr von uns als glücklich verliebtem Paar sind mir in die Netzhaut gebrannt. Ich werde erklären müssen, wo der nette Typ geblieben ist, der so verliebt in mich war und der so gut zu mir zu passen schien. Und ich werde Angst um Dich haben. Ich werde auf andere Weise einen schweren Tag haben als Du.
Pass auf Dich auf, Baby.
. und ja, ich wünsche auch Deiner Freundin, falls es sie noch gibt, dass sie unversehrt bleibt. Ich möchte, dass Du glücklich bist, weil Du es wohl mit mir nicht ausreichend sein konntest.
02.07.2017 07:18 •
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