Das erste Mal
Gestern sagte der Tätowierer, das erste Tattoo wäre wie eine Entjungferung. Falls es gut ist, will man es immmer wieder.
Also ich sage es mal so:
Bis jetzt ist dieser Kick bei mir noch nicht angekommen. Und wenn ich mich an das echte erste Mal erinnere, habe ich da deutlich mehr Interesse an Wiederholungen gehabt.
Dennoch scheint sich in manchen Lebensbereichen abzuzeichnen, dass mich morgen mein Geschwätz von gestern wenig interessiert.
Mein erstes Piercing ließ ich anno 1999 (OMG, bin ich alt) eigentlich nur deshalb stechen, weil ich mich über meinen damaligen Freund maßlos geärgert hatte und er Piercings voll ekelig fand. Da ich gerade eine nicht unbeträchtliche Summe am einarmigen Banditen gewonnen hatte, fand ich einen Teil davon spontan in einem Piercing gut angelegt.
Ich habe es bestimmt nicht mehr als zwei Jahre getragen, wenn ich mich richtig erinnere, aber ein paar ... öhm... Zeitzeugen in Form von Bauchnabelsteckern fliegen hier noch herum. Museumsreif.
Das zweite Piercing habe ich dann 2016 aus Liebe, als Überraschung und als Geschenk stechen lassen - nicht nur bei mir sondern auch bei ihm. Mitgehangen, mitgefangen.
Nach diesem Stechen war ich drei Wochen im Schockzustand und sehr wehleidig, weil es SO VERDAMMT weh getan hat. Ich war mir 100%ig sicher, dass ich nie, nie, nie wieder etwas derartiges machen würde. Liebe hin oder her. ER hatte schon damit begonnen, weitere Begehrlichkeiten in dieser HInsicht zu äußern. Aber ich war raus! Naja, nicht ganz. Ich muss zugeben, ich habe recherchiert, ob es Möglichkeiten für mich gäbe, ohne diese Schock erleiden zu müssen. Aber. no way! Ich war raus.
Tja, dann war es eine Trennung und ein acht Monate später und ich ging aus Trotz, um ein Zeichen meiner Selbstbestimmung zu setzen, um zu spüren, dass ich noch lebe oder, oder, oder erneut zum Piercen. Anders als ER das gut gefunden hätte, aber mir gefällt es richtig gut. Das war wichtig.
Wenn ich das bei jedem Liebeskummer meines Lebens gemacht hätte, wäre ich der Star auf jeder Piercingconvention.
Ich scheine also in dieser Hisicht zu mind. 2/3 zu Übersprungshandlungen zu neigen. Zum Glück kann mir das bei Tattoos nicht passieren, denn die Wartezeiten bei guten Tätowierern sind einfach zu lang, um nicht doch noch einmal ins Grübeln gelangen zu können. Bevor ich mir bei einem Walk-in-service irgendetwas tätowieren lasse, was die Nachwuchstätowiererin in einem Mangarausch entworfen hat und sooooooo gern stechen möchte, weil es soooooo niedlich ist, ist mir meine Haut doch deutlich wichtiger.
Um das Thema abzuschließen: vor 20 Jahren hätte ich im Leben nicht gedacht, dass ich - stark auf die 50 zugehend - mit so etwas experimentieren würde. Aber jetzt genieße ich einfach die Freiheit in Gedanken und Selbstbestimmung, die - nicht zuletzt angesichts meines Berufs eingeschränkt waren - über das Alter(n) jetzt dennoch eintreten. Vielleicht ist es auch ein Ersatz für das - auch finanziell sorgenfreie Leben - dass ER und ich geplant hatten. Egal warum es so ist, ich genieße es.
Btw falls es interessiert:
Die erste Nacht habe ich ohne Farb- oder Flüssigkeitsabsonderungen überstanden. Aber vermutlich macht mein Lymphsystem Urlaub, weil es damit beschäftigt ist, sich von den Folgen der Fuß-OP zu erholen.
So.. genug Blabla. Ich hatte nicht nur gestern sondern auch heute ein erstes Mal und das ist viel wichtiger.
Während ich darauf wartete, dass mein Kaffee fertig aus der Maschine plätschert und aus dem Fenster in den Sonnenschein sah, wusste ich nicht nur, sondern ich fühlte auch, dass in dieser Trennung eine Chance liegt und die Zukunft verheißungsvoll (hoch lebe der Pathos) vor mir liegt.
Ich spürte, dass dieses Jahr mir - neben den Bekanntschaften mit wundervollen Menschen, die ich schon machen durfte - noch Gutes, Herausforderungen und neue Erfahrungen bringen wird, die ich mit IHM nicht gemacht hätte. Das fühlte sich gut an. Optimismus machte sich breit. Da ich mich ja sonst eher als Realistin sehe, während böse Zungen in ahnungslosen Menschen behaupten, ich wäre Pessimistin, ist das schon etwas ganz Besonderes für mich.
Neue Erfahrungen hätte ich zwar auch mit IHM gemacht, wenn wir beieinander geblieben wären, aber andere und anders. Mit dem Gedanken daran bin ich wehmütig. Aber jetzt werden es eben meine ganz eigenen Erfahrungen sein.
Ich freue mich darauf.
09.06.2017 06:49 •
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