Adonis und die Hausschl*mpe
Hier in meinem kleinen Spießeridyll, in der Enklave der Friedfertigkeit am Rande der Großstadt wohnt ein Haus weiter ein Paar in meinem Alter. Sie sind fester Bestandteil der Siedlungsgemeinschaft - anders als ich, die hier seit fast 10 Jahren eher zurückgezogen lebt - weil sie oder zumindest einer von beiden wohl schon als Kinder hier wohnten (oder ich einen oder zwei oder drei an der Marmel habe mit meinen Unverbindlichkeitsdrang).
Ich fand sie sowohl bei den Eigentümerversammlungen als auch beim Sommerfest o.ä. immer eher reserviert mir gegenüber, aber wenn man alleinstehend ist, ist dieses Verhalten von Paaren nicht ungewöhnlich. Wohl aus Gründen. Aus der Ferne sind sie ein attraktives und aktives Paar. Aus der Nähe sehen sie aus, wie Menschen nun mal aussehen, wenn sie um die 50 sind. Er ist ein sehr attraktiver, großer Mann. Gut gebaut uuuuund. Tja, dazu später mehr.
Soweit ich das aus der Ferne mitbekam, sind sie sehr geschätzt und fleißig. Aber ich hatte kein eigenes Bild davon. Ich hatte nur das der Reserviertheit mir gegenüber. Sie reinigt neben ihrem Hauptjob sehr zuverlässig die Treppenhäuser. So auch für mich, weil ich neben meinem Hauptjob eben gar keinen Bock darauf habe und nicht fleißig bin. Das ist eine Eigenschaft aus einem früheren Leben.
Heute ist Sonntag, der Hasstag aller Alleinstehenden und bei mir üblicherweise der Tag vollkommener selbst gewählter Ereignislosigkeit.
Heute wollte ich nur mal schnell in den Keller schlüpfen und die Reifen meines Fahrrads aufpumpen, um bis morgen zu schauen, ob sie die Luft halten oder ob ich einen Plan B benötige. Bis dato war der Ex in Sachen Fahrrad für Plan B zuständig und davor mein Bruder. Beides geht nun nicht mehr. Auch aus Gründen.
Yo. Nun ist der Sonntag nicht nur der Tag der ultimativen Ereignislosigkeit sondern auch der Tag des ultimativen Homedresses und der erst abendlichen ausgiebigen Körperpflege, bevor dann die neue Woche startet.
Kurz: gegen Mittag hatte ich dann auch mal die Zähne geputzt und angesichts des Vorhabens, in den Keller schlüpfen zu wollen, hatte ich mich entschieden, auch äh korrekte Unterwäsche zu tragen. Aber sonst Öhm, nennen wir es Pheromonausstoß. Das klingt immerhin barmherzig.
Ich traf also mit dem Kaffeebecher in der Hand und immerhin einen BH drunter im Keller die Putzfee. Nennen wir sie M.
M., die zum Glück in Putzfeenmontur unterwegs war und vermutlich ebenfalls Pheromone versprühte, und ich kamen schl*mpig, verpennt und schwitzig, wie wir waren, erstaunlich lebhaft ins Gespräch, während ich die Reifen aufpumpte, Kaffee schlürfte und sie halbherzig ein paar Spinnenweben von der Decke fegte. Irgendwann stieß ihr Mann dazu, plauschte ein wenig mit, während ich Gott für die BH-Entscheidung dankte, und verschwand dann wieder. Nicht aber, ohne ihr aufzutragen, was sie mit unbedingt noch alles erzählen müsse. Sehr nett. Wirklich sehr nett. Alle beide. Sehr attraktiv er. Ein Bild von Mann. Groß, schlank, freundlich, offen. Nennen wir ihn A.
M. und ich beendeten unser Gespräch, nachdem sie mir erklärt hatte, dass A. ein absoluter Fahrradfreak wäre und dass ich unbedingt (!) Bescheid geben sollte, falls ich Probleme hätte. Das war verbunden mit dezidierter Wegbeschreibung zu ihrer Wohnung.
Ich speicherte das gedanklich ab in den Bewusstsein, dass ich das niemals tun würde, da es mir sehr, sehr schwer fällt, um Hilfe zu bitten - noch dazu bei quasi Fremden.
Ich kochte Mittagessen mit viel Curry und freute mich über den netten Kontakt. Während ich mir vornahm, wieder entgegenkommender zu werden und mein Essen verspeiste, klingelte es an meiner Tür.
Schwer genervt, weil jemand meine heilige Sonntagsruhe störte, und ganz entgegen des gerade gefassten Vorsatzes, öffnete ich die Tür (zum Glück immer noch mit korrekter Unterwäsche aber dafür möglicherweise mit einem Currymund).
Und da stand er, ein Adonis, ganz freundlich. Ich fragte scherzhaft, ob seine Frau ihn geschickt habe. Ja, sagte er, sie habe gesagt, ich hätte Probleme mit meinem Rad und er wolle seine Hilfe anbieten.
(Hö? Wtf? Ich lebe in einer anonymen Großstadt. Das geht so nicht! Das hebelt die Regeln aus!)
Ich war überfordert mit der Nettigkeit und seinem Aussehen und der Offenheit der beiden (und der Möglichkeit, eine Hilfe zu haben).
Ich erklärte, dass es noch gar kein Problem gäbe, aber dass ich, sofern sich eines auftun würde, gern auf sein Angebot zurück käme, da ich momentan niemanden sonst fragen könne.
Und er stand da. Und stand und stand und gab mir dann die Hand und sah mir in die Augen und sagte, er wäre übrigens A.
Ich hatte das Gefühl, er wolle reinkommen, aber meine Wohnung hatte quasi keine korrekte Unterwäsche an und ich fand das angesichts seiner Attraktivität unpassend. Und überhaupt.
Also eierten wir noch ein wenig im Gespräch herum, bevor ich ihm demonstrativ noch einen schönen Sonntag wünschte, er mich von oben bis unten musterte, mir nochmal erklärte, wo sie wohnen würden (btw: Ich kann deren Badezimmerfenster vom Balkon aus sehen. Ich weiß, wo die wohnen!) und dass ich mich unbedingt bei Bedarf melden solle.
Warum nun dieser elendig lange und eigentlich wenig spektakuläre Eintrag?
Ich freue mich einfach so sehr über diese unerwartete Entwicklung, über die netten Nachbarn und darüber, dass ich mal wieder einen Mann attraktiv finde.
Vielleicht suche ich mal mein Fernglas.
06.05.2018 17:53 •
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